Montag, 20. Dezember 2010

Nächste Tour nach Indien

Lange nicht mehr dort gewesen ... Schon laufen die Planungen für den nächsten Besuch auf dem Planeten Indien im Frühjahr 2011. Wenn hierzulande der Karneval seinen Höhepunkt erreicht, werde ich nach Mumbai fliegen. Mumbai gilt derzeit als größte Stadt der Welt und hat neben Kononialarchitektur und dem größten Slum Asiens wohl noch etliches mehr zu bieten.
Von dort soll es unter anderem zu den Stränden in Goa weitergehen. Ein Abstecher wird noch in die Gegend von Badami führen, wo es eine große Ansammlung alter Tempel inmitten ansprechender Landschaft geben soll. Weiter steht die alte Königsstadt Hampi in Karnataka auf dem Programm.
Dort feiert man wie im ganzen Land am 19. und 20. März das Holi-Fest: man bewirft sich gegenseitig mit Farbpulvern und buntem Wasser. Mal sehen, mit welcher Haarfarbe es dann wieder Heim geht ;-)
Begleiten wird mich diesmal mein Freund Never, mit dem ich schon die Atacama-Wüste unsicher gemacht habe im vergangenen Jahr. Höchste Zeit, dass wir auch mal gemeinsam die Inder besuchen.
Natürlich werde ich in Abständen alle Daheimgebliebenen auf dem Laufenden halten, in Wort und Bild.

Mittwoch, 1. September 2010

Finale

Erschrocken blinzelt man früh morgens den letzten Tag in Istanbul an. Erschrocken insbesondere deshalb, weil es sich über Nacht mächtig bewölkt hat und das einen argen Temperatursturz mit sich bringt. Schweiß ade, trotzdem wage ich es ohne Jacke das Haus zu verlassen. Pünktlich mitten auf der Galata-Brücke beginnt es zu regnen, zunächst ein netter Niesel. Zum Glück hält der nicht allzu lange an.


Freunde des Sitzens auf Sitzsäcken werden sich auf der unteren Etage der Galata-Brücke schnell heimisch fühlen. Übrigens auch Liebhaber von Kunstleder-Sitzmöbeln und floralen Zierelementen aus Plastik, das Bild fehlt hier leider.

Heute bin ich noch ein wenig in Galata herumgelaufen, dort gibt es die längste Einkaufsstraße, eine Fußgängerzone von knapp drei Kilometern. Früher, zu Zeiten des Orientexpress, um die vorletzte Jahrhundertwende, war das die noble Gegend. Botschafter residierten hier, Agatha Christie schrieb im Palas-Hotel den "Mord im Orient Express" und eine Straßenbahn wurde eingerichtet. Die fährt heute, über 100 Jahre später, immer noch und ist Teil des eher knapp bemessenen Nahverkehrssytems dieser Stadt.



Nostalgische Fortbewegung auf der Straße der Unabhängigkeit

Sonst ist die Gegend etwas enttäuschend. Ramschläden und Dönerbuden wie zu Hause dominieren, dazu die bekannten Ketten a la Starbucks und wie sie alle heißen. Einige Kleinode des Jugendstils gibt es noch zu entdecken, von liebevoll gepflegt bis einsturzgefährdet reicht die Palette.


Jugendstil at it's best

Tja, und dann kam der Regen so richtig. Ziemlich nass erwische ich noch einen überdachten Platz in meinem Lieblingsrestaurant, falls man nach so kurzer Zeit schon derartige Bestnoten vergeben kann. Dort ließ sich bei uns daheim längst in Vergessenheit geratenes beobachten. Am Tisch neben mir saßen vier feine Damen, diese Bezeichnung wird ihnen am besten gerecht, meine ich. Diese ließen Essen herbeibringen, dann Süßes und schließlich gab es türkischen Kaffee bei reichlich Zigaretten. Jetzt das eigentlich interessante: man übte sich ausgiebig in der Kaffeesatzlektüre. Ausgetrunken wurden die Mokkatässchen auf die Untertasse gestürzt derjenigen übergeben, die sich wohl am besten auf die Kunst des Kaffesatzlesens versteht. Und das wurde dann lange hin und her diskutiert. Keine Ahnung, welche Prophezeihungen zur Spreche kamen, ich verstehe leider ebendiese Sprache nicht. Für mich sah das auch alles gleich aus, brauner Schmodder halt. Aber es ist doch schön, dass Menschen noch Zeit für solche Dinge finden und sich dabei angucken lassen.


Die vier Kaffeesatzleserinnen (eine gerade abwesend)

Jetzt muss ich mich aber wieder der Konversation mit meinem Tischnachbarn widmen, außerdem will man später ja auch noch was zu erzählen haben.

Dienstag, 31. August 2010

Basar

Was wäre ein Aufenthalt in Istanbul ohne Besuch der Basare. Langweiliger wahrscheinlich. Immerhin gibt es hier einen der größten geschlossen überdachten Basare überhaupt, der logischer Weise großer Basar heisst. Da bin ich heute mal hin spaziert. Das Gewirr der tunnelartig überdachten Marktgassen ist in der Tat weitläufig und sehenswert. Allein die Ware reisst einen nicht zwingend vom Sofakissen, es sei denn man benötigt Teppiche, goldenes Geschmeide, Lederwaren, Pelze gar oder einen Haufen Schnickschnack, der mehr dem Souvenirgewerbe zuzuordnen ist.

Eines wundert, vergleicht man den Basar hier mit denen in Marakech, Tunis oder Delhi: das Gedränge fehlt ob des reichhaltigen Platzangebots fast gänzlich und: man hat seine Ruhe! Unglaublich aber wahr, kein permantes Ärmelzupfen fleissiger Händler, kein "hello my friend", nichts zu hören von "just look!" und sogar des weltweite Mantra der Mercatoren erklingt hier nicht: "very cheap, very cheap!" Das ist schon fast unheimlich, ich habe sogar zwei Geschäfte betreten, ohne Anpreisungen über mich ergehen lassen zu müssen und konnte sie ohne Murren der jeweiligen Händler ohne Kauf wieder verlassen. Haben die hier einfach keine Lust, Geschäfte zu machen? Oder läuft das von selbst? Man weiß es nicht und wundert sich still.



Schaut, hier gibt es Tütüncü der Kategorie 2, Nummer 202! Was immer das auch ist, möge es seinen Käufer zufrieden stimmen.

Als nächstes schaue ich beim Bücherbasar vorbei. Der ist hübsch, klein, wenig aufregend. Hier finde ich zumindest eine nette Tuschezeichnung, die ich gut verpackt abtransportiere.

Dann gibt es noch den Gewürzbasar, genannt Ägyptischer Basar. Ja, das gefällt, hier riecht es gut. Und es herrscht Gedränge. Und es gibt Marktschreier.
So muss das doch auch sein auf orientalischen Märkten, denkt man sich und ist wieder beruhigt. Die Gewürzpreise hier nehmen einem Kaufwunsch schnell die Attraktivität, dafür kann man es auch zu Hause erwerben. Also nur herumlaufen und gucken, das ganze Vietel ist ein einziger großer Markt, das ist immer schön.

Jeder, der essbares feilbietet, ist hier mit einer Blumenspritze oder Wasserpistole ausgestattet. Diese dienen nicht zur Abkühlung schwitzender Touristen, was durchaus willkommen wäre, sondern dazu, die überall zahlreich anzutreffenden streunenden Katzen auf Distanz zu halten, sollten sie die gedachte Demarkationslinie zum Nahrungsmittel überschreiten.



Für engagierte Mitbürger gilt mehr denn je: Flagge zeigen!

Montag, 30. August 2010

Balik Ekmek

Ich könnte mich zu der Behauptung hinreissen lassen, dass Istanbul in der Kunst des Savoir-vivre der Heimatstadt dieses Lebensgefühls, Paris, in nichts nachsteht. Ramadan hin oder her, hier wird gut gelebt.

Das gute Leben umgeben von allerlei Meer heisst zwangsläufig, das Fisch dazu gehört. Das bringt uns zur Auflösung der kryptischen Überschrift. Balik Ekmek ist schlicht Fisch im Brot, ein Fischbrötchen. So etwas ist hier beliebte Spezialität. Frischer Fisch wird in Filletform gegrillt und landet mit Salat, Zwiebeln und Peperoni in einem Baguette. Das ganze verzehrt man vorzugsweise auf kleinen Höckerchen sitzend und gerne in Sichtnähe zum Fischkutter. Tolle Sache, das, ein schmackhafter Snack für kleines Geld.



Frisch vom Boot: Fisch mit Brot

Das ist natürliich nicht alles. Fliegende Händler und Karren, die allerlei anbieten, sind zahlreich. Bliebt etwa sind auch Köfte Ekmek, Frikadellen im Brot. Die Bezeichnung "Hamburger" würde dieser Variation aber bei weitem nicht gerecht.

Wenn gearde mal Fisch benötigt wird, stehen einige Fischmärkte zur Verfügung. Oder man schließt sich einem Volkssport an: Angeln von den Brücken am Goldenen Horn. Meinen Beobachtungen nach lässt sich nicht viel nennenswertes fangen, aber als Zeitvertreib ist das ganze bei Jung und Alt populär. Selbst angelnde Frauen wurden gesichtet.


Angeln kann auch Spass machen

Zu erwähnen ist unbedingt noch "meze", das ist die türkische Variante der spanischen Tapas. Entsprechend gibt es auch hier Lokale, die als Tapabar fungieren und ein umfangreiches Sortiment dieser kleinen Speisen bereithalten. Meze kann alles sein: vom Käse über die diversen Gemüsepasten und gewürzte Joghurts, bis zu kleinen Fleisch- und Fischgerichten. Ich hatte heute grandiosen Tintenfisch und gebratene Leber. Dazu wird in der Regel Wasser gereicht und ansonsten nur eines: Raki. Das kennen wir schon vom französischen Pastis, man bestellt ein Glass und füllt dann immer mal wieder etwas Wasser nach, vielleicht ein paar neue Eiswürfel, da kann man sich Stunden mit beschäftigen.

Nach dem Essen gibt es dann natürlich. Tee! Cay (sprich: Tschei) in der türkischen Version kennt wohl jeder. Schwarzer Tee, schmackhaft und meist höllenstark. Da lobt es sich, wenn der Tee mit zusätzlich heißem Wasser gereicht wird und nach Gutdünken die Stärke des Getränks selbst bestimmbar ist.



So nimmt man Cay gerne entgegen
In Teegärten wird als zusätzliche Aufwertung auch mitunter eine Wasserpfeife gereicht. Damit ist der Nachmittag dann gerettet und mehr als Müßiggang kann gar nicht mehr stattfinden. Doch irgendwann muss man dann weiter, Meze wartet und später auch noch das gemütliche Kissen vor dem Hotel:


Bevor das jetzt so aussieht, als würde ich hier nur herumlungern, muss ich widersprechen. Dem ist nicht so, dafür hat diese Stadt einfach zu viel zu bieten. Aber wer viele Kilometer macht, braucht auch die entsprechenden Wohlfühlpausen.

Sonntag, 29. August 2010

Der Derwisch tanzt

Man hat sowas ja schon einmal gehört, "der gebärdet sich wie ein tanzender Derwisch" oder ähnlich. Aber was ist überhaupt ein Derwisch, wer weiß so etwas überhaupt? Gehen wir der Sache auf den Grund: Derwische sind Angeörige des Sufi-Ordens, einer recht asketischen muslimischen Glaubensgemeinschaft. Im ursprünglichen Persischen bezeichnet das Wort schlicht einen asketischen Mönch. Der Sufismus als uralte muslimische Ordensform ist zudem mystisch angehaucht. Die Sufis wurden folgerichtig vom Vater des sekulären Staates Türkei, Kemal Atatürk, zunächst verboten. Mit derlei religiösen Verklärungen hatte er nichts am Hut.

Zwischenzeitlich ist der Sufismus wieder erlaubt und einige Klöster, Tekke genannt, existieren in der Türkei. Der Tancetanz (sema) ist die türkische Variante religiöser Extase und wird zum Zwecke der religiösen Hingabe ausgeübt. Das sieht so aus, dass die Derwische nach zeremoniellem Ritus unterschiedliche gegenseitige Ererbietung erweisen und dann zu einem Orchester tanzen. Das heisst genauer: sie kreiseln, drehen sich um sich selbst, immer schneller und teils stundenlang. Eine spezielle Technik, bei der der Kopf angewinkelt wird, vermeidet wohl Schwindel. Es scheint zu funktionieren, nach endlosem drehen kommen die Derwische ohne auch nur mit der Wimper zu zucken wieder in den geraden Stand.

Das ganze wollte ich natürlich auch in Augenschein nehmen. Religiöse Praktiken in anderen Ländern sind meist von Interesse. So einfach ist das nicht, die meisten Möglichkeiten die angeboten werden sind reine Touristenaufführungen in Restaurants oder eigens geschaffenen Veranstaltungsorten. Die sind voll, die sind teuer, die sind mir nicht authentisch genug. Im Internat stieß ich auf die Website der Mevlana, da sind die türkischen Sufi-Orden. Ein Kloster in Istanbul wird gerade renoviert und ist daher geschlossen. Ein anderes, so erfuhr ich, führt immer Sonntags die Sema durch

Also steht meine erste Tramfahrt an. Ich fahre in einen schmucklosen Stadtteil Richtung Flughafen. Rechts Hochhäuser, links das ungepflegte Nirgendwo. Soweit ich weiß, muss ich nach links. Nach rund 10 Minuten Trostlosigkeit ist rechts das Kloster, ein großes, moscheeähnliches Gebäude, das einzige auf der Straße, das etwas her macht, zu erblicken. Sehr schön. Gegen einen kleinen Obulus wird Einlass gewährt. Nicht nur mir, versteht sich, zahlreiche Zuschauer sind erschienen. Davon ist die Mehrheit allerdings ortsansässig, hier ist es nur eine halbe Touristenveranstaltung und gehört zur regelmäßigen Praxis des Ordens.

Nun heisst es, noch eine Stunde ausharren bei stickiger Wärme. Ich ergattere einen Platz auf der Empore mit guter Übersicht. Das Fotografieren ist untersagt, allerdings nicht aus religiösen, sondern eher aus monetären und somit rein weltlichen Zwecken. Ich lege das Verbot daher eher flexibel aus. Dämmriges Licht, sich schnell bewegende Derwische und Hüter des Fotoverbotes sorgen insgesamt für erschwerte Arbeitsbedingungen, nehmen wir es als Herausforderung.

Die Zeremonie beginnt mit dem Auslegen von Schafsfellen am Rand des kreisrunden Parketts. Zu welchem Zweck, konnte ich nicht ermitteln. Dann tritt der Zeremonienmeister auf, quasi der Oberderwisch. Das ist er:


Die anderen folgen und erweisen dem Meister die Ehre. Bei schräger Musik beginnt alsbald der Tanz, die Derwische kreiseln was das Zeug hält. Dabei herrscht, von der Musik abgesehen, mehr oder weniger Totenstille, schließlich ist es eine religiöse Zeremonie. Klatschen oder ähnliches ist natürlich nicht angezeigt. Die Choreographie der kreiselnden Mönche ist beeindruckend. Was sich die Leute alles einfallen lassen, um Gott nahe zu sein. Dies hier ist sicher eine harmlose und dazu noch nett anzusehende Praxis. Eine gute Stunde dauert die Zeromonie, dann ziehen sich die Derwische wieder schweigend in ihre Gemächer zurück, um Askese zu üben.


Derwische in ihrem Element

Ich fahre dann mal zurück und übe mich, naja nicht unbedingt in Askese ;-)
Es wird eher ein Sonntagsspaziergang im Park mit längerem Verweilen in einem sehr, sehr schönen Teegarten.

Samstag, 28. August 2010

Ramazan

Ganz recht, das ist kein Tippfehler, der Ramadan heisst im Türkischen Ramazan. Und der ist gerade, man isst also gerade nicht. Obwohl das so nicht stimmt. Der Fastenmonat Ramadan (übersetzt "Sommerhitze") gibt die Regel auf, zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nicht über seine Lippen zu lassen (außer Atem und Worten): kein Essen, kein Trinken, kein Zigarettenrauch. Keuschheit soll ebenfalls zu dieser Zeit geübt werden.

Sicherlich, in einer weitgehend sekulären Weltstadt wie Istanbul mit entsprechendem Touristenaufkommen fällt der Ramadan nicht sofort ins Auge des Betrachters. In stenggläubigen Gegenden Marokkos etwa habe ich ihn wesentlich deutlicher zu spüren bekommen. Doch auch hier in der Türkei halten sich viele an das Fastengebot. Das zeigt es sich ganz deutlich des Abends: dann findet das tägliche Fastenbrechen statt, die Laune steigt und allerorten sitz man zu Mahlzeiten zusammen, bis tief in die Nacht. Es wird sprichwörtlich die Nacht zum Tag gemacht. In des Tages Hitze darbt ein jeder Fastender dem Sonnenuntergang und den Freuden der Dunkelheit entgegen. Es entsteht der Eindruck, der auch nicht so falsch ist, dass man das tagsüber versäumte des Nachts doppelt nachholt. Das Ying und Yang des Ramadan erhöht den nächtlichen Lebenswert auch für den Besucher merklich.

Früher, viel früher, wurde der Sonnenuntergang so bestimmt: wenn ein schwarzer und ein weißer Bindfaden, am ausgestreckten Arm gehalten, nicht mehr zu unterscheiden waren, war der Zeitpunkt des Fastenbrechens gekommen. Heute übernehmen Countdowns in Fernsehn und Internet diese Funktion. Geblieben sind in Istanbul die Trommler, die den offiziellen Sonnenuntergang verkünden und die nachts durch die Straßen ziehen, um auf den herannahenden Sonnenaufgang aufmerksam zu machen. Schnell noch etwas essen! Natürlich wecken sie nicht nur Gläubige, sondern mitunter auch Touristen, die sich nicht um Ramadangebote scheren.

Es ist übrigens kein Problem, als Reisender mit ausreichend Nahrung und Getränken versorgt zu werden, zu jeder Tageszeit. Die meisten Restaurants und Teestuben sind geöffnet und servieren, ohne den Fastenverächter zu tadeln. Missbilligende Blicke kann man vermeiden, wenn man nicht gerade fischbrötchenessend oder süßigkeitenkauend herumläuft, auch muss man tagsüber ja nicht allerorten rauchen oder gar Bier in sich schütten. Obwohl, auch das sieht man alles oft, nicht nur touristenseitig.

Heute abend machte ich es so wie tausende Türken, die wissen wie es geht. Gegen Sonnenuntergang (halb acht) finde ich mich im Park zwischen Hagia Sophia und blauer Moschee ein. Dort steht eine kleine Bühne zur Verfügung, auf der ein wenig klassische Musik und Gesang dargeboten wird. Es folgt die Sonnenuntergangsverkündigung per Iman, mit Liveübertragung ins Fernsehn.

Derweil hat man es sich gemütich gemacht auf dem Rasen. Familien decken den Festtisch auf Decken oder Pappkartons. Man weiss ja aus dem heimischen Grüngürtel, dass der Türke an sich einem Picknick im freien aufgeschlossen gegenüber steht. Und so wird nun auch hier aufgetischt, was das Zeug hält. Köstlichkeiten aller Art türmen sich inmitten der hungrigen Familie und alles wartet auf den Startschuss.



Man versammelt sich zum Picknick

Das große Festessen beginnt eher unspektakulär, zufrieden mampft man vor sich hin. Ich habe vorgesorgt und mir bei einer Grillstation ein Kebap besorgt, so kann ich ebenfalls auspacken und mitmampfen.

Allerlei fliegende Händler bieten feil, was die Herzen von Jung und Alt höher schlagen lässt. Köstlichkeit gewordener Zucker wird in Kringelform oder als farbiger Karamell unterschiedlicher Geschmacksvarrianten gereicht. Asien ist nah, die offenbar auch hier beliebte rosa Zuckerwatte kannte ich bisher nur aus Indien. Eisverkäufer gibt es, natürlich Teehändler, Maisgriller und Maronenbräter und Meister der Nuss in jeder erdenklichen Erscheinungsform. Warum sollte man ein Restaurent aufsuchen, wenn hier alles leckere zum kleinen Preis erhältlich ist?

Zentriert


Buntes Karamell, frisch auf Holzstöckchen gewickelt, da lacht der Zahnarzt

Ich verbringe hier einen netten und sättigenden Abend, sicher nicht den letzten. Die Stimmung ist höchst angenehm, geradezu familär gibt sich die Menge. Und beleuchtete Springbrunnen sind dem visuellen Wohlgeschmack auch nicht abträglich:



Ein Kuriosum konnte ich heute noch verschiedentlich beobachten. Man bedient sich hier gerne des "Hasenhoroskops". Das geht so: ein Hase sitzt auf einer Art Barhocker vor einem Brett, in dem ganz viele kleine Zettelchen stecken und vor dem Passenten, der sich Zukunftskenntnisse erhofft. Gegen Münzübergabe wird der Mümmelmann von seinem Halter dazu angehalten, wahllos in die Zettelbox zu greifen, was er auch tut, quasi per Lippenbekenntnis (haben Hasen Lippen?), mit dem Maul wird die Botschaft herausgepickt. Vielleicht mache ich das auch mal, aber nur mit Dolmetscher im Schlepptau.

Freitag, 27. August 2010

Das Wetter

Wenn man einem eher mäßigen (was das Hochsommerwetter angeht) August entflieht, mag das an sich eher belanglose Thema "Wetter" durchaus seine Berechtigung in der Berichterstattung haben. Beginnen nicht auch 99 Prozent aller Urlaubskarten mit Floskeln wie: tolles Wetter hier... die Sonne verwöhnt uns und ähnlichem? Seltener liest man, dass frierend im Graupelschauer gehockt wird oder es gerade in der Fremde schäußlicher zugeht als Daheim. Regen und Sturm auf Mallorca bei gleichzeitig 30 Grad im Ruhrgebiet führen dann eher dazu, das Thema zu meiden und sich andere Vorzüge des Urlaubsortes zur Not aus den klammen Fingern zu saugen, schließlich ist der angestrebte "Neidfaktor" bei Urlaubspost nicht zu vernachlässigen.
Jetzt bin ich also, seit wenigen Stunden, zu Gast in Europas größter Stadt. Und wie ist es denn nun, das Wetter? Ich möchte an dieser Stelle einige Zeilen von Wolfgang Koydl zitieren, der seit 1996 als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Istanbul lebt und das schöne Buch "Der Bart des Propheten" über diese Stadt schrieb. Zur Witterung äußert er sich wie folgt:
"Woran erkennt man einen Auslandskorrespondenten?
Den Redakteuren in den Heimatredaktionen fällt die Antwort auf diese Frage meist sehr leicht: wenn der Dienstort des Korrespondenten südlich des Alpenkammes liegt, verbringt er seine Tage damit, unter Palmen an einem Pool zu liegen und sich von einem dunkelhäutigen Knecht abwechselnd Depeschen und Longdrinks reichen zu lassen. [...]

Istanbul scheint sich auf den ersten Blick für das Standardbild von Pool und Palmen zu qualifizieren. [...]

Ein zweiter Blick in den Atlas aber würde auch zweigen, dass Istanbul an zwei Meeren liegt, die durch eine Wasserstraße miteinander verbunden sind. Mit anderen Worten: Die Stadt tendiert naturgemäß zu einer gewissen Feuchtigkeit, die es spielend mit den wässrig-kühlen Eigenschaften weniger südlich geprägter Städte wie Hamburg, London oder St. Petersburg aufnehmen kann.
Denn zu Schwarzem Meer, Maramarameer und Bosporus gesellen sich eben gemeinhin auch noch ganz normale Niederschläge vom Balkan, wenn auch in reicher Vielfalt: Regen, Graupel, Nebel und mitunter sogar Schnee. [...]

Ja, aber wird es denn nie Sommer in dieser Stadt?
Das schon, aber auch der ist feucht. So feucht, dass das weltweit einheitlich vertriebene Plastikmobiliar, das sich auch in hiesigen Teestuben wie ein Pilz ausgebreitet hat, bei einer Lufttemparatur von 36 Grad wirkt, als sei es gerade mit dem Gartenschlauch abgespritzt worden. Es ist aber nur der Niederschlag der Feuchtigkeit.
"
Soweit und so schön formuliert Herr Koydl. Und jetzt,
wie ist es denn nun? Ich kann bestätigen, eine gewisse Feuchtigkeit, gleich Schwüle, ist nicht zu verleugnen. Bei meiner Ankunft, gegen 21 Uhr, war es noch an die 30 Grad warm und die Luft mutete leicht tropisch an. Zwischenzeitlich ist es sehr angenehm, Biergartenwetter von seiner besten Seite, und so sitze ich luftig gekleidet auf einem Berg weicher Kissen vor dem Hotel und lasse kühle Getränke herbeibringen. Das erledigen übrigens keine dunkelhäutigen Knechte.

Dienstag, 10. August 2010

Istanbul - das nächste Ziel

Am 27. August geht es wieder in (die diesmal nicht so entfernte) Ferne. Istanbul heisst das Ziel für eine knappe Woche. Die Millionenmetropole am Bosporus ist, neben dem Ruhrgebiet, Kulturhauptstadt 2010 in Europa und hat als größte Stadt Europas auch sonst einiges auf Lager.

Ich freue mich auf Historisches in Byzanz - Konstantinopel - Istanbul, auf Meer und Goldenes Horn und eine Menge Leben. Trotz oder gerade wegen des Ramadan dürfte einiges los sein, ich werde berichten.

Samstag, 22. Mai 2010

Video online!

So, jetzt ist ein Video von der Helmkamera online, gefilmt und zusammengeschnitten von Christian. Das gibt ganz gut wieder, wie es beim Kumbh Mela zuging.

Viel Spass.

Freitag, 30. April 2010

Ausklang

Viel erzählenswertes gibt es nun nicht mehr. Auch ohne Programm und weitere "Erlebnispunkte" vertrödeln wir gut den Tag. Es macht auch mal Spass, ohne Fotogepäck einfach zu Bummeln und die letzten Rupien unter's Volk zu bringen.

Morgen werden wir wohl sehr zeitig zum Flughafen aufbrechen. Die von den Maoisten anberaumten Großdemonstrationen zum ersten Mai werden voraussichtlich zu erheblichem Chaos führen.

Mehr für einige Leser gibt es dann in Wort und Bild daheim.

Donnerstag, 29. April 2010

Nepal nebulös

Der Übernachtungsbetrieb "Sunny's Guesthouse" in Bhaktapur verdient wirklich lobende Worte. Sehr nett waren die da und ein rekordverdächtiges, sogar im Übernachtungspreis inklusive, wurde gereicht. Nach einer morgentlichen Runde durch Bhaktapur geht es aber auch schon weiter. Nagarkot heisst unser Ziel, ein winziges Kaff in rund 2000 Metern Höhe, auf einem Gipfel der ersten Bergkette Richtung Himalaya. Bis dahin sind es nur knapp 20 Kilometer. Aber eben auch etliche Höhenmeter, das Geschlängel den Berg hoch dauert daher fast eine Stunde.

Nagarkot ist als Ort gänzlich uninteressant. Hauptsächlich Hotels ziehen sich kilometerweit über den Bergrücken, ein richtiges Ortszentrum gibt es nicht. An der höchsten Stelle liegt unser Hotel, das "Viewpoint". Gen Norden eröffnet sich hier ein atemberaubender Blick in den Himalaya, vom Anapurna bis zum Everest ist in der Ferne das schneebedeckte Dach der Welt als Panorama zu sehen. So sagt man. Wir hatten leider weniger Glück und sahen nur eins: Wolken.

Auf unserem Balkon fühlten wir uns ein wenig wie auf einem Kreuzfahrtschiff mitten im Ozean, rundherum einfach nichts. Der Langeweilefaktor dürfte in etwa der selbe sein. Wir machen das beste draus, nutzen den "Tag auf See" zum Faulenzen, Lesen und derlei. Zwischendurch regnet es und wir müssen tatsächlich noch die Fleecejacken rauskramen. Die Bilder fehlen bewusst, weiß auf weiß langweilt schnell den Betrachter.

Als Folge wird der für zwei Nächte geplante Aufenthalt gekürzt und wir fahren zurück nach Kathmandu. Da wird zwar nichts besonderes mehr erwartet, aber die restlichen zwei Tage lassen sich auf jeden Fall gut zubringen. Regen und Gewitter haben uns zwar auch hier zwischenzeitlich eingeholt, das sollte aber nicht weiter stören.

Montag, 26. April 2010

Bhaktapur

Nach etlichen Tagen verlassen wir heute unsere "Basis" in Kathmandu, das Tibet Guesthouse. Wir steuern die dritte alte Königsstadt nach Kathmandu und Pathan an, das etwa 20 Kilometer entfernte Bhaktapur. Alle drei Städte gemeinsam sind als Kathmandu-Tal Weltkulturerbe der UNESCO. Unterwegs meint man das kaum, die Strecke gibt sich apokalyptisch. Staub, Dreck, Staub, Dreck, zäh wälzt sich der Verkehr durch eine schier endlose Baustelle (?).

Bhaktapur ist für uns Etappenziel auf dem Weg in die Berge, für eine Nacht schlagen wir hier unser Lager auf. Nachdem ein Fahrer mit akzeptablen Preisvorstellungen gefunden ist, steuern wir die uns empfohlene Herberge an. Diese liegt zentral in der Altstadt, daher muss der letzte Teil zu Fuss zurück gelegt werden und es ist ein Eintritt von stolzen 10 US$ zu berappen. Dafür erwartet und hier eine gepflegte, weitgehnd verkehrsfreie Altstadt, die vielleicht sehenswerteste im Kathmandu-Tal.



Eine Runde des Nachmittags führt uns - wohin sonst - auf den nahe gelegenen Durbar-Square, zu etlichen Tempeln und in das Viertel der Töpfer. Überlaufen ist das hier alles nicht, dafür recht authentisch und gemächlich. Von der Terrasse unserer Unterkunft aus gibt es den Blick auf den fünfstöckigen Tempel nebenan inklusive Sonnenuntergang.

Doch, dass ist schon sehr nett hier und wäre sicher auch einen längeren Aufenthalt wert.

Dakshinkali

Verlässt man Kathmandu geht es ziemlich schnell bergan. So auch heute bei der etwa einstündigen Fahrt nach Dakshinkali. Dahinter verbirgt sich kein Dorf, sondern ein in einer Schlucht gelegener einsamer Kali-Tempel. Kali, dass ist die Göttin die insbesondere in Kalkutta verehrt wird und die etwas blutrünstiger daherkommt, gerne dargestellt mit einer Kette aus Köpfen.

In Dakshinkali angekommen fährt man zunächst eine holprige Strasse in den Wald, vorüber an jahrmarktähnlichen Ständen, die allesamt Pilger- und Opferbedarf feilbieten, sowas wie Blumenketten, Farbpulver, Kokosnüsse... und z. B. Hühner. Genauergesagt Hähne. Denn hier wird geopfert, und zwar aussschließlich männliche Tiere. In der Regel beschränkt sich das auf Federvieh oder, wenn jemand genug Geld mitbringt, vielleicht eine kleine Ziege. Seltener, nur zu bestimmten Festtagen, kommen auch größere Tiere unter's Messer. Auf Menschenopfer verzichtet man seit dem letzten Jahrhundert, heisst es.

Weiter geht es über Treppen in die Schlucht hinunter, vorüber an zahlreichen leprösen Bettlern. Lepra ist, soviel sei noch bemerkt, eine echte Scheißkrankheit. Der Bettler gibt es viele, unmöglich allen etwas zu geben, aber Leprakranke haben bei mir immer Aussicht auf einen kleinen Obulus. Weil sie eben nicht mehr viel anderes tun können, als auf milde Gaben hoffen. Das gilt nicht für die Kinder, Jugendlichen, den wohlgenährten Einarmigen und wer sonst noch alles die Hand aufhält. Betteln ist Not, aber Betteln ist auch reguläres Gewerbe, wie Postkarten verkaufen. Für die Beurteilung bliebt eine kurze Sekunde, ein kurzer Blick, dem Gerechtigkeit fern liegt. Relativ klar liegt die Sache nur dort, wo es kaum Touristen hin verschlägt, etwa hier in Dakshinkali. Da versammelt sich das echte Elend, den "Show-Bettler" haben von Einheimischen nichts Gutes zu erwarten.

Ich schweife ab, während dieses Exkurses ist der Fuss der Schlucht an einem kleinen Fluss erreicht. Und damit der überaschend kleine Kali-Tempel. Dort ist Betrieb, auch wenn der wichtigste Tag hier der Samstag ist, der einzige arbeitsfreie in Nepal. Aber auch heute morgen (ja, es ging wieder zeitig los) haben sich duzende Gläubige versammelt und drängen in das Heiligtum, halb unter freiem Himmel gelegen. Der Zugang zum eigentlichen Tempel ist Nicht-Hindus nicht gestattet, aber von außen darf man ungestört das Geschehen verfolgen. Blumen und Farben werden auf Statuen gestreut, Öllampen und Räucherstäbchen entzündet, an einer bestimmten Stelle Kokosnüsse zerdeppert. Ab und zu ist ein größeres Opfer fällig. Pilger übergeben einen Hahn dem Psiter, der mit sachkundiger Routine das Messer anlegt. Das Blut und der Kopf gehören Kali, hier in Form einer entsprechend besudelten Statue. Der Hahn wird anschließend mitgenommen und darf, da er ja für die gute Sache starb, als Abendessen genossen werden. Normalerweise essen Hindus kein Fleisch und schlachten auch nicht. Aber wenn sich so eine Gelegenheit bietet, sagt auch niemand nein.

Fotos habe ich noch nicht von der Kamera gezogen. Aber wie Hühner geschlachtet werden, kennt doch ohnehin jeder. Oder?

Samstag, 24. April 2010

Bodnath und Pathan

Nepal ist wie der Norden Indiens Zufluchtstätte für zahlreiche tibetische Buddhisten. So ist Kathmandu nicht nur ein bedeutsamer Ort für die Hinduisten, sondern hat auch mit wichtigen buddhistischen Bauwerken aufzuwarten. Das bekannteste und großte ist die Stupa von Bodnath im Norden der Stadt.

Früh um halb sechs machen wir uns auf den Weg, um zum Sonnenaufgang dort einzutreffen. Der riesige Tempelbau steht mitten in einem Wohnviertel, das sich kreisartig um das Heiligtum schließt. Es herrscht schon einiger Betrieb. Tausende tibetischer Buddhisten umkreisen den Tempel, imme rim Uhrzeigersinn. Sieben Runden sind der Standard. Dabei werden Mantren gesprochen. Das bekannteste ist das "Om Mani Pendme Hum" [wikipedia: „Om, Juwelen-Lotus“; oft ungenau übersetzt als „O du Kleinod in der Lotosblüte“; bezieht sich auf das allumfassende Mitgefühl für alle Wesen], ein Mantra das sich auch auf den meisten Gebetsmühlen findet. Der Sockel des Tempels sowie alle Eingänge sind mit Gebetsmühlen versehen, jede Umdrehung entspricht einem Mantra. Wer also bei den Umrundungen des Baus nicht nur vor sich hin murmelt, sondern auch noch stetig die Mühlen kreisen lässt, kommt auf einige Tausend Mantren, die gutes Karma verheissen.





Mit etwas Mühe finden wir ein Gebäude, dessen Dachterrasse zu besteigen ist, was einen besonders guten Blick ermöglicht. Die goldene Spitze der Stupa mit den Augen Buddhas, umgeben von den typischen bunten Gebetsfahnen, ist ein beeindruckender Anblick in der Morgensonne. Dazu das bunte Treiben, gemurmelte Mantren, Glocken, Weihrauch und klappernde Gebetsmühlen, all das sorgt für eine recht einzigartige spirituelle Atmosphäre. Viele Mönche sind unterwegs, im umliegenden Viertel gibt es zahlreiche Klöster. Die Anhänger des tibetischen Buddhismus tragen dunkelrote Roben, im Gegensatz zu den orangen Verwandten Südostasiens.

Leider ist es ungemein schwierig, hier einen Tee aufzutreiben. Als es endlich gelingt, kommt dieser dem tibetischen Buttertee einiges näher als dem üblichen Chai, ist aber schonmal besser als nichts. Anlässlich des Sonntags gönnen wir uns im Anschluss das reichhaltige Frühstücksbuffet im Tibet Guesthouse.

Später fahren wir in die südlich von Kathmandu gelegene alte Königsstadt Pathan (Lalitpur). Heute ist es im Grunde ein Stadtviertel von Kathmandu, alles geht nahtlos ineinander über. Nur der übel riechende kleine Fluss Bagmati trennt die beiden Städte.

Patan hat ebenfalls einen Durbar Square in der Altstadt, der aber imposanter und weit besser gepflegt daher kommt als der in Kathmandu. Die zahlreichen Tempel erfreuen mit filigranem Schnitzwerk und störender Verkehr ist hier zum Glück weitgehend außen vor.



Wir tun es den Einheimischen gleich, flanieren und sitzen auf den Tempelbauten herum, um das Treiben zu beobachten.



Pashupatinath

Heute stand zunächst ein Verwandtenbesuch auf dem Programm. Wir besuchten die Familie einer Nepalesin, die wir aus der Heimat kennen, um allerlei Grüße und Geschenke dort vorbei zu bringen. Das ermöglichte einen kleinen Einblick in das ganz normale Durchschnittsleben einer Familie in Kathmandu. In dem recht eindrucksvollen Haus werden wir zunächst auf die Dachterrasse geführt und später, der Kühle halber, in die "gute Stube". Wie schon so oft in fernen Ländern konnte ich auch hier wieder die Geschmacksverirrungen guter Stuben beobachten, anderenorts neigt man eben zum Kitsch. Die Sitzmöbel sind mit blumenverzierten Überwürfen ausgestattet, auf dem Ventilator ist das Häkeldeckchen drapiert und ein Strauß Plastikblumen rundet das ansonsten leere Zimmer ab. Ansprechend sind allerdings die in Mint gehaltenen Innenwände.
Linksbündig
Herzlich werden wir empfangen und bei Pepsi und Keksen tauschen wir allerlei Antworten auf gegenseitige Neugierde aus. Wie üblich sind Verwandtenbesuche schonmal etwas steif, wir wollen auch die Gastfreundschaft nicht über strapazieren. So bleibt der Vormittag für alle eine gute Erinnerung.

Weiter geht es nach Pashupatinath. Dahinter verbirgt sich das bedeutendste hinduistische Heiligtum Kathmandus. Als Wallfahrtsort genießt Pathupatinath einen ähnlichen Rang wie Varanasi oder Haridwar. Komprimiert finden wir hier unzählige kleine und große Tempel. Mittendurch fließt der Bagmati, ein Rinnsal das man kaum als Fluss bezeichnen mag. An dessen Ufern finden hier mittendrin, noch öffentlicher als in Varanasi, die Totenverbrennungen statt. Das mag pietätlos erscheinen, ist hier aber einfach Teil des Lebens und die Verbrennung in Pashupatinath verspricht höchste Weihen.



Teile der Anlage sind nur für Hindus zugänglich. Anderenorts sind auch hier etliche Sadhus anzutreffen. Neben den hauptamlichen Fotomotiven gibt es hier auch "echte" heilige Männer. Etwa Hanuman Babba, der Legende nach 103 Jahre alt und einer der hochverehrtesten.


Nach so viel heiligem Treiben muss zunächst eine Siesta eingelegt werden. Nepal war schließlich als der erholsame Teil der Reise geplant und so soll es auch sein. Zum Bummeln, Shoppen, Essen und was man sonst so vor hat bietet Thamel fußläufig dann auch genug.

Kathmandu - Durbar Square

Gestern (23.04.) sahen wir uns in Kathmandu den zentralen Durbar Square an. Jede der alten Königsstädte hier verfügt über einen Durbar Square, eine königlichen Platz, der eine Mischung aus Markt, Palast und Tempelbauten ist. Selbiger Platz in Kathmandu ist leider zu Teilen mittlerweile Parkplatz und die zahlreichen Tempelbauten weisen erheblichen Verfall auf. In seiner Gesamtheit aber ist es dennoch eine imposante Erscheinung. Die vielen Tempel im nepalesischen Stil, aus Ziegeln und mit reichlich Holzschnitzerei, hätten behutsame Restaurierung verdient.



Die religiöse Bedeutung des Platzes scheint heute eher in den Hintergrund gerückt zu sein, es ist mehr ein Marktplatz und Treffpunkt. Für Touristen wird Eintritt fällig und wir besorgen uns gegen Passbild erstmal ein Dauervisum, um den Platz auch in den nächsten Tagen noch betreten zu können. Die Bezeichnung Platz ist sowieso irreführend, es handelt sich eher um ein kleines Stadtviertel, wo man auch zwangsläufig mal durch muss.



Vor einem der Tempel dienen zwei besonders herausgeputzte "Scheinheilige", mehr Paradiesvögel als Heilige, als Fotomotiv. Gegen Gage, versteht sich, aber wer sich so viel Mühe mit dem Schminken gibt, soll auch einen Obulus erhalten.


In den Gassen rund um den Platz tobt das Leben, Altstadt wie man es sich vorstellt. Wir finden einen kleinen Friseurladen, wo Rasur und Kopfmassage mit allerlei kühlenden Gels das Wohlbefinden steigern.

Freitag, 23. April 2010

Willkommen in Nepal

Zügig und unaufregend geht die Einreise in den Himalayastaat über die Bühne. Für ein 15-Tage Visum werden 25 US$ fällig, dafür gibt es wieder einen bunten Aufkleber in den Pass. Während der Fahrt in die Stadt zeigt sich Kathmandu erstaunlich sauber und fortschrittlich. Ein enormer Auto- und Motorradverkehr fliesst sehr gesittet, Rischas sehen wir dafür so gut wie gar nicht. Alles wirkt außerdem bei weitem aufgeräumter als in Indien.

Christian war 2001 zuletzt in Nepal und hatte, von Indien kommend, eine Zeitreise in die Vergangenheit angekündigt. Allerdings hat sich hier in den wenigen Jahren sehr, sehr viel verändert. Mein Eindruck ist, hier ist man eher einiges weiter als in Indiens Städten. Wir stauenen jedenfalls, die Erwartungen waren ganz anders.

Das von einem Bekannten empfohlene Hotel behagt uns nicht so recht, das Preis-Leitungs-Verhältnis scheint uns unangemessen. Also suchen wir doch eine andere Unterkunft, werden schließlich fündig und beziehen ein Zimmer für etwa sieben Euro. Das rächt sich nachts dann doch, die Betten sind harte Holzklasse, es lärmt und ist stickig. Unerfreulich, heute (23. April) liegt also ein erneuter Hotelwechsel an. Jetzt sollte, zumindest unterkunftstechnisch, alles gut werden.

Viele Städte haben ihr typisches Touristenviertel. In Bangkok ist es Banglampoo (was seinen Reiz meiner Meinung nach schon lange an die Sterilität und den Massentourismus verloren hat), in Kathmandu ist es Thamel. Dieses Viertel hat sich erheblich verändert und tut es weiter. Hochhausbebauung entsteht, Chaos wurde kanalisiert, alles auf den Reisenden und seine vermeindlichen Bedürfnisse abgestimmt. Aber wessen Bedürfnisse sind das? Wer fliegt nach Nepal, um sich in der "Raggae Bar" zu ohrenbetäubender Karibikmusik legale und illegale Drogen zuzuführen? Eine Bar an der nächsten, eine lauter als die andere, wilkommen schöne Reisewelt. Ansosten gleicht das Viertel einem großen Souvenirmarkt, drei, vier Typen von Geschäften wechseln sich in großer Eintöniskeit auf allen Straßen ab. Gefälschte Trekkingklamotten und Rucksäcke, raubkopierte CDs und DVDs, "echte" tibetische Antiquitäten und bunte nepalesische Kleidung sind repräsentativ für das Gesamtangebot. Da sind durchaus schöne Sachen dabei, finde ich. Aber die Masse und Gleichartigkeit der Läden verleidet mir den Einkaufsbummel, die Schlepper ebenso. Außerhalb unseres Wohnviertels werden wir anders finden, da bin ich sicher. Was schert es außerdem die Realität, mit welchen idealisierten Erwartungen unsereiner hier ankommt. So schade das ist, dass die globalisierte Welt immer gesichtsloser wird, die Forderung "Mittelalter statt Kommerz" steht uns nicht zu. Zumal das natürlich immer nur für die anderen gilt. Und Teil des beklagenswerten Massentourismus sind auch wir, anderenfalls müsste man zu Hause bleiben. Schade ist es trotzdem.

Indien ade

Der hab erzwungen wenig hektische Aufenthalt in Varanasi endet. Am 22. April fahren wir zum Flughafen. Der erinnert an einen kleineren Busbahnhof, der seit einigen Jahren sich selbst überlassen wird. Erstaunlich, dass wir hier tatsächlich wegkommen.

Die Durchleuchtungsanlagen müssen erstmal mit dem Gebläse entstaubt werden, bevor sich überhaupt etwas tut. Dann werden wieder willkürlich irgendwelche Sachen aus dem Handgepäck konfiziert (etwa Batterien), was aber scheinbar planlos von Statten geht. Im Flieger sitzen wir dann in Rheihe eins - Business Class. Weil alles andere ausbebucht war an dem Tag, hatten wir die 10 Dollar draufgelegt. Schön, so ein Platzangebot für ganze 45 Minuten Flug, für die Langstrecke wäre das schon nicht schlecht.

Dienstag, 20. April 2010

Traege Tage

Heute gibt es wieder eine Zusammenfassung gleich mehrerer Tage, die Umstaende erfordern es. Sie erforderten heute auch, dass wir einen sehr, sehr faulen Tag verbrachten. Man moechte sich einfahch moeglichst wenig bewegen.



Die Bewegung starteten wir allerdings schon morgens um fuenf. Da ist es zum einen noch ertraeglich, zum anderen ermoeglichte das eine Bootsfahrt bei Sonnenaufgang. So geschah es, erst eineinhalb Stunden per Boot und spaeter noch zu Fuss erkundeten wir das Leben an den Ghats von Varanasi.



Morgentliches Baden und diverse Zeremonien sind hier Pflicht. War der Ganges in Haridwar noch einigermassen sauber, kann man hier allerdigs nur von einer Bruehe reden, die wir selbst besser meiden sollten. Fuer die Hindi allerdings bedeutet der Fluss alles, das Baden ist ein hoechst reinigender Akt. Wer hier in Varanasi stirbt und eingeaeschert wird, dem ist das sofortige Nirwana ohne laestige Wiedergeburten sicher. Beruehmt sind daher die Verbrennungstaetten, rund um die Uhr werden hier Leichen verbrannt und die Asche in den Fluss gestreut. Umliegend gibt es Hospize, auf den Treppen am Fluss lagert meterhoch das Holz und in den engen Gassen dahinter folgt eine Totenbahre oft der naechsten. Fuer uns sehr ungewoehnliche Anblicke, hier gehoert das Sterben dazu und findet ebenso oeffentlich statt wie das Leben.


Der heutige Tag (21. April) verlaeuft ganz aehnlich. Stunden spazieren wir laengs des Flusses. In der Zeitung ist zu erfahren, dass gestern der Temperaturrekord fuer den Monat April erreicht wurde. Heute erscheint es angenehmer, vor allem weht ein Lueftchen.

Das enge Altstadtviertel schirmt den Ganges von der Grossstadt ab, wirkt als verkehrsundurchlaessiges Bollwerk. Das fuehrt zu einem Erleben, das aus indischen Grosstaedten unbekannt war: Stille, relative zumindest. Schiffsverkehr gibt es keinen und die Boote werden ueberwiegend von Hand gerudert, auch von dieser Seite stoert kein Verkehr. Die entstehende Atmosphere ist der heiligen Stadt angemessen, so soll es sein.

Wir wabern durch den Tag, alles fliesst, auch das erscheint angemessen.

Ankunft in Varanasi

Was den Christen Rom, den Muslimen Mekka ist den Hindi Varanasi. Stadt der Goetter, ewig und heilig. Es ist einer der aeltesten durchgehend besiedelten Flecken auf Erden, seit etwa 4500 Jahren. Heute Millionenstadt und beruechtigt fuer Nepper, Schlepper und Drogenabhaengige empfaemgt uns die Stadt doch einladend. Und zwar in Gestalt des vom Guesthouse entsandten, der uns einlaed, in die Rikscha. Spaeter wird dann umgestiegen in Fahrradrikschas, als die Gassen zu eng werden fuer die motorisierten. Spaeter geht es zu Fuss weiter, als die Gassen zu eng werden fuer die Fahrraeder.

Die Altstadt ist ein einziges Gewirr aus engsten Gassen, ohne unseren Fuehrer haetten wir die Unterkunft von der Landseite aus nie gefunden (vom Flussufer aus geht das besser). Eine sehr besuchenswerte Herberge haben wir hier. Die Zimmer erstaunlich geschmackvoll, farblich ansprechend gestaltet und super sauber. Ueberhaupt wird hier den ganzen tag gefegt und geschrubbt, wie man es selten zu sehen bekommt. Ein schattiger Innenhof unter rankenden Pflanzen und singenden Voegeln laed zum Verweilen ein und die umlaufenden Balkone bieten Ausblick auf den Ganges. Doch, mit uns und diesem Fleckchen Erde hat man es gut gemeint.

Der erste Tag dient dem herumstoebern in Gassen, ausgiebige Ruhepausen inklusive. Denn auch wenn wir es kaum glauben, alles bisherige wird hier klimatisch nochmals uebertroffen. Bis 48 Grad waren es letzte Tage, zum dahinschmelzen. Die Hauptmahlzeiten beschraenken sich so auch auf etliche Liter Wasser, die stetig in den Menschen gekippt werden.

Des Abends findet taeglich eine grosse Zeremonie zu Ehren Krishnas am wichtigsten Ghat (=Badeplatz, Flussufer, Treppenzugang) statt. Das sehen wir uns an. Im Laufe der Zeit ist der Fluss uebersaeht von schwimmenden Kerzen, dazu die Rituale der Prister und die Musik im Hintergrund, ein guter Ausklang fuer diesen Tag.



Das Abendessen auf unserer Dahchterrasse haelt noch eine weitere Ueberraschung bereit. Da sin dieser heiligen Stadt normalerweise nicht erhaeltliche kalte Kingfisher Bier wird hier durchaus ausgeschenkt, pietaetvoll in der Kaffeekanne serviert. Wer koennte da nein sagen nach solch einem Tag.

Ungeziefer im Tiefkuehlfach

Es ist immer wieder erstaunlich. Indian Railways befoerdert taeglich etwa 20 Millionen Fahrgaeste. Das Material stammt teils noch aus der vorletzten Jahrhundertwende. Aber es funktioniert, meistens. Unser Expresszug ist einen geschaetzten Kilometer lang. An unserem, dem vorletzten, Waggon haengen unsere Namen zuverlaessig auf der Reservierungsliste ausgehaengt. Ebenso zuverlaessig verlaesst der Zug hoechst puenktlich den Bahnhof von Delhi.

Mit uns reisen die Kaelte und die Kakerlaken. Letztere haben bei uns weniger Ueberraschung hervorgerufen als offenbar bei den mitreisenden Indern. Alsbald eilt ein Bediensteter herbei und versprueht Uebelriechendes, um die Insenkten zu erledigen.

Die Inder sind sehr routiniert in den Eisenbahnablaeufen: mitgebrachtes Essen auspacken und aufessen, Liege beziehen, ablegen und schnarchen. Die gesamte Prozedur ist in einer halben Stunde erfolgreich erledigt. Wir benoetigen laenger, schaffen aber auch alle Teilschritte.

Mit der Nacht kommt die Kaelte, kuenstlich erzeugt. Morgens sitzen wir dann tatsaechlich noch ein paar Stunden in Decken gehuellt, bis wir in Varanasi einlaufen. 10 Minuten Verspaetung bei einer Gesamtfahrzeit von zwoelfeinhalb Stunden, Respekt indische Bahn.

Sonntag, 18. April 2010

Delhi daily #3

Der indische Kachelmann verheisst für heute angenehme 44°, was wir gerne zu glauben geneigt sind. Folge ist ein fauler Tag, erst haben wir einigermaßen lange geschlafen und dann ein Stündchen beim Teeverkäufer im Schatten gesessen. Ein teures Frühstück im Dachrestaurant der gehobenen Klasse ermöglicht nebenbei kostenloses W-Lan und so sitzen wir hier wohl noch länger und lassen Lassi durch die trockenen Kehlen rinnen.

Mit dem Internet gelangen die Informationen über die "Island-Wolke" zu uns. Hm, der Landweg zurück nach Europa würde geschätzte 14 Tage in Anspruch nehmen, mindestens. Keine lustigen Aussicheten. Daran ändern können wir eh nichts, in den nächsten Wochen werden wir das ganze nur im Auge halten können und hoffen, dass sich das wieder normalisiert.

Delhi, sprich "unser" Viertel rund um den Main Basar, ist schwer im Umbau. Für die Commonwealth-Spiele im Oktober wird die Straße komplett erneuert und die Bebauung attraktiver gestaltet. Im Moment hat man also eine einzige, staubige Baustelle (staubig ist es hier sowieso schon immer) und muss darauf achten, nicht von herabfallenden Ziegelsteinen erschlagen zu werden. In Handarbeit werden gerade ganze Stockwerke weggehämmert, während unten die Händler in ihren Läden hinter Schutt hocken und Passanten das Auge hektisch zwischen Stolperfallen und herabstürzendem Material hin und her wandern lassen. So richtig können wir uns nicht vorstellen, was hier eigentlich bis Oktober noch auf die Beine gestellt werden soll. Derzeit sieht es aus wie Beirut nach der Bombardierung, was scheint's niemanden ernsthaft beunruhigt.

Heute abend werden wir den Nachtzug nach Varanasi besteigen, von dort gibt es wieder mehr zu erzählen.

Samstag, 17. April 2010

Delhi daily #2

So, da sind wir wieder. Die Eindruecke der letzten vier Tage in Haridwar sind so zahlreich, dass nur wenige Ausschnitte den Weg in dieses Tagebuch finden. Die Internetversorgung war in Haridwar gaenzlich nicht vorhanden, so dass erst jetzt ein paar Gedankensplitter den Weg ins Netz finden. Dazu gibt es unbearbeitetes Bildwerk in der Rohfassung, auch nur als ersten Eindruck.

Delhi kommt gerade regelrecht beschaulich an nach den letzten Tagen. Hier gehen wir ganz entspannt dem Tagewerk nach, ohne besondere Vorhaben.

Kumbh Mela - Eindruecke

Tja, wie soll man das beschreiben... Man stelle sich eine beliebige mittelgroße deutsche Stadt mit um die 200.000 Einwohnern vor. Dann stelle man sich vor, die gesamte deutsche Bevölkerung würde im Laufe von drei Monaten dort hin pilgern, zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Bus oder Zug, mit einem Ochsen, mit Kind und Kegel. An manchen Tagen, wie hier dem 14. April, kämen gleichzeitig zumindest alle Einwohner der drei größten deutschen Städte. Kann man sich das vorstellen? Nein, kann man nicht. Aber genau das passiert hier.
Allerdings mit ein paar kleinen Unterschieden. Indische Kleinstädte haben nun bei weitem nicht die Infrastruktur wie eine mittelgroße deutsche Stadt. An Tagen wie diesem müssen trotzdem einige Millionen Besucher irgendwo schlafen, irgendwas essen und trinken, irgendwo auf's Klo und überhaupt erstmal Platz finden. Und das geht. Keiner weiß wie, aber es funktioniert. Provisorische Pontonbrücken wurden aufgebaut, endlose Zeltstädte, abertausende von Kochfeuern, die Pilger teilweise kostenlos verpflegen. Das typische indische Gedränge, überall sind Menschen, viele Menschen, potenziert sich hier ins unbeschreibliche. Aber niemand regt sich auf oder verhungert gar, jedem ist es eine Ehre, Teil dieses Chaos zu sein. Die Polizei sorgt mitunter fuer Hektik an den zahlreichen Draengelgittern, die den Strom kanalisieren sollen, weitergehen, nicht stehenbleiben.
Unter den Millionen sind sie zu Tausenden: Sadhus. Heilige und Scheinheilige aus dem ganzen Land. Die echten Asketen kommen nackt oder allenfalls mit einem Lendentuch, aus ihren Höhlen im Himalaya. Zurück in unsere mittelgroße deutsche Stadt: tausende Bärtige, mit nichts als Asche am Leib, Schwerter und Dreizacke schwingend in der Fußgängerzone, was für eine Vorstellung. So viele Gummizellen haben wir im ganzen Land nicht. Hier ist das normal, zumindest fast. Ausgerechnet im puritanischen, man könnte fast sagen verklemmten, Indien darf der anerkannte Heilige das: nackt herumlaufen, Haschisch rauchen und dabei Segen spenden. Alle anderen dürfen das nicht und müssen sich - das kennen wir doch auch? - von ihren Sünden reinwaschen. Nichts ist dazu so geeignet wie das Bad im Ganges zum Kumbh Mela. Und so geschieht es hier Tag und Nacht, ab zum Fluss, Untertauchen, Platz machen für die nächsten.



Der Glaube macht stark, erst recht wenn er mit Millionen geteilt wird. Was stören da noch Hitze, Enge, Staub und alle misslichen Umstände, die so eine Veranstaltung mit sich bringt. Vom Fluss der Sünden wegwäscht halten wir uns fern. Als Nicht-Hindu ist das sicher besser, zumal die Wasserqualität dem Augenschein nach nicht überzeugt. Dafür tauchen wir in den Fluss der Menschen und lassen uns treiben, willentlich und notgedrungen. In den Zeltstaedten der Sadhus suchen sie Rat, wir das Motiv und alle sind gleichermassen willkommen.



Hoechst beeindruckend haben wir hier wieder erlebt, wie aufgeschlossen viele Menschen sind. "Thank you for visiting my country!" Schallt es uns freudestrahlend entgegen, waehrend der aeltere Mann Bananen und Trauben vom naechsten Obststand zu besorgen - um sie uns zu schenken. Mit den dazukommenden Sadhus und den von Christian mitgebrachtem Kermit gab es dann lustigen Zeitvertreib:


Oft ergaben sich aehnliche Situationen, mussten wir begeisterte Mensche auf deren Wunsch hin ablichten, fuehrten wir angenehme Gespraeche. Am Haupttempel, der erst ab dem 15. April ueberhaupt wieder fuer Auslaender zugaenglich war, kamen wir auch ins Plaudern mit einer Gruppe Badender. Kurz darauf besorgte Nachfrage anderer vorbeikommender: "is there any problem? Can we help?" Nein, aber alleine diese Aufmerksamkeit und Sorge um den Gast beruehrt uns.

Sadhus - was ist das?

Vielerorts in Indien und Nepal trifft an sie: Sadhus, auch bekannt als Asketen, Eremiten, Wandermönche, Babas, Yogis, Weise, heilige Männer, Gurus. Die echten unter ihnen sind die wahren Asketen, die allem weltlichen entsagen und ihr Leben in Enthaltsamkeit und Meditation verbringen, immer im Streben nach dem Göttlichen, dem Überwinden des Kreislaufes von Wiedergeburten. Viele der echten Sadhus leben in der Abgeschiedenheit der Berge des Himalaya. Frei von weltlichen Bedürfnissen verlassen sie ihre Einsiedelei meist nur zu besonderen Anlässen, etwa religiösen Festen wie Kumbh Mela.
Andere ziehen umher, sind selten länger an einem Ort, leben als Wandermönche, als Suchende. Sie leben von dem, was Gläubige ihnen Spenden. Die Einsiedler hingegen existieren teilweise nur von dem, was die Natur ihnen gewährt. Es gibt die Extremen, Yogis die unverständliche Praktiken ausüben: jahreslanges Stehen auf einem Bein, Meditation auf glühenden Kohlen oder Nagelbrettern. Einer der bekanntesten hält seit ueber 25 Jahren seinen rechten Arm in die Höhe, Tag und Nacht, der Arm mittlerweile einem verdorrten Ast ähnlich. Dieser hochverehrte Heilige empfing uns auch in seinem Zelt:


Willenskraft, die ihresgleichen sucht, macht manche von ihnen zu übermenschlichen Wesen jenseits von Schmerz. Dann sind da aber auch die Paradiesvögel, die Scheinheiligen, bunt bemalt und in oranges Tuch gehüllt, um als Fotomotiv ihren Schnitt zu machen oder Touristen mittels Gebetszeremonien um ihre Barschaft zu erleichtern. Die meisten der echten Sadhus sind in Orden [Akahara] organisiert geordnet nach der jeweils primär verehrten Gottheit [meist Shiva, der Zerstörer] und den bevorzugten Praktiken. Die Anhänger Shivas erkennt man an der typischen Gesichtsbemalung und dem fast obligatorischen Dreizack. Friedfertig sind sie meist, aber nicht immer. Die Anhänger der June Akahara gelten im Volksmund auch als die "Hells Angels" Indiens. In deren Zeltlager hatten wir aber doch eher nette Erlebnisse.

Kaum bei anderen Gelegenheiten sind die Heiligen so zahlreich anzutreffen wie beim Kumbh Mela, insbesondere die Naga Sadhus, zu denen auch der genannte Orden zaehlt. Sie sind ueberwiegend nackt anzutreffen, nur mit Asche eingerieben (angeblich bevorzugt solcher aus Totenverbrennungen). Zu tausenden ziehen sie dieser Tage durch Haridwar und man darf sich einfach nicht wundern, wenn solche Exoten morgens neben dir nn der Teebude stehen.



Allen gemeinsam ist das Fremde, das Besondere, das manchmal Magische, was den Reiz einer jeden neuen Begegnung mit Sadhus ausmacht. Der Hinduismus kennt Millionen Götter und ebenso viele Wege zu Gott, das wird hier immer wieder auf's neue anschaulich.

Für unsere zahlreichen Erlebnisse war unser "persönlicher" Naga Baba wesentlich mit verantwortlich. Munu Giri, vom Orden der Juna Akhara, hatten wir zufällig kennen gelernt und er hat uns Wege geöffnet, die normalerweise für Touristen gesperrt waren, hat uns Dinge gezeigt, die den meisten verborgen bleiben. Den ganzen Tag war er mit uns unterwegs, nahm sich Zeit und unserer an, stillte unseren Wissensdurst. Dass alles geschah für Gottes Lohn und einen Mangosaft, mehr wollte er nicht von uns annehmen.

Ein paar Worte zur Kumbh Mela


Alle zwölf Jahre findet in Indien das riesige Kumbh Mela Fest statt, wechselweise in den vier heiligen Orten Haridwar, Allahabad, Ujjain und Nashik. Dies sind vier der sieben heiligen Städte des Hinduismus. An besonders günstigen Tagen nach der Sternenkonstellation kommen Gläubige zu rituellen Bäder an die heiligen Flüssen, insbesondere den Ganges.

Seinen Namen hat das Fest [mela] von einem Gefäß, Krug [kumbh]. Der Legende nach wurde in einem solchen Krug der "Nektar der Unsterblichkeit" [amrita] transportiert und bei einem göttlichen Streit fielen vier Tropfen daraus zur Erde - an die vier Orte, die heute Schauplatz des Festes sind.

An mehreren besonderen Badetagen ziehen tausende von Sadhus [heilige Männer, Asketen] in feierlichen Prozessionen zum Bad. Viele von ihnen kommen nur zur Kumbh Mela aus ihren Einsiedeleien im Himalaya. Kumbh Mela gilt als das größte Fest der Menschheit. Im Laufe von drei Monaten versammeln sich bis zu 90 Millionen Pilger am jeweiligen Festort am Ganges. Außerdem ist Kumbh Mela eines der ältesten kontinuierlich gefeierten religiösen Feste der Welt mit etwa 2000-jähriger Geschichte. Den Zeitpunkt unserer Reise haben wir am wichtigsten der Badetage ausgerichtet, am 14. April 2010 findet das königliche Bad Pramukh Shahi Sanan statt, zu dem Millionen von Gläubigen erwartet wurden.

Geschaetzte zehn Millionen (!!!) kamen und vom Balkon unseres Hotels sah es dann zu jeder Tages- und Nachtzeit mehr oder weniger so aus:


Auf nach Haridwar

Das ist leicht gesagt, doch schwerer getan. Am Morgen des 12. April fahren wir zum Busbahnhof, der fuer Fahrten ge'n Norden zustaendig ist. Dort herrscht wie erwartet erheblicher Trubel. Ein Buchungsbuero, was es hier eigentlich fuer die Touristenbusse geben sollte, ist nicht existent. Die in haeufigen Abstaenden abfahrenden "einfachen" Busse nach Haridwar werden von der Menge regelrecht gestuermt. Ich sagte es schon einmal, Inder besteigen Verkehrsmittel nicht - sie entern sie.

Wir raeumen uns selbst eher schlechte Chancen ein, eines der Fahrzeuge durch die Fenster zu erklettern und so einen Platz zu ergattern. Also wird umdisponiert, es gibt reichlich Angebote fuer Taxifahrten. Da diese stuendlich teuerer werden, greifen wir recht kurzentschlossen zu und legen die 220 Kilometer im Auto zurueck. Durch die geoeffneten Fenster weht uns heiser Wind um die Ohren, fuer etwa fuenf Stunden dauerfoehnen. Der Fahrer gehoert zur aggressiven Sorte, wir sind erfreut ueberhaupt den gewuenschten Zielort zu erreichen. Fast zumindest.

Der Autoverkehr endet ein ganzes Stueck ausserhalb der Stadt, dort muessen wir auch raus. Vor uns liegen noch etwa sieben bis acht Kilometer bis zu unserem Hotel. Diese legen wir ueberwiegend zu Fuss zurueck, was uns bei unserem eher umfangreichen Gepaeck und den Aussentemperaturen nicht frohlocken laesst. Ein Stueck erfahren wir mit einer Fahrradrikscha, bis wieder die naechste Strassensperre die Weiterfahrt verhindert. Dann engagieren wir zwei Gepaecktraeger, die sich foermlich aufdraengen. Ein eher mulmiges Gefuehl beschlecht uns, als besagte Traeger mit unseren Seesaecken bald zusammenbrechen. So geht dass nicht, wir taugen nicht zu Kolonialherren und koennen das nicht mit ansehen. Also werden die beiden entlohnt und fortgeschickt, selbst schleppt der edle Reisende.

Das tun um uns herum noch ein paar Leute. So ein paar Millionen, die nach und nach in Hardiwar einfallen. Doch dazu spaeter mehr. Wir schaffen es, unser Hotel zu erreichen und sind fuer diesen Tag erstmal "durch". Ein kaltes Bier waere jetzt toll, aber Haridwar ist heilige Stadt: kein Alkohol, kein Fleisch, keine Eier.

Sonntag, 11. April 2010

Delhi daily

Delhi ist wieder der Ankunftsort für den Norden Indiens. Aus Europa kommend landet man hier üblicherweise mitten in der Nacht und wird umgehend dem Schock dieser 17-Millionen-Metropole ausgesetzt.
Freitagsmoschee in Alt-Delhi
Man muss es mögen, dann ist Delhi sicher eine der erlebenswertesten Großstädte Indiens. Nicht das allzu viel zu sehen gäbe, aber das gelebte Chaos an sich macht den Reiz aus.
Den Reiz zu finden fällt freilich etwas schwerer, wenn man wie wir nachts um vier landet und zu ungünstigster Zeit endlich im Hotel ankommt. Wir gehen ins Bett und draussen erwacht Delhi. Vor allem erwacht der kleine Tempel unter unserem Fenster und beginnt mit seinen Zeremonien. Liebliche Mantras, sicher, aber in unseren Ohren gerade nur lautsprecherverzerrter Lärm. Die Nacht- oder vielmehr Morgenruhe beschränkt sich dann auch auf drei Stunden.
Dann gibt es etliches zu erledigen. Wer in dieser Jahreszeit nach Indien fährt, muss schwer was an der Waffel haben: uns erwartet die übliche smoggeschwängerte Luft, die aber geschmeidige 41 Grad aufweist. Schon beim späten Frühstück verfallen wir daher in buddhistische Starre, die Entdeckung der Langsamkeit um den Schweissströmen zu trotzen. Gelingen will das nicht, wir müssen uns bewegen. Zunächst zum Bahnhof, den Fahrkarten nach Varanasi müssen erworben werden.
Für solche Strecken kann man nicht mal eben am Schalter erscheinen und ein Ticket kaufen. Automaten gibt es zum Glück keine, die funktionieren schon bei uns zu selten. Dafür gibt es das reservation office, ein Glanzstück indischer Effizienz und Bürokratie. Nach erstaunlich kurzem Schlangestehen, hier eher Schlangesitzen, dem Ausfüllen eines umfangreichen Formulars, das Auskünfte über die beabsichtigte Reise, die persönlichen Verhältnisse und den Familienstammbaum erfasst, ist man geneigt, einen Computer nach freien Plätzen zu befragen. Da wir eine knappe Woche im Voraus erscheinen, gelingt das Unterfangen, für 2200 RS (only) wird uns Indian Railways befördern, dass sind fuer 600 Kilometer knapp 18 Euro pro Nase.
Den restlichen Tag verbringen wir mit Besuchen von zahlreichen Chai-Wallahs (den unvermeidlichen Teeverkäufern), Geldautomaten und Dachrestaurants. Das Konzept der möglichst minimalen Bewegung lässt den Tag zähflüssig verstreichen. In den vielen engen Gassen des Hauptbasars kann man sich einfach treiben lassen und etliche Kuriositaeten bestaunen.

Die interne und externe Kommunikation wird kuenftig mit einer indischen Prepaid-Karte erledigt, so laesst sich sehr guenstig nach Europa telefonieren. Schonmal in der Sauna Mails versendet? Ich auch nicht oft, hatte ich schon erwaehnt, dass es heiss ist? Ich will nicht klagen, wir tun es ja freiwillig. Aber die Aussicht auf etliche Stunden Busfahrt morgen... schauen wir mal.



Samstag, 10. April 2010

Tomatensaft

Eine kurze Meldung aus Abu Dhabi. Hier wurde gerade zwischengelandet nach einem ganz ansprechenden Flug mit Ethiad. Die Fluggesellschaft des Jahres 2009 konnte in Sachen Service und Ambiente auch durchaus ueberzeugen. Doof nur, wenn man sich einen Tomatensaft ueber's Zeug kippt...

Ich bin ja immer schon ein bekennender Hasser von Tomatensaft und soeben wurde mir der versehentlich statt Wasser in die Hand gedrueckt. Der Saft hat meinen Ascheu gespuert und glitt mit auch konsequent aus der Hand. Eine schoene neue Erfahrung, auf dem Flugzeugklo die Hose zu waschen.

In Abu Dhabi kenne ich jetzt den Flughafen. Stubkoerner haben hier keine Chance, zahlungskraeftige Menschen hingegen schon. Und kostenlose Internetterminals gibt es, daher dieser Text. Gang schon es Ambiente hier, aber die fuenf Stunden auf dem Rueckfkug moechte hier trotzdem nicht zwingend rumhaengen.

Montag, 22. März 2010

Eine Reise zum größten Fest der Menschheit und den heiligen Stätten des Hinduismus

"Ich reise niemals ohne mein Tagebuch . Man sollte immer etwas Aufregendes zu lesen bei sich haben." [Oscar Wilde]
Im April 2010 geht es mal wieder nach Indien. Diese Reise wird zu heiligen Stätten in Indien und Nepal führen. Höhepunkt wird mit Sicherheit das größte Fest der Menschheit: Kumbh Mela in Haridwar. Neben meinem klassischen Tagebuch aus dem Hause Moleskin führe ich dieses neumodische online-Tagebuch in Abständen, um die Welt daheim zu unterrichten


Die Route wird von Delhi nach Haridwar am Fuße des Himalaya führen. Nach einigen Tagen geht es von dort zurück nach Delhi und weiter in die heiligste Stadt Indiens, Varanasi (Benares) am Ganges.

Wir werden dann Indien verlassen und weiter reisen nach Nepal. Dort verbringen wir einige Zeit in Kathmandu und der Umgebung der Hauptstadt.



"Reisen schafft diesen magischen Raum, der den Alltagsgrind nicht zulässt, Reisen ist Flucht, aber ja, aber ja, aber ja. Flucht vor den Atemnöten eines von Vorhersehbarkeiten erstickten Lebens." [Andreas Altmann]