Mittwoch, 21. März 2012

City of Joy

Wow, Varanasi hat flughafentechnisch schwer aufgerüstet. Vor zwei Jahren musste noch ein einer Baracke ein Staubsauger bemüht werden, damit die Sicherheitsschleuse ans Laufen gebracht werden konnte. Heute gibt es einen hübschen, ganz normalen Flughafen mit immerhin vier Gates. Die indische Mittelklasse wächst stetig - und fliegt. Billige Inlandsflüge nehmen rasant zu, entsprechend gab die Gesellschaft IndiGo im letzten Jahr die größte Bestellung der bisherigen zivilen Luftfahrt bei Airbus in Auftrag. Ich flog mit JetLite für umgerechnet 30 Euro in einem nagelneuen Flieger in einer Stunde nach Kolkata.

Man sagt dem Inder im allgemeinen ja Ruhe und Geduld und wenig Stress nach. Das Gegenteil wird aber beim Besteigen und Verlassen öffentlicher Verkehrsmittel beobachtet. Synchron zur ersten Reifenberührung auf der Landebahn - zack, alle Handys an und kurz darauf stolpert man auch schon übereinander im Gang, um nun ja als erster sein Köfferchen auf dem Gepäckfach zu zerren. Dafür steht man dann länger an am Gepäckband und hat wertvolle Zeit für Muße gewonnen, keine schlechte Taktik.

Am Flughafen werden Prepaid-Taxis feilgeboten, die für kleines Geld in die Stadt befördern. Taxis, das sind hier gelbe, uralte Ambassador Autos im Stil der 50er. Mein Fahrer nutzt adlergleich jede sich bietende Lücke im Verkehr, tut dies aber sehr gemeidig und ohne große Huperei, angenehm professionell. Überhaupt, ich hörte vorher, das Verkehrschaos in Kolkata suche seinesgleichen und sei noch schlimmer als in Delhi oder anderenorts. Das kann ich nicht finden. Natürlich, wer europäische Verhältnisse gewohnt ist, möchte sich hier schreiend in Sicherheit bringen, aber ich finde den Verkehrsfluß hier recht gemäßigt. Wie in Mumbai gibt es Ampeln, man hupt nicht exzessiv und außer Taxis und Bussen sind eher wenige ausgefallene Fortbewegungsmittel wie Ochsenkarren und derlei zu sehen.

Kalkutta heißt heute Kolkata, so sagt man wohl im Bengalischen. Bekannt wurde es auch als Stadt der Freude nach dem gleichnamigen Roman. Für mich ist es erst einmal die Stadt des Waschküchenklimas. Das Thermometer lugt gerne über die 35° Marke und dabei ist es elend feucht. Die Tage beginnen entsprechend schon beim Frühstück schweißgebadet und auch beliebig viele Duschen ändern diesen Zustand nur kurzfristig.

Straßenbahn in Kolkata, alt und langsam, aber schön
Wie in jeder Metropole gibt es auch hier ein Touristenviertel, in diesem Fall die Sudder Street. Da wohne ich, oder besser gesagt: ich logiere. Ich habe mich im alt ehrwürdigen Fairlawn Hotel eingemietet, seit Generationen im englischen Familienbesitz und Ende des 18. Jahrhunderts gebaut. Man zahlt hier zwarmehr für Atmosphäre als für Komfort, dafür gibt es einen tollen Garten. Und überbordend dekorierte Gemeinschaftsräume im altmodischen englischen Stil, man würde sich nicht wundern, wenn irgendwann Miss Marple um die Ecke schaut. Fairer Weise ist im Preis hier das englische Frühstück und der 5-Uhr-Tee inbegriffen.

Dafür, dass die Sudder Street DIE Touristenmeile ist, geht es ganz beschaulich und indisch zu. Haufenweise Schlepper und Nepper wie anderenorts gibt es komischer Weise nicht, nur ein paar dezent für sich werbende Rischaläufer. Naja, am ersten Abend wurde mir außerdem sicher 20 mal bewußtseinerweiterndes Rauchzubehör angeboten.

Laufrikschas bieten ihre Dienste rund um den New Market an
Der erste Eindruck von Kolkata ist ausgesprochen nett. Eine lebendige Stadt, aber insgesamt recht aufgeräumt und entspannt. Als erstes habe ich das nahe gelegene Marktviertel rund um den von den Engländern errichteten Hallen des New Market durchstöbert. Märkte sind immer einen Besuch wert, finde ich. Besonders die Lebensmittelabteilung ist wie gewohnt farblich schön sortiert und fotogen.

Der Eismann ist da - bei 38° eine gute Sache
Kolkata besitzt, wer weiß das schon, eine der größten städischen Parkanlagen weltweit. Der  so genannte Maiden übertrifft denke ich den Central Park. Wobei man von der Gesamtfläche im Grunde nicht alles als Park bezeichnen möchte. Weite Teile sind einfach Brachland und dienen zum Müllabladen und zum Campieren für Slumbewohner. Unter anderem konnte ich beobachten, dass man durch die unkontrollierte Entsorgung größerer Mengen von Einweggeschrirr aus Plastik eine nachhaltige Verschandelung urbaner Erholungslandschaften erzielen kann. Um so gepflegter ist dafür die Anlage rund um das opulente Victoria Memorial. Zu Ehren der Königin wurde hier eine große Marmorkomposition errichtet, die hübsch anzusehen und auch bei den Indern beliebtes Ausflugsziel ist. Für 5 Cent Einrittt bekommt man als Gegenwert einen sehr gepflegten Park, der gänzlich unindisch anmutet.

Spass für Jung und Alt auf dem Maiden
Die weiten Rasenflächen gegenüber werden genutzt wie in Mumbai die Strände. Zum Flanieren, zum Besuch der vielen Essensstände und kleinen Unterhaltungsbetriebe. Ich versuche auch gleich, Luftballons mit dem Luftgewehr zu erlegen, mäßig erfolgreich (die Dinger sind alle krumm, wie früher auf der Kirmes).

Zum Abendessen lasse ich mal richtig krachen und suche das Thai Restaurant im besten Hotel des Viertels auf. Ganz hervorragend und das komplette Essen für etwa 10 Euro, wer will sich da beklagen. Tritt man aus der Tür des Nobelschuppens, sieht man 20 Meter weiter diejenigen, die allen Grund zur Klage hätten. Die breiten Bürgersteige leben, unter Kartons und Planen fristet die müllsortierende und bettelnde Zunft ihr Dasein.  Wie immer liegen arm und reich hier dicht beieinander. Das Klischee des allgegenwärtigen Elends, das Kalkutta oft anhaftet, bestätigt sich hier allerdings nicht auffälliger als in anderen indischen Großstädten auch, soweit ich das bisher beurteilen kann.

3 Kommentare:

  1. Hi Peter! Thailändisch in Indien, Asien in der Westentasche. Kolkata ist offenbar Kalkutta, richtig? Ich stelle gerade mit Erstaunen fest, dass das gar nicht am Ganges liegt. Glaube deutschem Liedgut nicht! Mit Spannung werden Fotos erwartet. Grüsse aus dem fernen A. j.

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  2. Völlig korrekt, das vergaß ich zu erwähnen. Kolkata (= Kalkutta) liegt nicht am Ganges, sondern am Hoogli, welches allerdings einer der Mündungsarme des Ganges ist. Der Fluß spielt hier auch bei weitem nicht die Rolle wie in Varanasi oder anderswo, er ist im Grunde einfach nur vorhanden.

    Irgendwie klappt hier der Bilderupload nie, ich weiß nicht, ob es an den Wifi Zugängen liegt, die das eventuell unterbinden, oder an Blogspot. Schade, das.

    Grüße
    P

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  3. Naja, einfach bildreich weiterschreiben ;)
    VG J.

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