Dienstag, 12. März 2013

... auch das noch!

So, da ist man wieder zurück aus den Tropen und daheim auf dem Balkon sieht es so aus:

Buddha, frierend
Das kann man nicht wollen, pünktlich zum erneuten Wintereinbruch wieder gelandet.

Noch ein paar letzte Betrachtungen vom Flughafen in Hanoi. Dort verheißen große Schilder: "ceeping Hanoi airport green and clean". Gute Idee. Aber wieso grün, hier gibt es nirgendwo Pflanzen. Und wieso sauber, hier gibt es nirgendwo Mülleimer. Dafür gibt es eine smoking-lounge. Hier lässt sich beobachten, dass jeder dritte (mindestens) über die Stufe vor dem Eingang stolpert. Merkwürdig, diese ist deutlich sichtbar, sogar farblich abgesetzt ist der Boden. Wahrscheinlich liegt es am fehlenden Schild "Achtung, Stufe!"? Oder daran, dass man sich in Asien mit Vorliebe schlurfend fortbewegt, möglichst ohne die Füße anzuheben? Man weiß es nicht. Aber das Jung und Alt sich hier beim Laufen sie Sohlen abwetzt konnte ich wieder zu Hauf feststellen. Merkwürdiges Asien.

Der "gelben Gefahr" bin ich dann auch noch begegnet. Ein Chinese, bekleidet mit roten Schuhen und ansonsten inklusive Rucksack und Mütze ausschließlich mit fünf gelben Kleidungsstücken, die glaube ich alle unterschiedlichen, grellen Gelbtöne zum Besten gaben. Hoffentlich schmeißt niemand Briefe rein, dann würde er wohl komisch gucken mit der überdimensionierten Hornbrille, die das Gesamtbild vervollständigt. Und dann noch zwei Chinesinnen, mit dem obligatorischen Mundschutz, weil es ja gerade an Flughäfen vor bösen Abgasen nur so wimmelt. Der Mundschutz wurde dann zum Rauchen (!) ein wenig zur Seite gezupft. Lustiges Asien.

Es lohnt sich, in Raucherlounges von Flughäfen nicht nur auf's Handy zu starren, wenn einem derlei Kuriositäten live geboten werden.

Noch eine nette Begebenheit: ich war zeitig am Flughafen, der ziemlich vom Schuss liegt. Das Taxi schaffte es in 45 Minuten und ich hatte ordentlich Puffer und noch Zeit, bis der Check-in möglich war. Viel zu tun gab es nicht und Sitzplätze auch keine, daher war ich mehr draußen vor der Tür. Da warteten auch zahlreiche Einheimische. Gleich neben mir hockten einige, gut vorbereitet, die allerlei Obst auspackten und auf einem Stück Pappkarton anrichteten. Ruck zuck war ich eingeladen, grüne Mango in Salz zu dippen und Kumquats zu geniessen. Ich typscher Hockstellung vergnügten wir uns rund um die Pappe, auch wenn längere Unterhaltung leider nicht möglich war. Ich konnte wenigstens eine Runde Zigaretten (555 - die liebte schon Ho Chi Minh) beisteuern. Das ist doch ein schöner Abschluß.

Samstag, 9. März 2013

Herabsteigender Drache

So in etwa ließe sich Halong übersetzen. Die Bucht mit den tausenden von Kalkinseln stellt der Legende nach die spitz aufragenden Zacken des Drachenschwanzes dar, der seinerzeit den Vietnamesen gegen China zur Hilfe eilte und sich alsdann im Meer zur Ruhe begab. Oder so ähnlich, ich habe das nicht mehr genau im Kopf.

Kurz vor dem Heimflug gebe ich nun die letzten Zeilen aus Vietnam zum Besten, auf Fotos wird warten müssen, wer auch immer sie sehen möchte. Ich werde eine Weile brauchen, um mich da durch zu wühlen.

Zurück zur Halong Bucht, da weilte ich zwei Tage lang. Die Schiffe sind natürlich um einiges zahlreicher geworden, auch um einiges komfortabler (meine Kabine schlug ausstattungstechnisch so ziemlich alle Hotelzimmer). Dafür ist natürlich auch der Preis ein vielfaches gestiegen seit dem letzten Ausflug hierher, man begründet das gerne mit dem Plus an "Sicherheit", naja - ein paar Drinks kosten heute mehr als 2004 die gesamte Tour. Die Routen der Schiffe sind insgesamt leider kürzer, als ich das in Erinnerung hatte, dafür kann man jetzt mit dem Kajak herumpaddeln, irgendwelche Events muss es halt haben. Ich wählte einen Anbieter, dessen Route etwas vom Standard abweicht, heißt: man hat nur gefühlt hundert und nicht tausend Schiffe, die den gleichen Weg nehmen. Aber das verteilt sich zum Glück etwas in der weiten Bucht und die "großen" Attraktionen wie eine Höhle, wo dann alle geballt auflaufen, war bei mir nicht im Programm.

Die Bucht ist und bleibt ein landschaftlicher Höhepunkt, einfach traumhaft. Beim dritten Anlauf habe ich sogar schönsten Sonnenschein, was dem Anblick mal vom heftigen Dunst abgesehen nicht abträglich ist. Wir werden auf Hotelniveau verpflegt (das ist dann nur leider immer etwas gemschmacksneutral auf europäische Gaumen abgestimmt). Am zweiten Tag gibt es außerdem einen kleinen Ruderbootausflug in eine abgeschiedene Bucht mit einem der größten schwimmenden Dörfer. Das ist ausgesprochen interessant, mehrere Familien leben dort in schwimmenden Häusern vom Fischfang und der Perlenzucht. Wie Perlen gezüchtet werden, wußte ich bis dahin auch noch nicht, das war lehrreich und fern von jeder Verkaufsveranstaltung, sehr angenehm.

Hier zwei Tage Schiffstour im 2-Minuten Zeitraffer:

Nach der erholsamen Zeit auf See gibt es noch zwei Tage "volle Dröhnung" in Hanoi. Ich bewege mich mittlerweile zielsicher in den Gassen der Altstadt wie ein Fisch im Wasser und sammle noch die letzten Impressionen. Dazu gehört etwa eine Gasse, durch die die Bahnlinie von Hanoi Richtung Küste verläuft, die (wenigen) Züge fahren hier fast durch's Wohnzimmer. Ein paar Garküchen müssen auf Seite geräumt werden, naht die Eisenbahn, alles Routine. Eine motorradgeflutete Hauptstraße vor der Hautür wäre wahrscheinlich lästiger. Ob es Probleme oder schon Unfälle mit dem Zug gab, interessiert mich, ist aber nicht herauszufinden, Englisch wird an Bahnlinien nicht gesprochen.

Eine nette Tradition in Hanoi ist Bia Hoi, das sind Lokale mit vielen kleinen Plastikhöckerchen, die abends aus dem nichts auf die Straße drängen und leichtes Faßbier ausschenken, den Humpen zu knapp 20 Cent. Das ist trinkbar und kleine Snacks wie Schnecken und Muscheln sind auch erhältlich. Man muss nur schnell trinken, denn diese Höckerchen werden auf Dauer doch strapaziös.

Heute besuchte ich noch einmal den See in den frühen Morgenstunden und erfreute mich am Treiben dort. Bei der Gasse der Tabakhändler schaute ich vorbei um noch die vorletzten Dong zu investieren und dann noch im Militärmuseum. Da waren neben Resten von abgeschossenen B52 ein echter ordenbehangener Veteran zu bewundern, der anlässlich von Schulklassenbesuchen Erfahrungsberichte zum Besten gab. Das ganze liegt direkt um die Ecke der deutschen Botschaft, die hier ein ansehnliches Anwesen ihr eigen nennt.

So, jetzt packe ich mein Zeugs und begebe mich auf knapp 13 Stunden Rückflug ins hoffentlich nicht mehr gar so kalte Köln.

Dienstag, 5. März 2013

36 Gassen

Die Altstadt von Hanoi ist die der 36 Gassen, benannt nach den ehemaligen Zunftdörfern, aus denen die Stadt vor langer Zeit begründet wurde. Die Gassen sind nach den früher dort gehandelten Waren benannt, es gibt die Fisch-, die Hut-, die Sonstwas-Gasse. In der Schmiedegasse wird noch heute gehämmert was das Zeug hält, in der Straße der Bambusleitern kann man solche noch finden und in der Papiergasse wird eben solches gehandelt. Überwiegend wird mittlerweile allerdings ein gemischtes Warenangebot inklusive Hotels, Reisebüros und Souvenirshops vorgehalten.

Die Altstadt ist kurz zusammenzufassen: Reizüberflutung pur! Alte wie neue Häuser säumen dichtes Motorradgedränge, Frauen schleppen Tragekörbe mit Obst herbei, das ganze überdacht von vielen schattenspendenden Bäumen und einem unglaublichen Kabelsalat, der Moderne und dem damit einhergegenden Bedarf an Strom und Datenleitungen Rechnung tragend. Während man links das mit geschätzten tausend bunten Bällen beladene Motorrad bestaunt, wird man von rechts fast überfahren (besonders tückisch sind da diese geräuschlosen Elektrokleinbusse, mit denen man hier inzwischen Reisegruppen herumkutschiert), gleichzeitig ertönt der Ruf "one hour?" vom Fahrradrikschafahrer und man bekommt frische Ananas oder gefälschte Zippo-Feuerzeuge angeboten. Zu den Lockrufen vernimmt man gleichzeitig fortlaufendes Hupen, von oben Vogelgezwitscher aus den duzenden Vogelkäfigen, die an jedem Haus hängen und das Gehämmer irgend einer Werkstatt. Der Geruch  von Gegrilltem weht aus der nächsten Garküche herbei, dann wieder Abgasschwaden und aus der Godde der Geruch eben dieser. Hier werden alle Sinne gefordert, ohne Unterbrechung. Je weiter man nach Norden oder an den Rand der Altstadt vordringt, um so geringer ist das Touristenaufkommen und es wird ruhiger, wenngleich die Geschäftigkeit der Altstadt natürlich nie verloren geht. Großartig, ich liebe diese Altstadt. Heute machte ich mich zeitig gegen sieben auf zum Markt, um sechs Uhr abends kam ich zurück und bin ziemlich platt. Die volle Dröhnung Altstadt, von Sonnenauf- bis Untergang, das schafft (Fotos gbit's deshalb heute keine mehr, ganz sicher nicht).

Schön sind immer die spontanen Begegnungen, das Salz in der Suppe des Reisenden. Zum Beispiel heute auf der uralten Long Bien Brücke. Ich stehe da herum, Bremsen quietschen und neben mir springt ein Mann vom Fahrzeug. Ich schätze mal jenseits der 60, mit einem Plastik-Bauerarbeiterhelm behütet, Fahrrad statt Motorrad, dem ersten Anschein nach so der Typ Säckeschlepper auf dem Markt oder Bananenkleinbauer aus dem Umland. Aber nein, Herr Tuy spricht Englisch, Französisch sowie Spanisch und stellt interessierte Fragen über dies und das. Da sieht jemand einen Fremden, unterbricht sein Tagewerk und hält an, um sich einfach ein wenig zu unterhalten - ist das nicht grandios? Wir sprechen eine ganze Weile, er zeigt noch seine frisch auf dem Markt erstandenen Pflanzen, die er für seinen kleinen Garten gekauft hat, als Pensionät hat er Zeit für sowas. Er freut sich, das Fremd Interesse an seinem Land haben, ich freue mich, so wieder ein kleines bischen mehr zu erfahren.

Lustig war auch die Konversation in einer Kaffebude am Markt. Das ging alles nur mit Zeichensprache und - als die Fragen nach Alter, Größe, Kinderzahl aufkamen, mit Hilfe eines Taschenrechners. Bei den Kindern habe ich geflunkert, das hätten dei mir sonst nicht glauben wollen.

Schön ist auch, wenn man hier irgendwo zum zweiten Mal einkehrt, wird man wie ein Stammkunde freudig begrüßt. Kommt man gar zum dritten Mal, geniesst man geradezu die Behandlung, als wäre man ein Staatsgast. Treue wird honoriert, das gilt für den Kiosk an der Ecke ebenso wie für die Suppenküche. Das war im ganzen Land so. Am Bahnhof von Nha Trang wurde ich sogar freudestrahlend von einem Kellner des Lac Canh begrüßt, der Verwandtschaft zum Zug brachte und sogleich allen seinen Gast vorstellte. Viele Menschen, denen man gerne begegnet und die eine Handvoll Taugenichtse, die es natürlich auch gibt, tausendfach aufwiegen.

Schwierig gestaltete sich, für mich überraschend, die Suche nach einem dringend benötigten Barbier in Hanoi. Der erste Straßenfriseur, den ich sah, muss noch deutlich an seiner Preiskalkulation arbeiten, will er mich als Kunden gewinnen. Der nächste dann heute Nachmittag strahlte altesbedingte Erfahrung aus und nannte akzeptable Konditionen. Dieses mal wurde ich zunächst mal fotografiert, offensichtlich sein erster Kunde aus fernen Landen. Leider führte er die Klinge, als wäre ich überhaupt sein erster Kunde. Halb gehäutet, halb verstoppelt trollte ich mich nach der Prozedur. Teuer wäre vielleicht doch besser gewesen, aber weiß man's?

Ein paar alte Hanoier Institutionen habe ich wieder entdeckt. So das Café Giang, wo seit Genrationen nach Hausrezept mit Ei aufgeschäumter Kaffee serviert wird. Klingt dubios, ist aber absolut köstlich. Die enorm gestiegenen Immobilienpreise in der Altstadt haben das Café aus der Nähe des Sees an den Altstadtrand vertrieben. Hätte mir nicht ein Kundiger die Adresse genannt, man würde es niemals finden. Neben einem düsteren Hauseingang ist der Name angepinselt und man muss dem engen Gang folgen, bis sich das Café in einem schummrigen Flur auftut. Ähnlich war das an der alten Adresse allerdings auch. Und genauso ist es beim Restaurant "Bittet". Das wurde Ende der 80er Jahre als eines der ersten privaten Lokale von vier Schwestern gegründet. Die mittlerwiele alten Damen bewirtschaften noch heute den Laden, der immer noch mehr wie ein Nachbarschaftstreff als wie ein Restaurant wirkt. Das ganze befindet sich in einem typischen Altstadthaus. Die sind schmal, nur wenige Meter breit, aber dafür bis zu hundert Meter tief. So muss man hier einem endlosen, schmalen Flur folgen, vorbei an Werkstätten, Wohnräumen, Innenhöfen, bis man ganz am Ende des Ganges (in Kolkata?!) zur Küche gelangt, die man halb durchquert und den dameben liegenden Speiseraum betritt. Dort stehen zwei Reihen Tische und wie eh und je wird Fischsuppe serviert und "Bittet", die vietnamesische Variante des Beefsteak, mit Spezialsauce. Hier bleib die Zeit stehen, für mich ein echter Nostalgiebesuch. Zum Glück ist das Lokal in den meisten Reiseführern nicht zu finden.

Morgen geht es für zwei Tage in die Halongbucht. Mal sehen, ob das Wetter hält. Heute ist es nämlich überraschend am späten Vormittag aufgeklart und es herrschte schönster Sonnenschein. Da war ich angeschmiert mit meiner Fleecejacke, es ging gegen 25°. Wobei, Wolken und Nebel wären mir der Atmosphäre wegen in der Halong-Bucht fast lieber. Ich werde berichten.

Sonntag, 3. März 2013

Die alte Dame

Samstag ging es pünktlich zur letzten Zugfahrt. Ein großes Hallo entstand beim Einsteigen. Bahnsteige in der uns bekannten Form gibt es hier nicht, man muss in der Regel ein, zwei Gleise überqueren mit seinem Gepöngel und dann die zugegeben hoch liegende unterste Stufe für den steilen Einstieg erreichen. Kommod ist das nicht. Eine große französische Reisegruppe, die neben einem Paar in meinem Abteil und mir unseren sowie den angrenzenden Waggon vollständig besetzt, verzögert den Einstieg enorm wegen der komplizierten Hartschalenkofferhereinbeförderung. Ich husche schnell einen Waggon weiter in den Zug und schaffe es zu meinem Abteil, bevor der ganze Gang verstopft ist.

Solche Reisegruppen, ich glaube gleich welcher Nationalität, verströmen immer großes Palaver und eine gewisse Aufgeregtheit. Einer fängt damit an und plötzlich wollen alle frisches Bettzeug und halten den Schaffner auf Trab. Dann der Skandal: im Abteil neben mir wird eine (!) Kakerlake gesichtet, die offensichtlich dem Lüftungsgitter der Klimaanlage in der Decke entfleucht ist. Mon dieu! Jetzt tritt wilde Tatkraft in Gang, dir männlichen Abteilteilnehmer wissen Rat und versuchen, das Lüftungsgitter mit Zeitungen und Klebeband dicht zu machen. Das ist schwierig, da kommt ja Wind raus. Also muss die Klimaanlage im Waggon mehr oder weniger abgeschaltet werden (was mir ein warm-stickiges Abteil beschert, danke). Nach und nach werden dann alle von der ehemaligen Kolonialmacht besetzten Abteile insektensicher abgedichtet und man nötigt den Schaffner noch, irgend ein wahrscheinlich sehr giftiges Zeug zu versprühen. Ich erzähle denen lieber nicht, dass mir im letzten Zug eine (sehr kleine) Maus über den Weg huschte.

Männer, die auf Viecher starren: tapfere Franzosen beim Zukleben des Übels Quelle
Fast pünklich ruckeln wird nach gut zwölf Stunden in den Bahnhof von Hanoi. Dort warten bereits Taxis auf dem Bahnsteig!! Man wundert sich. Ich verlasse vorsorglich erstmal den Bahnhof und die Schlepper und winke auf der Staße den Fahrer meines Vertrauens herbei. Der findet auch zügig zur gewünschten Adresse. Das er mir bei Fahrtkosten von 28.000 und überreichten 50.000 dann 14.000 Wechselgeld zurückgeben will, verstehe wer will. Ich jedenfalls nicht früh am morgen, mittels Disput nötige ich ihn zur weiteren Wechselgeldherausgabe.

Mein Hotelzimmer steht erst ab Mittag bereit. Also lasse ich mein Gepäck schonmal dort und gehe auf Stadterkundung, ich habe erstmal sechs Stunden Zeit. Auch Sonntags erwacht die Stadt morgens um sechs mit dem Sonnenaufgang langsam zum Leben. Ich bekomme ums Eck einen Kaffee, auf winzigem Höckerchen hockend, wie man das hier eben macht. Es ist kalt! Nachdem ich tagelang vor mich hin geschwitzt habe bei feuchter Schwüle, zittere ich nun im Hemd bei 16°. Bewegung hilft, denn auch tagsüber wird es nicht so viel wärmer. Also mache ich mich auf zum Hoan Kiem See, der am Rande der Altstadt von Hanoi liegt. Dort muss man früh morgens sein! Halb Hanoi begibt sich zum Frühsport, vor allem die älteren Semester. Rund um den See trifft man auf Jogger, Gymnastik Praktizierende und Tai-Chi Gruppen zu Hauf. Zu Musik aus einem scheppernden Wiedergabegerät üben sich zudem duzende Paare am Seeunfer in Walzer und tateinamerikanischen Tänzen. Hanoi, morgens um sieben. Der Hammer! Alle sind gut drauf dabei und haben Spass an Zuschauern, das macht wirklich Freude.

Morgengymnastik am See
Sonntags um sieben steht die Welt schon mal Kopf
Vietnam Walz
Die allgemeine Touristenbelästigung durch Waren- und Dienstleistungsanbieter scheint mir nachgelassen zu haben. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass sich die potentiellen Kunden vermehrt haben, ebenso wie der Motorradverkehr, wenn das überhaupt noch geht. Auch für Zweiräder herrscht schon Stau in der Altstadt und es gibt erhebliche Parkplatzprobleme. Mit Autos würde hier gar nichts mehr gehen.

Kreuzungs-Choreografie
Auf dem Weg durch die Altstadt erledige ich sogleich noch ein paar Einkäufe. Traditionelle buddhistische Musik ist nicht erhältlich bisher, aber ich kaufe dafür ein ppar instrumentale CDs mit vietnamesischer Musik. Und zufällig eine Komplettausgabe von "Enigma" (macher kennt es vielleicht, viele mögen's nicht) mit acht CDs und zwei DVDs im schmucken Edelschuber. Wenn das ganze ein Imitat sein sollte, dann ein verdammt gutes und die knapp 20 Euro auf jeden Fall wert. Außerdem erstehe ich eines der alten Propagandaposter, die hier neuerdings in diversen Läden feilgeboten werden und interessante Rückblicke in die vietnamesische Geschichte des 20. Jahrhunderts bieten. Um das Druckerzeugnis mit Onekl Ho knitterfrei heim zu transportieren, lasse ich mir in der Handwerkergasse ein Kunststoff-Wasserrohr zurechtsägen, das taugt optimal.

Weise ist, wer sich warm anzieht
Den Abschluss des Tages bildet ein Besuch im traditionellen Wasserpuppen-Theater. Die Vorführung hat meiner Meinug nach qualitativ nachgelassen gegenüber dem letzen Besuch dort, schön war es trotzdem. Auch ja, noch zum Titel dieses Beitrags: Hanoi sit so etwas wie die alte Dame unter den Städten Vietnams. Hier hat sich sichtlich bei weitem nicht so viel verändert wie in Saigon, alles ist etwas altmodischer und traditioneller, mir gefällt es. Man muss schon genauer hinschauen, um die Entwicklung zu sehen. Zum Beispiel ist auch hier aus dem realsozialistischen "Kaufhaus Nr. 1", wo man früher gegen harte Dollars Konsumgüter erwerben konnte, die dem Volke nicht zur Verfügung standen, mittlerweile eine marmorverkleidete Mall geworden, in der Louis Vuitton (heisst das so?) und Co. Edelgüter feilbieten. Aber das ist nur punktuelles Facelifting für die "alte Dame" Hanoi, für mich nach wie vor eine der schönsten und interessantesten Städte in Asien.

Mal schauen, was als nächstes kommt

Freitag, 1. März 2013

Kaiserstadt

Hué war zuletzt Sitz der vietnamesischen Kaiser, die während der französischen Kolonialzeit aber nur noch eine Grüßonkelfunktion inne hatten. Zudem ist die Stadt Zentrum der vietnamesischen Buddhisten, auch heute noch. Gestern sah ich gar auf Besuch weilende laotische Mönche (die es hier recht selten gibt, da man Vietnam dem traditionelleren Buddhismus des "großen Wagens" folgt, bei dem das Mönchtum keine vergleichbare Bedeutung hat).

Die Stadt präsentiert sich natürlich verkehrsreich, aber ich finde dennoch sehr angenehm und entspannt beidseits des Flusses der Wohlgerüche. Gestern war ich morgens um sieben der erste Besucher der ehemaligen Kaiserstadt in der riesigen Zitadelle am nördlichen Flussufer. Die Kaiserstadt von Peking inklusive verbotener purpurner Stadt wurde hier nachempfunden. Die Zitadelle wurde allerdings während des Krieges fast vollständig zerstört. Im Laufe der Tet-Offensive zum Mond-Neujahr 1968 eroberten Vietcong und Nordvietnamesen die wichtigsten Städte des Südens im Handstreich. Hué konnten sie einen Monat halten und die Zitadelle wurde während der Rückeroberung quasi völlig weggebombt. Mittlerweile gilt sie als Weltkulturerbe und viele Gebäude wurden nach alten Plänen wieder hergerichtet. Dabei geben gerade die verfallenen und überwucherten Teile des Areals dem ganzen eine besondere, fast mystische Stimmung. Die Rekonstruktionen mögen dem Original detailgetreu entsprechen, ihnen fehlt aber die Patina, das hat mehr etwas von Museumsdorf.

Die Kaiserstadt ist weitläufig und ohne Langeweile verbringe ich dort einige Stunden. Vor dem Tor spielt eine Militärkapelle und es gibt großen Aufmarsch, offensichtlich zum 45. Jahrestag der Tet-Offensive. Eigentlich wollte ich zum Thema Krieg noch eine Menge schreiben, aber das sprengt hier gerade meinen Zeitrahmen. Ich begnüge mich deshalb an dieser Stelle mit Oriana Fallaci, die im Buch "Nichts und Amen" einen amerikanischer Militärpfarrer wie folgt zitiert: "Es heißt [wir sind hier], um den Kommunismus aufzuhalten. Nun, da kann ich nur erwidern, dass man den Kommunismus nicht mit Kugeln oder Bomben oder Napalm aufhalten kann. Ideen kann man nicht dadurch töten, dass man Körper tötet, ganz im Gegenteil. Auf den Verstand muss man einwirken, nicht auf den Körper, und im Übrigen können die Amerikaner sich nicht dauernd als Weltpolizei gebärden. In diesem Punkt hat der kleine Alte aus Hanoi völlig recht."

Überwachsener Bau in der Kaiserstadt
Posierende vor dem Mittagstor

Hué hat weiteres zu bieten, etwa eine handvoll Kaisergräber. Diese ließen sich nämlich nach ihrem Ableben prunkvoll in Mausolen im Umland beisetzen, symbolisch auf Hügeln dem Fluss zugewandt. Die Prunkbauten wurden teils schon zu Lebzeiten gebaut und genutzt. Manches erscheint recht kitschig, anderes bemüht der chinesischen Baukunst nachempfunden, allerdings mit einer Art Beton-Charme, der nur in Teilen Entzücken hervorruft. Ich wußte dies, habe heue aber noch einmal drei der kaiserlichen Ruhestädten abgeklappert, kombiniert mit einer Fahrt auf dem Parfümfluss. Mit dabei auch die berühmteste Pagode von Hué, in der auch das berühmteste Auto von Vietnam steht. Mit dem fuhr seinerzeit der Abt nach Saigon, um sich dort unmittelbar nach dem Aussteigen selbst zu verbrennen aus Protest gegen die Unterdrückung des Buddhismus durch das herrschende Regime.

Morgen werde ich mich noch ein wenig in der Umgebung des hiesigen Marktes aufhalten. Da war ich schon kurz und es gibt einiges zu sehen, das Treiben und die abenteurlichen Warentransporte scheinen mir vielversprechend.

Gut Lachen am Markt
Abtransport vom Wocheneinkauf - gekonnt.
Geschleppe allerorten
Längs des Flusses entsteht abends ein kleiner Nachtmarkt mit allerlei Krimskrams. Das tolle dort sind Garküchen, die frischen Fisch und Seafood aller Art zu Spotpreisen auf den Plastiktisch bringen, es ist eine Freude. Dort werde ich später nochmals dinnieren und den feucht-heißen Tag ausklingen lassen.