Sonntag, 25. März 2012

Projekt Tiger

Die beiden letzten Tage standen im Zeichen der Wildnis, ich machte mich auf, den Sunderbans Nationalpark zu erkunden. Die Sunderband sind das riesige Mündungsgebiet des Ganges und der größte Mangrovenwald der Welt. Die Wälder erstrecken sich über 10.000 Quadratkilometer, etwa ein Drittel der Fläche von NRW. Je nach Gezeitenstand besteht das ganze aus mehr oder weniger Inseln mit einem Geflecht von Mündungsflüssen und kleinen Wasserwegen. 60% des Nationalparks liegen in Bangladesh, der Rest in Indien.

Von Kolkata fahre ich rund drei Stunden mit einem Minibus zur letzten per Straße erreichbaren Insel. Mit von der Partie sind eine junge Schweizerin und drei Inder, die alle aus Kolkata stammen, mittlerweile aber in verschiedenen Ländern arbeiten und alle paar Monate gemeinsam Wochenendtouren unternehmen. Weiter geht es mit eineer Fähre, einem einfahcen Holzkahn, bei dem man entweder auf der Reling sitzt oder in der Mitte steht. Nach normalen Maßstäben wäre das Boot mit 50 Menschen gut gefüllt, wir fahren allerdings mit etwa 100 sowie einigen Fahr- und Motorrädern. Die drei Inder sind skeptisch - sie können nicht schwimmen. Wir erreichen aber problemlos "unsere" Insel.

"Unser" Dorf
Dort gibt es ein paar kleine Dörfer, keinen Strom, keinen motorisierten Verkehr. Wir fahren noch eine weitere knappe Stunde per Fahrradrikscha zu einem der Dörfer. Fahrradrikscha heißt hier: eine Holzplattform hinten am Fahrrad, tauglich für Menschen und Gütertransport, wo wir jeweils zu dritt mit Gepäck drauf verstaut werden. Auch bei diesen Fahrzeugen gilt: kein Strom, sie sind abends mit Kerosinlampen beleuchtet.

Angekommen im Dorf werden wir in der Hütte einer Fischerfamilie mit Mittagessen bewirtet. Dicke Lehmwände halten die Hütte erstaunlich kühl und zusätzlich gibt es einen Solar-Ventilator.Uns werden Leckereien in Megen aufgetischt (obwohl, einen Tisch gibt es nicht) und es ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Familie auch in der Folgezeit für unsere Versorgung zuständig ist. Im Anschluss folgt ein interessanter Spaziergang durch das Dorf mit seinen strohgedeckten Häusern. Vor zwei Jahren gab es hier einen Zyklon und die Insel wurde überschwemmt mit Salzwasser, was ein schweres Problem für die Landwirtschaft ist. Langsam erholt sich der Boden und mit jedem Monsun sinkt der Salzgehalt, dieses Jahr können die ersten Reisfelder hoffentlich wieder bewirtschaftet werden.

In einem kleinen Schrein wird bei der zuständigen Gottheit Schutz vor dem Tiger erbeten. Viele der Dorfbewohner arbeiten als Honigsammler in den Wäldern und jeder hat schon einen Angehörigen durch Tigerattacken verloren. Auch das Dorf selbst wurde schon von Tigern angegriffen, die aber zum Glück nur Haustiere verspeisten. Durch lange Zäune innerhalb des Nationalparks wird versucht, die Tiger von den Dörfern fernzuhalten, was aber nicht immer gelingt. Die Tiere können kilometerweit schwimmen und das Angebot an Nahrung in den Wäldern ist nicht üppig. Die Chance, das wir auf unserer Tour einen Tiger sehen, kommt allerdings einem Lottogewinn gleich. In dem riesigen Gebiet leben aktuell gerade einmal 276 Tiger. So bekommen wir auch nur den Tiger zu sehen, den ich mitgebracht hatte, ein großer Spass war das allemal.

Blackhead-Kingfisher, es gibt duzende Sorten Vögel und mehrere Sorten Bier unter den Kingfishern
Wir fahren gegen Abend noch mit Ruderbooten durch die Mangroven zur Vogelbeobachtung, dann besteigen wir unser großes Boot, auf dem wir übernachten. Als Abendprogramm schaut eine Gruppe lokaler Musiker vorbei und es gibt wieder gutes Essen unter dem Sternenhimmel, ganz großartig. Die mitreisenden Inder sind gut vorbereitet und haben einen schier unerschöpflichen Whiskyvorat dabei, was zu einem gelungenen Abend zusätzlich beiträgt. Die Nacht auf den Boot mit viel frischem Wind ist große klasse.

Im Mangrovenwald
Der nächste Tag wird komplett auf dem Boot verbracht und wir durchfahren die Mangrovenwälder, besuchen ein paar Aussichtstürme und einen Brückenweg über die Mangroven hinweg. Wir lernen viel über dieses faszinierende Ökosystem und erfreuen uns an Ruhe und Landschaft, Das ist genau das Richtige zum Erholen von der Großstadt. Entsprechend zufrieden erreichte ich gestern Abend wieder Kolkata.

Spotted Deer - Tigerfutter bei der Aufzucht

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