Ich hatte ich gesputet, um zügig dort anzukommen vor dem Rest der Mitfliegenden, dummerweise staute sich aber bereits unter anderem eine französische Reisegruppe vor mir. Der Schalter war dann besetzt von einer einzigen höchst genervten Dame, die den Kram entgegennimmt. Etliche hatten das Formular nicht ausgefüllt dabei, mussten dies erstmal tun, Zeitdiebe. Im Hintergrund sitzen dann noch zwei Beamte, die Visa in die Pässe kleben und wahrscheinlich eine Menge Stempel verteilen. Gefühlt alle Jubeljahre kommt dann ein Pass wieder nach vorne und besagte genervte Dame schreit den dazugehörigen Namen ins Mikrofon. Die Aussprache der fremden Namen lässt durchaus Interpretationsspielräume zu, so dass dann meist mehrere durch die Schlange der noch anstehenden Formularabgabewilligen zum Fensterchen drängen, um zu erkunden, ob sie eventuell gemeint sind. Ein Uniformierter verordnet zwar regelmäßig geordnetes Schlangestehen, was allerdings am Gedränge nichts zu ändern vermag. Dem Beamten dürfte auch nicht vertraut sein, dass der durchschnittliche Reisende, wenn er außereuropäischen Boden betritt, dies mitnichten mit asiatischer Gelassenheit tut, sondern mit einem gerüttet Maß an Aufgeregtheit bis hier zur Empörtheit über die Ineffizienz von Einwanderungssystemen der "Dritten Welt", nicht begreifend, dass er diese selbst teils mitverantwortet. Die Prozedur hat also durchaus Unterhaltungswert, lohnt aber kaum den Zeitaufwand für gesparten Taler. Das Gepäck dreht derweil Ehrenrunden auf dem Förderband und der herbeibestellte Abholer muss leider etwas länger auf mich warten. Zum Glück erträgt der dies mit asiatischem Gleichmut und befördert mich zum gewünschten Hotel.
Räuchereien sollen ja vielfach helfen |
Mit einem Kleinlaster und zahllosen Motorrädern werden dann Essenspackte in die ganze Stadt verteilt. In die hier überall üblichen take-away-Boxen protionsweise verpackt, dazu kleine Beutel mit Suppe, wird alles verladen. Wir, das heisst "Dirty Pierre", seine Frau und ich, schaffen schätzungsweise die Mitnahme von 80 Portionen auf den beiden Motorrädern, gemessen an vietnamesischen Ladekünsten sind wir natürlich blutige Amateure. Damit fahren wir in den Distrikt 8, der zu den ärmsten der Stadt zählt. Wir steuern eine Gegend an, in der überwiegend Müllsammler hausen, wir schnell zu erkennen ist. Diese bekommen zwar einen kargen Lohn von den Behörden, da sie so eine Art offizielle Müllabfuhr sind, der reicht aber nicht wirklich zum Leben. Als nächstes besuchen wir ein Altenheim, überwiegend für alleinstehende und mittellose Künstler. Sogar ein ehemaliger Fernsehstar lebt hier, alles andere als reich geworden. Das Gebäude aus der Kolonialzeit wurde gestiftet und liegt in einer ruhigen Gasse rund um einen schönen Garten, jeder bewohnt ein kleines Zimmer. Die Rente reicht aber nicht, so dass auch hier die regelmäßige Verpflegung sehr willkommen ist. Serviceleistungen oder gar medizinische Leistungen und Pflege gibt es hier im Altenheim nicht. Auch in den Krankenhäusern wird man übrigens nicht verpflegt, entweder kochen Angehörige oder man muss dies zusätzlich einkaufen, wenn man es sich leisten kann.
So gewinne ich wieder einige Eindrücke von dieser Stadt abseits der Sehenswürdigkeiten. Gespendetes Essen zur Linderung von Systemversagen, immer fragwürdig, aber hier sicher eher zu akzeptieren als in unseren Breiten, wo die "Tafeln" sich explosionsartig vermehrt haben.
Den Rest des Tages werde ich von Pierre noch herumgefahren mit dem Motorrad und sehe viele Ecken der Stadt, in die man sonst nicht unbedingt kommt. Dazu gibt es gute Straßenküche abseits des Tourismus, sei der populärste Hähnchengriller im Distrikt 7, der sein Geflügel mit allerlei Gewürzen und Honig mariniert frisch auf die Kohlen wirft, oder Süßspeisen an der Straßenecke. Dort probiere ich unter anderem einen leckeren, undefinierbaren Brei auf Basis von Kokosnuss, Bananen und Bohnen, da muss man erst mal drauf kommen. Der Tag war jedenfalls ein klasse Einstieg in Vietnam und eine gewisse Müdigkeit lässt mich zeitig Schlafen gehen.
Treffpunkt Cholon |
Letzte Meldung: Amerika gewinnt Krieg doch noch! Endlich dürfen auch die Vietnamesen den hier filialmäßig im Bau befindlichen Fastfoodkonzern genießen. Mahlzeit! |
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