Montag, 10. März 2014

Veteranen

Schade, dieses mal musste ich in der "Holzklasse" mein Dasein fristen für 12 Stunden, bis mein verspäteter Flug in Ho Chi Minh Stadt anzukommen geruhte. Naja, Luxusprobleme, aber leider auch wenig Schlaf. Ich hatte mich dieses Jahr für ein Visum on Arrival entschieden, was deutlich preiswerter ist und das vorherige Verschicken des Passes erübrigt. Dazu besorgt man sich über eine Reiseagentur in Vietnam per Internet einen Bestätigungsbrief des Immigrationsministeriums, den man dann zusammen mit Formularen, Passbild und frischen Dollarnoten zur Einreise mitbringt. Leider greifen mittlerweile auch diverse Reisegesellschaften auf diese Methode zurück, so dass nach Ankunft mehrerer Flieger ein mächtiges Chaos am Visa-Schalter entsteht.

Ich hatte  ich gesputet, um zügig dort anzukommen vor dem Rest der Mitfliegenden, dummerweise staute sich aber bereits unter anderem eine französische Reisegruppe vor mir. Der Schalter war dann besetzt von einer einzigen höchst genervten Dame, die den Kram entgegennimmt. Etliche hatten das Formular nicht ausgefüllt dabei, mussten dies erstmal tun, Zeitdiebe. Im Hintergrund sitzen dann noch zwei Beamte, die Visa in die Pässe kleben und wahrscheinlich eine Menge Stempel verteilen. Gefühlt alle Jubeljahre kommt dann ein Pass wieder nach vorne und besagte genervte Dame schreit den dazugehörigen Namen ins Mikrofon. Die Aussprache der fremden Namen lässt durchaus Interpretationsspielräume zu, so dass dann meist mehrere durch die Schlange der noch anstehenden Formularabgabewilligen zum Fensterchen drängen, um zu erkunden, ob sie eventuell gemeint sind. Ein Uniformierter verordnet zwar regelmäßig geordnetes Schlangestehen, was allerdings am Gedränge nichts zu ändern vermag. Dem Beamten dürfte auch nicht vertraut sein, dass der durchschnittliche Reisende, wenn er außereuropäischen Boden betritt, dies mitnichten mit asiatischer Gelassenheit tut, sondern mit einem gerüttet Maß an Aufgeregtheit bis hier zur Empörtheit über die Ineffizienz von Einwanderungssystemen der "Dritten Welt", nicht begreifend, dass er diese selbst teils mitverantwortet. Die Prozedur hat also durchaus Unterhaltungswert, lohnt aber kaum den Zeitaufwand für gesparten Taler. Das Gepäck dreht derweil Ehrenrunden auf dem Förderband und der herbeibestellte Abholer muss leider etwas länger auf mich warten. Zum Glück erträgt der dies mit asiatischem Gleichmut und befördert mich zum gewünschten Hotel.

Räuchereien sollen ja vielfach helfen
Dort angekommen stelle ich nur mein Gepäck ab, eingecheckt werden kann erst mittags und meine Verabredung ist auch schon da. Verabredet bin ich nämlich mit einem rauschebarttragenden Vietnamveteranen, gebürtig aus Neuseeland (die haben da seinerzeit auch mitgemischt) und seit etlichen Jahren in Saigon ansässig. Mit dem kam ich in einem Internetforum ins Gespräch, weil er für einen buddhistischen Verein ehrenamtlich tätig ist, der Armenspeisungen organisiert. Also geht er auf dem Motorrad vom touristischen Zentrum der Stadt in die materiell weniger gesegneten Distrikte. Zunächst steuern wir allerdings ein zwischen neu gebauten Appartmenthochhäusern gelegenes Kongresszentrum an, auf dessen Gelände ein Gebäuse dem Mönch mit seinem Verein zur Verfügung gestellt wurde. Dort sind jeden Tag hunderte Freiwillige, darunter viele Studenten, versammelt und bereiten 5 bis 7000 Mahlzeiten zu. Aus Spenden wurde ein neuer riesiger Reiskocher ermöglicht, dann gibt es zig Feuerstellen mit überdimensionieren Woks und Töpfen, in denen wohlduftendes Gemüse und Suppe köcheln. Im Garten wird der weil Grünzeug geschnippelt was das Zeug hält. Gekocht wird rein vegetarisch, wenn buddhistische Mönche das ganze organisieren eine Selbstverständlichkeit.

Mit einem Kleinlaster und zahllosen Motorrädern werden dann Essenspackte in die ganze Stadt verteilt. In die hier überall üblichen take-away-Boxen protionsweise verpackt, dazu kleine Beutel mit Suppe, wird alles verladen. Wir, das heisst "Dirty Pierre", seine Frau und ich, schaffen schätzungsweise die Mitnahme von 80 Portionen auf den beiden Motorrädern, gemessen an vietnamesischen Ladekünsten sind wir natürlich blutige Amateure. Damit fahren wir in den Distrikt 8, der zu den ärmsten der Stadt zählt. Wir steuern eine Gegend an, in der überwiegend Müllsammler hausen, wir schnell zu erkennen ist. Diese bekommen zwar einen kargen Lohn von den Behörden, da sie so eine Art offizielle Müllabfuhr sind, der reicht aber nicht wirklich zum Leben. Als nächstes besuchen wir ein Altenheim, überwiegend für alleinstehende und mittellose Künstler. Sogar ein ehemaliger Fernsehstar lebt hier, alles andere als reich geworden. Das Gebäude aus der Kolonialzeit wurde gestiftet und liegt in einer ruhigen Gasse rund um einen schönen Garten, jeder bewohnt ein kleines Zimmer. Die Rente reicht aber nicht, so dass auch hier die regelmäßige Verpflegung sehr willkommen ist. Serviceleistungen oder gar medizinische Leistungen und Pflege gibt es hier im Altenheim nicht. Auch in den Krankenhäusern wird man übrigens nicht verpflegt, entweder kochen Angehörige oder man muss dies zusätzlich einkaufen, wenn man es sich leisten kann.

So gewinne ich wieder einige Eindrücke von dieser Stadt abseits der Sehenswürdigkeiten. Gespendetes Essen zur Linderung von Systemversagen, immer fragwürdig, aber hier sicher eher zu akzeptieren als in unseren Breiten, wo die "Tafeln" sich explosionsartig vermehrt haben.

Den Rest des Tages werde ich von Pierre noch herumgefahren mit dem Motorrad und sehe viele Ecken der Stadt, in die man sonst nicht unbedingt kommt. Dazu gibt es gute Straßenküche abseits des Tourismus, sei der populärste Hähnchengriller im Distrikt 7, der sein Geflügel mit allerlei Gewürzen und Honig mariniert frisch auf die Kohlen wirft, oder Süßspeisen an der Straßenecke. Dort probiere ich unter anderem einen leckeren, undefinierbaren Brei auf Basis von Kokosnuss, Bananen und Bohnen, da muss man erst mal drauf kommen. Der Tag war jedenfalls ein klasse Einstieg in Vietnam und eine gewisse Müdigkeit lässt mich zeitig Schlafen gehen.

Treffpunkt Cholon

Tag zwei in Saigon verläuft unspektakulär, ich übe mich in Müßiggang. Mit dem Bus fahre ich nach Cholon, "Chinatown", und spatiere dort ein wenig herum. Die feuchte Hitze - immerhin 34° - bedarf es einmal der Gewöhnung und macht etwas träge. Aber Erholung steht auch auf dem Programm, so lässt sich in Ruhe de rein oder andere leckere Eiskaffee trinken und das ewige Gewusel der Stadt betrachten. Morgen, besser: heute Nacht, geht es dann weiter ins Hochland, das kenne ich noch nicht und dort wird es zweifellos einiges zu Unternehmen geben. Bilder folgen hier vielleicht später, die Internetverbindung hat hier gerade ihre Launen. Jetzt ist später: neben der Hardware ist auch der Mensch nicht in Form, brauchbare Ergebnisse der Herumfahrerei sind spontan nicht lieferbar und was mit den Videos los ist werde ich dann später mal herausfinden.

Letzte Meldung: Amerika gewinnt Krieg doch noch! Endlich dürfen auch die Vietnamesen den hier filialmäßig im Bau befindlichen Fastfoodkonzern genießen. Mahlzeit!

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