Freitag, 16. September 2011

Marathon-Mann

Kein Wunder, dass dieser Film ausgerechnet hier gedreht wurde. Denn New York muss erlaufen werden und die 42 komma x Kilometer hat man glaube ich schnell zusammen. Mein vage anvisiertes Programm - hier noch mal längs, dies könnte interessant sein, das einen Abstecher lohnen - würde bei genauerer Betrachtung, die ich nun vornehmen kann, eher einen Monat erfordern. In den paar Tagen ist das nicht zu machen.

Mein heutiger Dauerlauf führte dann auch auf den Spuren von Dustin Hofmann um den Teich im Central Park, den ich sowie gerade durchqueren musste. Doch, ganz schön groß (aber ob der mit unserem Grüngürtel mithalten kann, ich weiß es nicht). Schön ist es dort, Bäume, Spaziergänger, Jogger, Hunde, Teiche, alles was man an Ruheprogramm braucht in einer Millionenstadt. Nur einen Grill habe ich nicht gesehen, das wäre bei vergleichbarem Wetter in Köln anders. Hier wird's denke ich verboten sein.

Die Kehrseite von "Imagine" - also quasi "Forget" - auf den Erdbeerfeldern
A propos verboten, das trifft hierzulande schon auf einiges zu, auch wenn viele Erzählungen darüber zur Übertreibung neigen. Im Grunde geht das doch alles recht entspannt zu. Interessant ist aber die Angewohnheit, für alles und jedes direkt eine Bedienungsanleitung  erklärende  mitzuliefern, als hätte man es in diesem Land nur mir Vollidioten zu tun ("Achtung - Kaffee ist heiß!). Ein Schmankerl in dieser Hinsicht fand ich heute:

Endlich erklärt: die geheime Funktion der Ampel
Was gab es noch ... im Guggenheim Museum war ich kurz, nur in der Halle, weniger wegen des Eintritts als wegen der Zeitnot. Die Architektur konnte ich mir auch so ansehen, und die interessierte mich primär. Kunst hatte ich ohnehin noch in East-Harlem, wo allerlei Grafitti anzusehen ist. Im westlichen, ehemals "scharzen" Harlem, war ich auch noch kurz, ein Highlight ist das aber nicht gerade.

Bewohner von Harlem pflegen einen Hang zu dezenten Farben bei der Garderobe
Da der Tag nur zwölf helle Stunden hat, schnell weiter. Beim ehemaligen WTC war ich und habe den Neubau (ein Teil steht schon) hinter dem Bauzaun gesehen. Das neue 9/11 Memorial ist seit dieser Woche eröffnet, das hätte ich wohl gerne gesehen. Die Fundamente der beiden Türme sind nun Wasserbecken, rundherum ein Park, auf Bildern sieht das gut aus. Leider muss man sich vorher ein Ticket besorgen, zwar kostenlos, aber mit einer Vorlaufzeit von aktuell etwa zwei Wochen. Im Büro des Memorials sind morgens auch einige wenige Tickets für den aktuellen Tag zu bekommen, dazu braucht man aber Glück und ich werde mir den Aufwand wohl morgen nicht noch einmal antun.

Ein Gang durch die Wallstreet ist eher unspektakulär. Irritiert haben mich hier nur die Touristenmassen, die sich auf dieser Straße tummeln, auf der es eigentlich nichts zu sehen gibt. Es ist eher ein Sträßchen mit Fassaden wie überall, nur an einer steht "Stock Exchange". Für mich lag es auf dem Weg zum Fährhafen an der Südspitze. Von dort setzt man kostenlos mit der Fähre nach Staten Island (sprich nicht "Stäiten Eiländ", sondern "Stätten Oiland") übersetzt. Da will eigentlich niemand hin, aber der Blick auf die Stadt ist natürlich klasse, wenn auch heute leider sehr eingetrübt. Interessant wäre natürlich auf Staten Island ein Fleckchen namens "Fresh Kills", die ehemals größte Mülldeponie der Welt. Heute lässt man Gras drüber wachsen und macht einen riesigen Park daraus.

Diese Figur muss wenigstens im Vorüberfahren obligatorisch abgelichtet werden.

Donnerstag, 15. September 2011

Er lebt!

Gestern Abend bin ich noch über den Times-Square geschlendert. Das ist diese mit Neonreklame extrem verseuchte Straßenkreuzung, die wohl den beliebtesten Platz auf der Skala touritischer Begehrlichkeiten einnimmt. Farblich ist das ganze schon schön gestaltet, man muss sich halt nur vor Augen führen, dass man hier von allen Seiten mit Werbung zugeballert wird und dabei wahrscheinlich stündlich soviel Energie benötigt wird, wie eine Kleinstadt jährlich verbraucht. Dafür kann man auch nachts noch ohne Blitz fotografieren ;-)

Früher war diese Gegend arg verrufen. Pronokinos, Drogendealer und Straßenräuber sollen hier noch bis in die 90er herumgelungert haben. Heute undenkbar. Die Chance, hier Verbrechensopfer zu werden, dürfte angesichts der geballt präsenten Staatsmacht gegen null tendieren.

Auch Pferde wirken abschreckend auf Kleinkriminelle.
Und außerdem, er lebt! Er hat nur etwas abgenommen und hockt heute am Times Square, um sich mit alten Damen im Arm ablichten zu lassen:


 An schrägen Vögeln herrscht in dieser Stadt ohnedies kein Mangel. Wer hier auffallen will, hat's nicht leicht.
 Da muss man sich schon gebärden wie Hans Dampf in allen Gassen.


Das heutige Tagesprogramm schloß untern anderem zwei Besuche des "Top of the Rock" ein. Diese Aussichtsplattform in dreihundertirgendwas Metern Höhe, auf dem Dach des höchsten Teils des Rockefeller-Center, bietet den großartigsten Blick, den man in New York für Geld (viel Geld) kaufen kann.

Die Erde ist eine Kugel. New York glaube ich auch.
Klasse ist auch der Aufzug, der einen begleitet von einer Multimedia-Lightshow in der gläserenen Decke der Kabine affenartig schnell hoch katapultiert. Heute Abend war ich dann nochmal oben und hatte ein Riesenglück. Nachmittags hat es eine ganze Weile geregnet. Heute Abend war es immer noch grau-in-grau bewölkt und tröpfelte ab und an. Dazu war es vor allem oben auf dem Turm extrem windig und unerwartet eiskalt. Wo bleibt das Glück? Richtig, nach so einem Regen ist die Luft klar und die Fernsicht war wesentlich besser, als alles, was ich hier bisher gesehen habe. Dann riss auch noch pünktlich bei Sonnenuntergang der Himmel am westlichen Horizont kurz auf und die ganze Stadt wurde in goldenes Seitenlicht gebadet. Für so ein Licht dankt der Fotograf allen Göttern und vergisst schlagartig Kälte und Regen. Ich hoffe, in den Bildergebnissen schlägt sich das nieder (sowas packe ich hier aber nicht auf die Schnelle rein).

Mein Hotel liegt wirklich sehr günstig. Alle U-Bahnen, die man ab und an braucht, fahren um die Ecke. Im Null Komma Nichts läuft man zum Empire State Building oder zum Times Square. Und: um die Ecke ist Little Korea. Hinter dem Broadway heißt die 32. Straße auch "Koreaway" und ein Grillrestaurant reiht sich ans nächste. Statt amerikanischem Fastfood ließ ich mir deshalb heute abend ein Bulgogi servieren (für Uneingeweihte: hauchdünn geschnittene und marinierte Rindfleischstreifen, am Tisch gegrillt), dazu bog sich der Tishc unter einem duzend Schälchen Kim Chi (für Uneingeweihte: das ist eingelegtes Gemüse aller Art, von mild über sauer bis sau-scharf, es gibt hunderte verscheidene Kim Chi).

Mittwoch, 14. September 2011

East River kreuz und quer

Heute habe ich mir einen Brückentag genommen. Angefangen hat der mit der Brooklyn Brigde, auf der ich schon etwa drei Stunden zugebracht habe, inklusive der Flußüberquerung, die auch nicht mal eben zu erledigen ist. Bei feuchten 30° eine recht schweißtreibende Aktion in praller Sonne, da nahm man die Getränkeverkäufer auf der Brückenmitte dankbar zur Kenntnis. Lebensgefährlich kann hier schnell das Betreten der falschen Weghälfte sein, Radfahrer schreien allenfalls, bremsen aber eher selten.




Anderenseits bin ich ein wenig durch Brooklyn spaziert, insbesondere durch Dumbo ("down under Manhatten-Bridge overfly"), also das Viertel unter der Brücke. Früher schmuddelige Lagerhäuser, heute angesagte Galerien und lecker Essen.

Über die Manhatten Bridge ging es zurück. Leider ließ dirt die Aussicht zu wünschen übrig. Nur die "falsche" Seite war wegen Bauarbeiten für Fußgänger nutzbar und außerdem ist alles schwer eingezäunt. Nach mehreren Kilometern auf Brücken erreiche ich Chinatown. Dort ist es schlimmer als in Frankreich, denn kaum wer spricht englisch, wie ich bei der Befragung zahlreicher Passanten feststellen musste. Dieser Vorzeige-Vietnamese war einer der Sprachkundigen:


Ganz sehenswert ist das Viertel ja. Ich kaufte Ingwerbonbons und entdeckt ein dem Laden verschiedene Sorten Abalone, das (amerikanische) Pfund zu Preisen bis über 2.000 Dollar, so gut kann das gar nicht schmecken.

U-Bahnfahren hat Vorteile, es schont die Füße und sorgt außerdem für musikalische Erlebnisse, so hier an "meiner" Station:

Dienstag, 13. September 2011

Der New Yorker an sich

Noch ein paar Eindrücke nach meinem heutigen gefühlten Halbmarathon. Wenn ich das gewollt hätte - den ganzen Tag Herumlaufen mit einen schweren Sack auf dem Rücken - hätte ich eigentlich gleich zur Bundeswehr gehen können. Ja, die Stadt ist im wahrsten Sinne weit-läufig. Trotz vorschnell erworbener Wochenkarte habe ich die U-Bahn erst einmal benutzt, aber das kommt schon noch.


Früher Fotograf fängt nicht den Wurm, sondern den Dunst. Die Idee, früh morgens das Empire-State-Building zu besuchen, war mäßig gut. Die Lichtverhältnisse waren, sagen wir mal, interessant. Mit dem Licht ist es hier aber ohnehin so eine Sache. Bis man von der Sonne etwas sieht, ist sie schon zu grell, die Straßen sind sowieso nur zeitweise etwas ausgeleuchtet und sonst im Schatten, meist passt es genau nicht. Hier zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, ist höchst problematisch. Zumal man ja nicht den ganzen Tag Zeit hat, auf das richtige Licht zu warten. Mal sehen, was so daraus wird in den nächsten Tagen.

Wenigstens hat das ESB einen ganz gepflegten Eingangsbereich:


Was heute noch alles auffiel ... Die Stadt ist definitiv mehr als teurer. Selbst Fastfood in Form pappiger Pizzastücke ist nicht gerade geschenkt zu bekommen. Ein Bier, welches ich heute in Nähe der Grand Central Station im Straßencafé trank (draußen, Alkohol! Und man durfte dort Rauchen!!) wurde im Plastikbecher (!) serviert und schlug inklusive Steuer und Trinkgeld mit schlappen neun Dollar (!!) zu Buche. Wenn das mal nicht deutlich gewagter ist als Kölner Becherpreise zu Rosenmontag. Der frisch zubereitete Ananas-Papaya-Petersilie (!) - Saft, mit dem ich später die Lebensgeister reanimieren wollte, war wengistens schon für fünf Dollar mein eigen. Und jetzt hocke ich schon wieder bei Starbucks und trinke überteuerten Eiskaffee. Aber was für den Laden spricht ist das W-Lan, außerdem haben die über 600 Filialen in Manhatten, also quasi sind sie unausweichlich.

Der New Yorker an sich ist ein angenehmer Zeitgenosse. DEs öfteren wird man unverhofft vermeindlich ruppig angeraunzt, was aber nur an der hier typischen Betonung der englischartigen Sprache liegt. Man wird gar nicht zurechtgewiesen, sondern zu einem unverbindlichen Smalltalk eingeladen, erzählt sich kurz dies und das und verabschiedet sich, nicht ohne sich gegenseitig einen schönen Tag, eine gelungene Woche und auch sonst alles Gute gewünscht zu haben. Das soll nicht verächtlich klingen, nein, im Gegenteil. Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit sind eine Zierde, die hier so mancher mit sich trägt. Da sist sehr angenehm. Auch angenehm ist das gute Benehmen, gegenseitige Rücksichtnahme ist häufig zu beobachten und wenn sich irgend wer vordrängelt, ist das mit großer Sicherheit ein Tourist. New Yorker scheinen das nicht zu tun, sie lassen dann eher den Vortritt, halten die Tür auf und "have a nice day". Ich will nicht übertreiben, aber von all der Heltik, der sprichwörtlichen Arroganz und Unfreundlichkeit der New Yorker finde ich ich bisher kaum Spuren.


"You must answer to get help!" (sagte der Beamte der Notrufzentrale bedauernd zum dahinscheidenden Verbrechensopfer)
Übrigens war ich heute Einkaufen ("man" fährt schließlich zum Shoppen nach NY). Das Mekka aller Fotografen heißt "Adorama", wo es alles zu (für uns) kleinen Preisen gibt. Ich hatt einen Mega-Store erwartet, wie das neudeutsch heißt, landete aber in einem verwinkelten kleinen Lädchen. Man hat da wirklich so ziemlich alles, aber nicht in dem Lädchen, sondern im (wahrscheinlich riesigen, mehrgeschossigen) Keller. Dort suchen irgendwelche hilfswilligen Maulwürfe das Gewünschte und durch Löcher im Fußboden landet das ganze irgendwann zu Füßen des Verkäufers. Interessante Art der Lagerhaltung, man lernt nicht aus. Aus dem Kellerloch emporgeschleudert wurde auch das von mir begehrte Fisheye-Objektiv (für Laien: ein Superweitwinkel mit Rundumblick), jetzt ist's meins.

Damit kann man zum Beispiel einfach mal aus dem Hotelfenster knipsen:


Übrigens: wenn man an den Preisen hier verzweifelt, gibt es eine Lösung. Nein, nicht die Wall-Street, viel einfacher: man wird Parkplatzvermieter. Was es nämlich weit weniger gibt als Starbucks-Filialen, sind Parkplätze. Wenn maneinen findet, wird dort hochgestapelt was das Zeug hält, in der Fläche ist schließlich kein Platz. Der Parkplatz auf dem Bild unten hatte ein Sonderangebot feilgeboten: eine Stunde, die Steuer mitgerechnet, für nur 13 Dollar. Alles klar, oder?


Wenn man einen solchen Parkplatz besitzt, ist man frei von Sorgen und kann sich anderen Verschrobenheiten hingeben, vermute ich. Als ich gestern eine Pizza aß, kam ein Spaziergänger längs, der eine Katze auf dem Kopf sitzen hatte. Dauerhaft, ich sah ihn später noch einmal. Was lehrt uns das: auch abends nicht ohne Kamera das Haus verlassen, das glaubt doch sonst kein Mensch. 

Ein Hort schlechten Benehmens

Sich über Urlaubsunterkünfte auszulassen ist im Allgemeinen unnötig und langweilt den Leser nur. Hier gilt es, eine Ausnahme zu machen.
In New York bin ich nämlich nicht in irgendeinem Hotel untergekommen, das ebenso in Rio, Singspore oder Stuttgart stehen könnte. Nein, ich wohne im Chelsea - ich wollte im Chelsea wohnen. Doch dann kam alles anders. Meine Buchung war bestätigt und keine konnte damit rechnen: am 31.07. wurde das Hotel nach Verkauf schlagartig geschlossen. Ab August gibt es während umfangreicher Renovierung keine Gäste mehr, die verbliebenen 100 Langzeitbewohner werden nach und nach vor die Tür gesetzt. Ich musste kurzfristig umbuchen und was mir vom Chelsea bleibt ist die dazugehörige Literatur im Gepäck. Aber was hat es überhaupt mit diesem Hotel, auf sich, warum bin ich etwas traurig, nicht genau dort zu wohnen, warum lohnt es darüber zu schreiben?

Das Chelsea Hotel wurde 1883 erbaut und konnte sich für einige Jahre rühmen,
mit 12 Stockwerken das höchste Gebäude New Yorks zu sein. Konzipiert war der pseudo-barocke Backsteinkasten als Appartementhaus, 1905 wurde er als Hotel umgewidmet. Das alles rechtfertigt noch keine Geschichte, wird der aufmerksame Leser nun einwenden. Ein zwar altes, aber entsprechend abgewohntes und mäßig komfortables Hotel, nun ja.


Die eigentliche Geschichte speist sich aus der illustren Gesellschaft, die hier im Hause weilte. "Ein Hort legendär schlechten Benehmens" titelte Magazin Merian seinen Artikel über das Chelsea Hotel, gab ihm den Beinamen "Zufluchtsort für Ausgeflippte". John Lennon ging hier ein und aus, Stanley Kubrick hauste hier ebenso wie Arthur Miller und Mark Twain. Bob Dylan und Jimmy Hendrix stiegen ab und für Leonhard Cohen war es lange Zeit ein Zuhause. Cohen besang das Haus sogar in einem  seiner Songs und Andy Warhol, natürlich auch ein Mieter auf Zeit, drehte "Chelsea Girls". Einige haben, ohne es zu wissen, bereits Einblick erhalten, etliche Szenen aus "Leon, der Profi" wurden im Treppenhaus des Hotels gedreht.
Punk-Legende Sid Vicious von den Sex Pistols ermordete in Zimmer 100 angeblich seine Freundin, bevor er ein Jahr später selbst an einer Überdosis eben dort starb. Dichter Dylan Thomas raffte in seinem Appartement der Alkohol dahin. An mehr oder wenger Durchgeknallten herrschte hier vor Jahrzenhten kein Mangel. William S. Burroughs schrieb den Drogenroman "Nakes Lunch" im Chelsea Hotel - ich habe ihn als authentische Reiselektüre eingepackt.



Musiker, Dicher. Maler mieten sich teils für Jahre im Hause ein, auch zuletzt gab es noch etwa hundert Langzeitmieter. Das Treppenhaus ist zugepflastert mit Gemälden chronisch zahlungsunfähiger Künstler, die damit ihre Miete beglichen.

Der Spiegel bescheinigte dem Chelsea Hotel eine "Atmosphäre unkontrollierbaren Verfalls" und schreibt weiter: "Sänger Leonard Cohen sagte einmal, das "Chelsea" gehöre zu jener Sorte Hotels, in die man 'um 4 Uhr morgens mit einem Zwerg, einem Bären und vier Ladies im Schlepptau einchecken kann, ohne dass es jemanden stört'."

Ich bin ohne Zwerg und Ladies gekommen, aber leider dennoch anderweitig einquartiert. Meine Unterkunft Pennsylvania ist ein gleichfalls in die Jahre gekommener 1700-Zimmer-Bunker, zentral gelegen, aber leider ohne den Hauch von Charme. Wenn man sich schon in einer Stadt aufhält, wo viel Geld für schäbige Löcher
zu zahlen ist, hätte ich wenigstens gerne Flair dafür gekauft.
Wo sonst als im Chelsea könnte man absteigen in New York?

Montag, 12. September 2011

Welcome to NYC

So, nun ist es soweit. Nach langer Reise bin ich heute in der Stadt angekommen. Das war gar nicht so einfach ...

Früh ging es per S-Bahn zum Flufhafen Köln, um auch zeitig genug einzutreffen. Das scherte den City-Hopper von KLM wenig, unser Start verzögerte sich aus unerfindlichen Gründen um fast eine Stunde. Da meine Umsteigezeit in Amsterdam mit 1:25 Stunden ohnehin recht knapp bemessen war, habe ich meinen Weiterflug innerlich schon abgeschrieben und sah mich am Transfer-Desk nach späteren Flugmöglichkeiten Ausschau halten. Irgendwie hat's dann doch noch hingehauen. Nach der Landung musste ich einen Spurt quer durch den nicht gerade kleinen Flughafen unternehmen und stand dann nach einer Viertelstunde mit heraushängender Zunge am Sicherheitscheck. Dieser wurde erstaunlich lax vorgenommen und der Flugzeugbesteigung in letzter Minute stand nichts mehr im Wege. Interessanter Weise haben sie es sogar geschafft, mein Gepäck noch umzuladen, Hut ab, KLM. Damit hatte ich nach zahlreichen Aufenthalten an lost-and-found Schaltern in der Vergangenheit nun nicht gerechnet in der kurzen Zeit.

Öde acht Stunden folgen. Ich bin ja nun nichts als schlanker Mensch bekannt, in meinen Sitznachbarn hätte ich allerdings locker dreimal rein gepasst. Naja, wir haben uns arrangiert. Dann die Einreiseprozedur. Was hatte ich nicht vorher alles an Schauermärchen gehört: von endlosen Frage-Antwort-Spielen mit humorlosen Angestellten der homeland security, Schlangestehen bis man schrumpft, ewige Wartezeiten bis zur Gepäckausgabe und so weiter. Was war? Nichts. Eine ganz normale Einreise, ohne viel Gedöns wird der Stempel in den Pass gehämmert, der übliche Zollerklärungsschnipsel wir irgendwem im Vorübergehen in die Hand gedrückt und das war's. Fast enttäuschend. Einen Tag nach dem 9/11 Jahrestag ist nichts zu spüren von Übersensibilität und Kontrollwahn, entspannter kann eine Einreise kaum abgehen. Dann ist auch noch meine Tasche eine der ersten auf dem Band (DAS passiert mir wirklich ganz selten) und der Tag ist mein Freund.

Super-Shuttle benötigt alles in allem etwa zwei Stunden, um mich in die 33. Straße zu karren, wo ich mein Hotel beziehe (dazu morgen noch mehr). Soviel sei schon verraten: ich habe, wenn man dicht ans Fenster geht, Aussicht auf das Empire State Building, dazu darf ich rauchen und kostenlosen Kaffee trinken.

Da es mittlerweile dunkel wird, breche ich nur zu einer ersten Erkundung der näheren Umgebung auf. Das heisst: am ATM mit Dollars eindecken (die werden reichlich benötigt), in einer Bar ein Becks trinken (dafür gehen bereits fünf der Dollars flöten) und schließlich bei Starbucks einen teuren Eiskaffee kaufen und deren W-Lan nutzen - um dies hier zu schreiben. Eiskaffee ist angebracht, es ist nett warm hier (25°) und dabei recht tropisch-feucht. Aus dem Fenster habe ich gerade Ausblick auf exotische Läden, etwa T-Mobile und Staples Büroartikel, das exotischste sind die vier öffentlichen Telefone direkt vor mir. Ob die jemand braucht? Hier sind alle ähnlich im Mobilfunkwahn wie daheim.

Mein erster Eindruck sonst: das wirkt alles gar nicht so groß hier, wie ich gedacht hätte. Erstaunlich. Kleine Straßen und auch das immerhin fast 450 Meter hohe Empire State ist zwar groß, aber wirkt auf Anhieb erstmal nicht dreimal so hoch wie der Kölner Dom. Vielleicht habe ich jetlagbedingte dimensionale Wahrnehmungsstörungen? Wir sprechen uns morgen wieder, wenn ich wahrscheinlich zig Kilometer Fußmarsch absolviert habe.

Mittwoch, 22. Juni 2011

Kleine Diaschau

Eine kleine, nach und nach wachsende Auswahl von Eindrücken der letzten Jahre gibt es nun bei fotocommunity zu sehen: 

Donnerstag, 2. Juni 2011

Big Apple

Den heftigen Hotelpreisen und allgegenwärtigen Rauchverboten zum Trotz werde ich im September New York besuchen. Da wollte ich schon immer mal hin und habe nun die Gelegenheit, mich eine Woche fotografisch auszutoben - sollte mir die Einreiseerlaubnis erteilt werden. Diese mittlerweile auch kostenpflichtige Online-Prozedur werde ich dann in Kürze mal angehen.

Mittwoch, 16. März 2011

Unbekanntes Badami

So, die Portion Goa reicht fuer's erste. Schoen geht die Sonne unter und wir packen unser Zeug.


Per Auto fahren wir etwa acht Stunden nach Badami, etwa 360 Kilometer ins Land hinein im Bundestaat Karnataka gelegen. Dort lassen sich erstaunlicher Weise recht wenige Auslaender blicken und es gibt nur ein sehr ueberschaubares Hotelangebot. Das Haus unserer Wahl verspricht von aussen wenig, ueberrascht im Inneren dann aber mit einem geraeumigen und gepflegten Zimmer. Schoen, man freut sich wenn die Erwartungen mal uebertroffen werden.

Badami erweist sich als geschaeftige Stadt, es ist einiges los auf den Strassen, oder vielmehr auf der Strasse und in den Gassen. Wir haben Glueck und den Markttag erwischt. Das bunte Treiben im schoensten Abendlicht ist fantastisch und waere alleine schon den Abstecher in diese Stadt wert gewesen. Einer der Hoehepunkte: in einer photogenen Teebude trinken wir leckeren Chai und die Bezahlung wird dann vehement zurueckgewiesen, wir seinen natuerlich Gaeste!

Die Abendunterhaltung gestaltet sich hier auch lustig. Der Reisefuehrer preist ein "Garden Restaurant" an, was sich aber als typische indische Bar erweist: von Garten keine Spur, dafuer duester, schmuddelig und mit Horden betrinkungswilliger Maenner gefuellt. Herrlich. Das Bier ist eiskalt, die obligatorischen Rauchverbotsschilder haengen hier nur zu Dekorationszwecken und interessieren kein Schwein, das alles stimmt nach anstrengen und heissen Tagen ganz zufrieden.

Am kommenden Tag nutzen wir unseren Fahrer zur Erkundung der weiteren Umgebung. Wieder haben wir ein Riesenglueck. In Pattadakal, wo es sehr alte Tempel (Weltkulturerbe) gibt, finden gerade die Vorbereitungen fuer das Tempelfest statt. Entsprechend sind viele Pilger und Musiker in der Anlage und es werden eifrig Zeremonien abgehalten. Alleine mit den beiden einzigen anderen Tousiten waeren die Gebaeude zwar huebsch, die Stimmung aber wohl doch lanbgweilig gewesen. So stimmt alles und statt einem Museum bekommen wir lebendige Tempel zu sehen.



Musiker und Pilger in Pattadankal
Wir besuchen noch ein paar weitere Orte und Tempel in angenehmer Landschaft. Duenn besiedelt ist die Gegend hier und die historischen Bauwerke stehen in winzigen Doerfern, ganz unspektakulaer und ohne grossen Rummel. In Badami sehen wir uns dann nachmittags auch noch die sehenswerten Hoehlentempel an. Diese wurden vor langer Zeit aus den Felswaenden gemeisselt, was erkennbar sehr viel Arbeit gewesen sein muss.



Touristen am Hoehlentempel

Badami und die Umgebung waren definitiv den Umweg und den Aufenthalt wert. Auf meiner Liste der sehenswerten Orte in Indien ist Badami ein Eintrag sicher. Der Ort Hampi hat dort bereits seinen Platz und dorthin sind wir heute weiter gefahren. Hier ist es schon rummeliger als vor vier Jahren und das Angebot hat sich auch qualitativ erweitert. Das schadet nicht, wir bekommen problemlos ein Zimmer mit ac, was bei der Affenhitze hier von Vorteil ist. Da wir fuenf Naechte bleiben werden, ist eine angenehme Raeumlichkeit fuer die Nacht willkommen.

Sonntag, 13. März 2011

Faul

Viel zu berichten gibt es nicht. Goa ist so eine Art "Indien light", auch schön bunt, schön warm, voller Händlervolk aber ganz entspannend. Viel mehr, als die Zeit zu verbummeln, ist hier nicht zu tun. Wir lassen es uns entsprechend gut gehen und geniessen unter anderem den Fisch, sowas bekommt man in Indien schließlich nicht allzu oft.
Erstaunlich schwierig gestaltete sich die Suche nach einem Fahrer für die geplante Weiterfahrt, wir wollen in Etappen drei Tage unterwegs sein. Nun haben die meisten Taxis hier nur eine Lizenz für Goa und andere Agenturen hatten interessante, leider unannehmbare Preisvorstellungen. Bisher zahlte ich in Indien zwischen 6 und 8 Rupien pro Kilometer für solche Aktionen, hier wurden mir 20 (!) als "cheap price" freudestrahlend angeboten. Nach viel Gelaufe habe ich dann doch noch einen aufgetrieben, der uns für 10 RS /Kilometer fahren wird und einen recht vernünftigen Eindruck macht. So steht der Realisierung der Weiterfahrt wohl nicht im Wege, ich hatte schon befürchtet, das wir uns mit Bussen durchschlagen müssen.
Darauf erstmal ein Bier

Faules Herumlungern am Strand, beliebt bei Mensch und Tier

Freitag, 11. März 2011

Go Goa

Nein, Goa ist keine Insel, wie oft fälschlicher Weise von Unkundigen angenommen wird. Und nein, Goa ist auch keine Stadt. Goa ist der kleinste der indischen Bundesstaaten und einer der jüngsten, noch bis in die 60er Jahre hatten hier die Portugiesen das Sagen.
Dann kamen die Hippies auf der Suche nach Erleuchtung, Palmen und Drogen im Überfluss. Generationen vor uns machten sich langhaarige Auswanderwillige mit alten VW-Bussen auf und durchquerten unter anderem Afghanistan, um mit Goa eines der Paradise dieser Zeit zu erreichen. Diesen Part der Anreise lassen wir aus und besteigen in Mumbai den Nachtzug. Dieser wird natürlich auf dem hinterletzten Gleis geparkt und ist kilometerlang, was entsprechendes Gepäckgeschleppe zur Folge hat. Die Internetbuchung - schneller erledigt als bei der Deutschen Bahn - erweist sich als zuverlässig, unsere Namen stehen ordnungsgemäß auf der Passagierliste unseres Waggons.
Um das weite Spektrum indischer Zugklassen abschließend beurteilen zu können, opfern wir uns und reisen, natürlich auch rein investigativen Motiven, erster Klasse. Da darf man jetzt nicht den schieren Luxus erwarten. Aber immerhin, es gibt ein echtes Abteil mit Wänden statt Vorhängen, die Liegen sind ein wenig breiter und die Lampen funktionieren, alle. Darüber hinaus befindet sich der Waggon in einem ähnlich beklagenswerten Zustand wie alle anderen auch.
Da irgendein Minister des bundesstaates Maharashtra mitreist, hüten bewaffnete Polizisten auch unser Hab und Gut (nicht, das dies nötig gewesen wäre). Wir teilen das Abteil mit einem Qualitätsmanager aus der Farbenbranche und dessen fünfjähriger Tocher. Letztere erweist sich als sprachsicher im Englischen und verfügt über ein Entertainmenttalent, das uns reichlich Kurzweil besorgt. Den Wert internationlaer Sprachgewandheit hat man erkannt, in der Familie zu Hause wird nur Englisch gesprochen.
Nach einer Taxifahrt sind wir nun in Palolem eingetroffen, dem angeblich schönsten und auf jeden Fall einem der "angesagten" Strände Goas. Wir beschließen, hier für ein paar Tage in sinnlosem Luxus dahin zu vegetieren. Am Strand reiht sich Strohhütte an Strohütte und wir beziehen Quartier im idyllischen Dorf der Fischer in einem ausgesprochen netten Guesthouse. Dank Wifi lasse ich hier direkt mal eine Flut der gesammelten Werke aus den letzten Tagen los, Fotos unserer neuen Umgebung werden noch folgen.

Wallah (II)

Kommen wir zu einer weiteren Spezialität in Mumbai, den Dhobi-Wallahs. Das sind diejenigen, die das Wäschewaschen besorgen, überall in Indien. Kaum ein Fluss, wo man sie nicht antrifft, allerdings nicht so geballt wie in der riesigen Metropole.

In Mumbai gibt es die Dhobi-Ghats, die wahrscheinlich größte Freiluft-Wäscherei des Subkontinents. Dort trifft jeden Morgen die Wäsche der Millionenstadt ein und wird von Hand gereinigt, anschließend hängt sie zum Trocknen in einem ganzen Stadtviertel, das von Leinen durchzogen ist. Irgendwie schafft man es auch hier, den Überblick zu behalten und Wäschestücke den richtigen Eigentümern zuzuordnen.

Die Dhobi-Wallahs gehören zu den unteren Kasten, die Arbeitsbedingungen sind grausig und auch das Einkommen liegt weit unten auf der Skala. So fotogen das ganze rüberkommt, nicht umsonst liegen die Dhobi-Ghats inmitten der Slums und sichern kaum mehr als das Überleben für die hier hart Arbeitenden.


Eins bleibt noch interessant: Wäschewaschen ist ausgemachte Männersache in den Dhobi-Ghats.

Wallah Wallah

Für viele auf den Menschen oder seinen Beruf bezogene Bezeichnungen in Indien verwendet man angehängtes "Wallah". So ist etwa der Delhi-Wallah ein Einwohner der Hauptstadt, der Chai-Wallah der Teeverkäufer, der Rikshaw-Wallah der Rikschafahrer.

Ein einzigartiges Berufsbild ist in Mumbai anzutreffen: die Dabbah-Wallahs. Ein Dabbah, auch unter dem englischen Tiffin bekannt, ist ein kleiner Container, bestehend aus mehreren gestapelten Blechdosen, der die verschiedenen Gerichte einer Mahlzeit beinhaltet. Also etwa eine "Etage" mit Daal (Linsen), ein Curry, Reis in einer anderen Dose und natürlich ein Fach für Chappati, das typische Fladenbrot.

Der Dabbah-Wallah ist nun der derjenige, der diese Mahlzeit transportiert. Das läuft folgendermaßen ab:

Früh morgens begibt sich ein Angestellter auf den zeitraubenden Weg per Eisenbahn in sein Büro ins Zentrum von Mumbai. Die Vorortzüge sind vor allem morgens und abends derart überfüllt, dass jedes Gepäckstück nur lästig wäre. Neben der Aktentasche also auch noch das Essen mitzunehmen, käme niemandem in den Sinn und wäre zudem beim Gedränge in das Fahrzeug unnötig hinderlich.

Das Essen muss ja auch noch zubereitet werden. Damit dies nicht in der Nacht passieren muss, begibt sich die ehefrau oder wer auch sonst im Haushalt damit betraut ist, an den heimischen Herd, nachdem der Mann (meistens, es kann aber durchaus auch die beruftstätige Frau sein) das Haus verlassen hat. Inder sind pingelig, was das Essen angeht. Jede Religion, jede Kaste hat ihre eigenen Regeln und Tabus. Reinheit vielen Indern extrem wichtig, nicht auszudenken, das - etwa im Imbiss an der Ecke - ein Kastenloser bei der Zubereitung des Essens tätig war. Nein, da wird lieber auf bewährtes von eigenen Herd verzehrt.

Ist die Mahlzeit fertig, wird sie auch sogleich einem Dabbah-Wallah übergeben, der in den Vororten die Boxen einsammelt und zum Bahnhof schleppt. Dort werden die gesammelten Essenscontainer in die nunmehr weniger überfüllten Züge verladen, es gibt sogar ein eigenes Abteil dafür.

Am Bestimmungsort angekommen, einem der zenralen Bahnhöfe von Mumbai, wird das ganze ausgeladen und ein Heer von Dabbah-Wallahs macht sich daran, die Essen an die Zieladressen zu verteilen. Fahrräder, Handkarren und riesige Holzpalleten werden beladen und in Windeseile durch den chaotischen Stadtverkehr manövriert. Ein echter Knochenjob, bei dem so manches Kilo geschleppt wird und Timing alles ist.

Denn es gibt nur das eine große Ziel: pünktlich um 12:30 Uhr hat jeder Kunde sein Essen im Büro. Und zwar definitv SEIN Essen und nicht das von irgendwem. Das funktioniert faszinierender Weise, zuverlässig und seit mehr als 100 Jahren!


Um sich die ganze Aktion in ihren Ausmaßen vorstellen zu können: es gibt rund 5000 Dabbah-Wallahs, die jeden Tag bis zu 200.000 Mahlzeiten befördern. Eine gigantische logistische Leistung. Erst recht wenn man berücksichtigt, dass etwa 85% der Dabbah-Wallahs Analphabeten sind. Zur Kennzeichnung der Essensboxen wurde daher ein einfacher Code erfunden, der aus Zahlen, Buchstaben, Symbolen und Farben besteht. Dieses System macht eine exakte Zuordnung möglich, in welches Gebäude und welches Stockwerk das Essen gehört, und da landet es auch zuverlässig.

Die Dabbah-Wallahs stammen alle aus einem Dorf nahe Mumbai und üben dieses Gewerbe traditionell aus. Es gelten strenge Regeln für alle, Alkoholkonsum etwa ist tabu und ordentliche Kleidung inklusive einer weißen Nehru-Kappe ist Pflicht. Der Job wird als Gemeinschaftsaufgabe verstanden, jeder leistet seinen Teil um völlige Kundenzufriedenheit und Zuverlässigkeit zu erreichen. Teamwork par excellence, der Auftrag gelingt und jeder Mitarbeiter erhält den gleichen Anteil am Umsatz. Damit kommt ein Einkommen von etwa 5000 Rupien zustande, für indische Verhältnisse ist das nicht so schlecht.
Zwischenzeitlich wurde die Organisation der Dabbah-Wallahs zertifiziert nach ISO und erfüllt zudem, wie nur wenige High-Tech-Unternehmen, die Six Sigma Kriterien mit einer Traumbewertung für Zuverlässigkeit von 99.9999999. Das heisst, auf etwa sechs Millionen Vorgänge gibt es einen Fehler. Dabbah-Wallahs hielten sogar schon Gastvorträge an der Business School in Harvard und warfen ihren strengen Zeitplan selbst dann nicht über den Haufen, als Prinz Charles vor einigen Jahren zu Besuch kam.

Da der Service erschwinglich ist und vor allem das bevorzugte Essen liefert, ist die Konkurrenz durch Fastfood und Imbissläden in der Stadt kaum zu fürchten. Nachahmer haben offenbar auch wenig Chancen, in anderen Städten konnte sich das Geschäft nicht vergleichbar etablieren. Nur die "echten" Dabbah-Wallahs in Mumbai haben Effizienz, Teamwork und absolute Zuverlässigkeit derart verinnerlicht, dass auch zukünftig an sechs Tagen in der Woche die Bahnhöfe von Mumbai mit den markanten weißen Kappen und Palletten von Dabbahs überflutet werden.

Donnerstag, 10. März 2011

Dharavi

Daharavi ist ein Stadtteil von Mumbai suedlich des Flughafens, mitten in der Stadt, der als einer der groessten Slums Asiens gilt. Bekannt wurde Dharavi durch den Film "Slumdog Millionaire", der hier teils gedreht wurde.

Wir besuchten dieses Viertel. Zuvor hatte ich um drei Ecken Kontakt per Mail zu einem der Bewohner, Mohammad, der sich als Guide fuer Besuchswillige anbietet. Das schien mir keine schlechte Idee, denn die Orientierung in den Gassen dort ist alleine kaum moeglich. Also haben wir uns nun telefonisch verabredet und sind zur nahe gelegenen Bahnstation gefahren.

Die Vorortzuege in Mumbai haben ihren eigenen Charme, der im wesentlichen darin liegt, dass sie meist total ueberfuellt sind. Wer mit will, muss sich unter erheblichem Ellenbogeneinsatz in die alten, aber unkaputtbaren Waggons draengeln, was wir erfolgreich tun. Fuer wenige Cent werden wir dafuer quer durch die riesige Stadt befoerdert und erreichen Dharavi. Dort begruesst uns erst Mohammad, dann ein "Welcome" auf der ersten Wellblechhuette.



Man sollte jetzt nicht meinen, dass Slum hier Not und Elend pur bedeutet, dann waere so ein Besuch auch eher fragwuerdig. Nein, wir haben es hier mit dem - zugegeben sehr einfachen - Lebensraum von einer Millionen Menschen zu tun. Es gibt unzaehlige kleine Werkstaetten und Gewerbe, der Slum erwirtschaftet jaehrlich angeblich ueber eine Milliarde Dollar. Wir sehen Faerber, das Recycling von Plastik, Toepfer, Papierhersteller und so weiter. Vor allem fuer das Ledergewerbe ist das Viertel bekannt, sogar aus den guten Gegenden Mumbais kommen die Leute, um Guertel und andere Lederwaren zu erwerben.



Wir fuehlen uns nicht als "Stoerfaktor", sondern werden wie immer recht freundlich aufgenommen von den Leuten. Alle haben etwas zu erzaehlen oder zu zeigen, hier ist man oft stolz auf das erreichte, nicht zu unrecht. Es gibt natuerlich auch Teeverkaeufer, Restaurants, sogar Banken. So sehr unterscheidet sich Dharavi nicht von anderen einfachen Wohngegenden in Indien. Es wirkt nur durch die Ausmasse geballt und zunaechst erschrekend, ein endloses Meer aus kleinen Haeusern und Huetten, dichtgedraengt, mit winzigen Gassen dazwischen.



Wir besuchen auch Mohammads Familie, sein Vater arbeitet in seiner kleinen Schneiderwerkstatt. Diese, ein Raum von vielleicht 20 Quadratmetern, beherbergt allerdings auch fuenf Menschen, die hier leben. Dafuer werden monatlich 2000 Rupien (etwa 30 Euro) Miete an einen der "Slumfuersten" gezahlt. Selbige vermieten hier Boden, der ihnen selbst nicht gehoert. Dafuer regeln sie alles noetige mit den Behoerden, bestechen, sorgen fuer die Stromversorgung und weitere Infrastruktur. Solange, wie der eigentlich illegale Slum nicht abgerissen wird. Das droht Dharavi seit einigen Jahren. Das Land, mittlerweile im Herzen der Stadt, waere Milliarden wert fuer Investoren. Doch bisher konnten sich die Millionen Bewohner erfolgreich gegen eine Umsiedlung in Neubauten wehren. Diese liegen naemlich dann meist weit ausserhalb am Stadtrand und den Leuten wird damit die Erwerbsgrundlage genommen. Trotz aller Probleme, etwa der mangelhaften Kanalisation, leben sie lieber hier, wo sie alles selbst geschaffen haben und die Stadt, die vielen Arbeit bietet, gut erreichbar ist. In Neubauten koentte man ausserdem nur wohnen, wo sollen dann die ganzen Werkstaetten betrieben werden, fragen die Menschen zu recht.

Fuer uns war es ein sehr eindrucksvoller Nachmittag, der wieder Einblicke in eine voellig andere und unbekannte Welt geoeffnet hat.

Dienstag, 8. März 2011

Bollywood

Mumbai galt lange als die Hauptstadt des indischen Films. Diesen Platz nimmt zwar seit einigen Jahren Chennai (Madras) ein, aber dennoch werden in Mumbai mehr Filme als in Hollywood produziert. Entsprechend zahlreich sind die Kinos, oft alte Art-Deco-Paläste. Das wollten wir miterleben und haben uns heute abend Karten für das alteingesessene Regal-Kino erworben.

Natürlich haben wir uns für indisches Kino entschieden, der Film unten auf dem Plakat sollte es sein. Die Plätze auf dem Balkon kosten einen guten Euro. Bevor Eintritt gewährt wird, sind auch hier diverse Sicherheitschecks erforderlich. Natürlich gibt es denn an der jede stehenden Metalldetektor, der hier wie auch sonst natürlich nicht funktioniert, sondern als abschreckendes Dekorationsmöbel sein Dasein fristet. Das Kino ist riesig, wir erwerben traditionell Popcorn und bekommen einen Platz zugewiesen. Den darf man nicht einfach selbst wählen, das könnte ja auf der Tribüne mit hundert Plätzen und geschätzten 20 Besuchern Chaos auslösen.
Bevor es losgeht - wie bei uns - Werbung. Die fokussiert allerdings im wesentlichen auf gesundheitliche Aufklärung. Dann wird ein Zertifikat eingeblendet, welches den Nachweis erbringt, dass wir hier eine legale Kopie des Filmwerkes zu sehen bekommen werden. Eines ist noch zu erledigen, alle aufstehen, die Nationalhymne wird eingespielt, nebst hübsch animierter Flagge.
Jetzt aber, der eigentliche Film. Dem können wir auch ohne Hindikenntnisse einigermaßen folgen, der Handlungsstrang ist immer mehr oder weniger der gleiche: Sohn der Famlie hat im Ausland studiert - am besten noch den Doktor gemacht (naja, nicht in Deutschland, damit wäre nicht mehr aufzutrumpfen) - Heimkehr, stürmische Begrüßung der Familie - Treffen der auserwählten Braut (in dieser Szene spielte im Hintergrund eine Kuckucksuhr mit, großartig) - die will ihn nicht - es gibt noch einen bösen Gegenspieler und einen tolpatschigen Freund. Dann nimmt die Geschichte ihren Lauf, ein Getanze und Gesinge führt den Helden immer mehr in Richtung Familienglück. Ende gut, alles gut. Hoffen wir, denn wir sind nach einer guten Stunde in der Pause entschwunden, für uns reicht die Dosis Bollywood erstmal.
In unserem Nachbarslum, wo wir gestern schon umherstromerten, waren wir auch heute wieder unterwegs. Auf zum Barbier, ein paar Fotos anfertigen, was man so macht. Die ersten Vorboten des Holi-Festes (dazu später mehr ...) gab es auch schon zu sehen, sehr lustig. Keine Ahnung, wie die das hinbekommen.

Montag, 7. März 2011

Grossstadt, gut sortiert

So, planmaessig sind wir gestern in Mumbai, der wohl amtierenden groessten Stadt der Welt , eingetroffen. Hier vermag der Inder wieder auf's neue zu erstaunen. Das ganze ist hier recht geordnet, der Verkehr ist nicht uebermaessig und verlauft zudem nach erkennbaren Regeln. Es gibt Ampeln! Diese werden befolgt!! Man hupt, natuerlich, aber nicht dauernd. Erstaunlich.

Unser Hotel wartet mit einem Zimmer auf, das zumidest in Sachen Groesse palastartige Zustaende realisiert. Als Bonus funktionieren sogar die Leselampen am Bett, so unglaublich das Indienkennern auch erscheinen mag. Einen Balkon haben haben wir auch mit Blick auf eine beschauliche besser-Leute-Strasse, wo morgens die Mittelklassefahrzeuge liebevoll geputzt werden. Das alles freut, bis auf den Preis und die Taube, die auch auf unserem Balkon wohnt und alles vollscheisst. Ueberhaupt, hier gibt es zahlreiche Baeume und noch zahlreichere Voegel, die es gerne auf uns abgesehen haben.

Unweit der Unterkunft findet man wieder das normale Indien mit eher unorganisierten Marktgassen. Auch der Stadtstrand erfreute uns heute zum Sonnenuntergang. Natuerlich es kein Badestrand, sondern eine Muellkippe mit Hochseeanschluss (ich uebertreibe ein wenig), die keinesfalls zu irgendwelchen Wassersportarten einlaed. Macht nichts, dafuer gibt es kirmesartiges Treiben, bunt und typisch. Das Fotografenauge freut es allemal.
Chowpatti Beach in Mumbai

Mehr in Wort und Bild folgt bald, am liebsten wenn wir einen Ort mit W-Lan finden. Indische Tastaturen strengen an.

Bis dahin sagen wir Koelle Alaaf, die Karawane zieht jetzt weiter (gleich macht der Wineshop zu).

Freitag, 4. März 2011

Schon wieder Indien?



Eine Frage, die mir zuletzt häufiger begegnete. So fragt der Laie, hier der Versuch einer Antwort.

"Wer einmal nicht nur mit den Augen [...], sondern mit der Seele in Indien gewesen ist, dem bleibt es ein Heimwehland."

Dies schrieb Hermann Hesse vor fast hundert Jahren. Wie recht er hatte. Viele kehren nach dem ersten Besuch Indien den Rücken, überfordert, vielleicht entsetzt, Indien macht es nicht leicht. Einige kehren immer wieder zurück, Indien berührt ein Stück ihrer Seele. Zu denen will ich gehören, unbedingt.

Der "Planet Indien" will - muss - mit allen Sinnen entdeckt und aufgesogen werden:
sein unglaublicher Schmutz und Verfall und seine allgegenwärtige und verborgene Schönheit; sein Elend, seine himmelschreiende Armut ebenso wie sein Reichtum und seine Gabe, zu teilen; sein unbeschreiblicher Gestank und seine betörenden Düfte; sein nervenzerreißender, allgegenwärtiger Lärm genauso wie seine schönen Klänge und seine Stille, die nur findet, wer hinreichend sucht; sein Staub und atemraubender Smog und seine herrlichen Farben; sein ständiges über's-Ohr-hauen gleichermaßen wie seine oft erlebte Gastfreundschaft; seine Scharlatane ebenso wie seine Heiligen; seine räumliche Enge und geistige Weite; seine kraftzehrende Anstrengung und Hitze, die nichts ist im Vergleich zur erlangten Leichtigkeit.
Dies alles gehört zu Indien und nichts davon will ich missen.

Indien ist kein Paradies auf Erden, ganz sicher nicht. Doch wer die Mühe auf sich nimmt und sich Indien mit allen Sinnen nähert, wird belohnt. Immer.