Mittwoch, 16. März 2011

Unbekanntes Badami

So, die Portion Goa reicht fuer's erste. Schoen geht die Sonne unter und wir packen unser Zeug.


Per Auto fahren wir etwa acht Stunden nach Badami, etwa 360 Kilometer ins Land hinein im Bundestaat Karnataka gelegen. Dort lassen sich erstaunlicher Weise recht wenige Auslaender blicken und es gibt nur ein sehr ueberschaubares Hotelangebot. Das Haus unserer Wahl verspricht von aussen wenig, ueberrascht im Inneren dann aber mit einem geraeumigen und gepflegten Zimmer. Schoen, man freut sich wenn die Erwartungen mal uebertroffen werden.

Badami erweist sich als geschaeftige Stadt, es ist einiges los auf den Strassen, oder vielmehr auf der Strasse und in den Gassen. Wir haben Glueck und den Markttag erwischt. Das bunte Treiben im schoensten Abendlicht ist fantastisch und waere alleine schon den Abstecher in diese Stadt wert gewesen. Einer der Hoehepunkte: in einer photogenen Teebude trinken wir leckeren Chai und die Bezahlung wird dann vehement zurueckgewiesen, wir seinen natuerlich Gaeste!

Die Abendunterhaltung gestaltet sich hier auch lustig. Der Reisefuehrer preist ein "Garden Restaurant" an, was sich aber als typische indische Bar erweist: von Garten keine Spur, dafuer duester, schmuddelig und mit Horden betrinkungswilliger Maenner gefuellt. Herrlich. Das Bier ist eiskalt, die obligatorischen Rauchverbotsschilder haengen hier nur zu Dekorationszwecken und interessieren kein Schwein, das alles stimmt nach anstrengen und heissen Tagen ganz zufrieden.

Am kommenden Tag nutzen wir unseren Fahrer zur Erkundung der weiteren Umgebung. Wieder haben wir ein Riesenglueck. In Pattadakal, wo es sehr alte Tempel (Weltkulturerbe) gibt, finden gerade die Vorbereitungen fuer das Tempelfest statt. Entsprechend sind viele Pilger und Musiker in der Anlage und es werden eifrig Zeremonien abgehalten. Alleine mit den beiden einzigen anderen Tousiten waeren die Gebaeude zwar huebsch, die Stimmung aber wohl doch lanbgweilig gewesen. So stimmt alles und statt einem Museum bekommen wir lebendige Tempel zu sehen.



Musiker und Pilger in Pattadankal
Wir besuchen noch ein paar weitere Orte und Tempel in angenehmer Landschaft. Duenn besiedelt ist die Gegend hier und die historischen Bauwerke stehen in winzigen Doerfern, ganz unspektakulaer und ohne grossen Rummel. In Badami sehen wir uns dann nachmittags auch noch die sehenswerten Hoehlentempel an. Diese wurden vor langer Zeit aus den Felswaenden gemeisselt, was erkennbar sehr viel Arbeit gewesen sein muss.



Touristen am Hoehlentempel

Badami und die Umgebung waren definitiv den Umweg und den Aufenthalt wert. Auf meiner Liste der sehenswerten Orte in Indien ist Badami ein Eintrag sicher. Der Ort Hampi hat dort bereits seinen Platz und dorthin sind wir heute weiter gefahren. Hier ist es schon rummeliger als vor vier Jahren und das Angebot hat sich auch qualitativ erweitert. Das schadet nicht, wir bekommen problemlos ein Zimmer mit ac, was bei der Affenhitze hier von Vorteil ist. Da wir fuenf Naechte bleiben werden, ist eine angenehme Raeumlichkeit fuer die Nacht willkommen.

Sonntag, 13. März 2011

Faul

Viel zu berichten gibt es nicht. Goa ist so eine Art "Indien light", auch schön bunt, schön warm, voller Händlervolk aber ganz entspannend. Viel mehr, als die Zeit zu verbummeln, ist hier nicht zu tun. Wir lassen es uns entsprechend gut gehen und geniessen unter anderem den Fisch, sowas bekommt man in Indien schließlich nicht allzu oft.
Erstaunlich schwierig gestaltete sich die Suche nach einem Fahrer für die geplante Weiterfahrt, wir wollen in Etappen drei Tage unterwegs sein. Nun haben die meisten Taxis hier nur eine Lizenz für Goa und andere Agenturen hatten interessante, leider unannehmbare Preisvorstellungen. Bisher zahlte ich in Indien zwischen 6 und 8 Rupien pro Kilometer für solche Aktionen, hier wurden mir 20 (!) als "cheap price" freudestrahlend angeboten. Nach viel Gelaufe habe ich dann doch noch einen aufgetrieben, der uns für 10 RS /Kilometer fahren wird und einen recht vernünftigen Eindruck macht. So steht der Realisierung der Weiterfahrt wohl nicht im Wege, ich hatte schon befürchtet, das wir uns mit Bussen durchschlagen müssen.
Darauf erstmal ein Bier

Faules Herumlungern am Strand, beliebt bei Mensch und Tier

Freitag, 11. März 2011

Go Goa

Nein, Goa ist keine Insel, wie oft fälschlicher Weise von Unkundigen angenommen wird. Und nein, Goa ist auch keine Stadt. Goa ist der kleinste der indischen Bundesstaaten und einer der jüngsten, noch bis in die 60er Jahre hatten hier die Portugiesen das Sagen.
Dann kamen die Hippies auf der Suche nach Erleuchtung, Palmen und Drogen im Überfluss. Generationen vor uns machten sich langhaarige Auswanderwillige mit alten VW-Bussen auf und durchquerten unter anderem Afghanistan, um mit Goa eines der Paradise dieser Zeit zu erreichen. Diesen Part der Anreise lassen wir aus und besteigen in Mumbai den Nachtzug. Dieser wird natürlich auf dem hinterletzten Gleis geparkt und ist kilometerlang, was entsprechendes Gepäckgeschleppe zur Folge hat. Die Internetbuchung - schneller erledigt als bei der Deutschen Bahn - erweist sich als zuverlässig, unsere Namen stehen ordnungsgemäß auf der Passagierliste unseres Waggons.
Um das weite Spektrum indischer Zugklassen abschließend beurteilen zu können, opfern wir uns und reisen, natürlich auch rein investigativen Motiven, erster Klasse. Da darf man jetzt nicht den schieren Luxus erwarten. Aber immerhin, es gibt ein echtes Abteil mit Wänden statt Vorhängen, die Liegen sind ein wenig breiter und die Lampen funktionieren, alle. Darüber hinaus befindet sich der Waggon in einem ähnlich beklagenswerten Zustand wie alle anderen auch.
Da irgendein Minister des bundesstaates Maharashtra mitreist, hüten bewaffnete Polizisten auch unser Hab und Gut (nicht, das dies nötig gewesen wäre). Wir teilen das Abteil mit einem Qualitätsmanager aus der Farbenbranche und dessen fünfjähriger Tocher. Letztere erweist sich als sprachsicher im Englischen und verfügt über ein Entertainmenttalent, das uns reichlich Kurzweil besorgt. Den Wert internationlaer Sprachgewandheit hat man erkannt, in der Familie zu Hause wird nur Englisch gesprochen.
Nach einer Taxifahrt sind wir nun in Palolem eingetroffen, dem angeblich schönsten und auf jeden Fall einem der "angesagten" Strände Goas. Wir beschließen, hier für ein paar Tage in sinnlosem Luxus dahin zu vegetieren. Am Strand reiht sich Strohhütte an Strohütte und wir beziehen Quartier im idyllischen Dorf der Fischer in einem ausgesprochen netten Guesthouse. Dank Wifi lasse ich hier direkt mal eine Flut der gesammelten Werke aus den letzten Tagen los, Fotos unserer neuen Umgebung werden noch folgen.

Wallah (II)

Kommen wir zu einer weiteren Spezialität in Mumbai, den Dhobi-Wallahs. Das sind diejenigen, die das Wäschewaschen besorgen, überall in Indien. Kaum ein Fluss, wo man sie nicht antrifft, allerdings nicht so geballt wie in der riesigen Metropole.

In Mumbai gibt es die Dhobi-Ghats, die wahrscheinlich größte Freiluft-Wäscherei des Subkontinents. Dort trifft jeden Morgen die Wäsche der Millionenstadt ein und wird von Hand gereinigt, anschließend hängt sie zum Trocknen in einem ganzen Stadtviertel, das von Leinen durchzogen ist. Irgendwie schafft man es auch hier, den Überblick zu behalten und Wäschestücke den richtigen Eigentümern zuzuordnen.

Die Dhobi-Wallahs gehören zu den unteren Kasten, die Arbeitsbedingungen sind grausig und auch das Einkommen liegt weit unten auf der Skala. So fotogen das ganze rüberkommt, nicht umsonst liegen die Dhobi-Ghats inmitten der Slums und sichern kaum mehr als das Überleben für die hier hart Arbeitenden.


Eins bleibt noch interessant: Wäschewaschen ist ausgemachte Männersache in den Dhobi-Ghats.

Wallah Wallah

Für viele auf den Menschen oder seinen Beruf bezogene Bezeichnungen in Indien verwendet man angehängtes "Wallah". So ist etwa der Delhi-Wallah ein Einwohner der Hauptstadt, der Chai-Wallah der Teeverkäufer, der Rikshaw-Wallah der Rikschafahrer.

Ein einzigartiges Berufsbild ist in Mumbai anzutreffen: die Dabbah-Wallahs. Ein Dabbah, auch unter dem englischen Tiffin bekannt, ist ein kleiner Container, bestehend aus mehreren gestapelten Blechdosen, der die verschiedenen Gerichte einer Mahlzeit beinhaltet. Also etwa eine "Etage" mit Daal (Linsen), ein Curry, Reis in einer anderen Dose und natürlich ein Fach für Chappati, das typische Fladenbrot.

Der Dabbah-Wallah ist nun der derjenige, der diese Mahlzeit transportiert. Das läuft folgendermaßen ab:

Früh morgens begibt sich ein Angestellter auf den zeitraubenden Weg per Eisenbahn in sein Büro ins Zentrum von Mumbai. Die Vorortzüge sind vor allem morgens und abends derart überfüllt, dass jedes Gepäckstück nur lästig wäre. Neben der Aktentasche also auch noch das Essen mitzunehmen, käme niemandem in den Sinn und wäre zudem beim Gedränge in das Fahrzeug unnötig hinderlich.

Das Essen muss ja auch noch zubereitet werden. Damit dies nicht in der Nacht passieren muss, begibt sich die ehefrau oder wer auch sonst im Haushalt damit betraut ist, an den heimischen Herd, nachdem der Mann (meistens, es kann aber durchaus auch die beruftstätige Frau sein) das Haus verlassen hat. Inder sind pingelig, was das Essen angeht. Jede Religion, jede Kaste hat ihre eigenen Regeln und Tabus. Reinheit vielen Indern extrem wichtig, nicht auszudenken, das - etwa im Imbiss an der Ecke - ein Kastenloser bei der Zubereitung des Essens tätig war. Nein, da wird lieber auf bewährtes von eigenen Herd verzehrt.

Ist die Mahlzeit fertig, wird sie auch sogleich einem Dabbah-Wallah übergeben, der in den Vororten die Boxen einsammelt und zum Bahnhof schleppt. Dort werden die gesammelten Essenscontainer in die nunmehr weniger überfüllten Züge verladen, es gibt sogar ein eigenes Abteil dafür.

Am Bestimmungsort angekommen, einem der zenralen Bahnhöfe von Mumbai, wird das ganze ausgeladen und ein Heer von Dabbah-Wallahs macht sich daran, die Essen an die Zieladressen zu verteilen. Fahrräder, Handkarren und riesige Holzpalleten werden beladen und in Windeseile durch den chaotischen Stadtverkehr manövriert. Ein echter Knochenjob, bei dem so manches Kilo geschleppt wird und Timing alles ist.

Denn es gibt nur das eine große Ziel: pünktlich um 12:30 Uhr hat jeder Kunde sein Essen im Büro. Und zwar definitv SEIN Essen und nicht das von irgendwem. Das funktioniert faszinierender Weise, zuverlässig und seit mehr als 100 Jahren!


Um sich die ganze Aktion in ihren Ausmaßen vorstellen zu können: es gibt rund 5000 Dabbah-Wallahs, die jeden Tag bis zu 200.000 Mahlzeiten befördern. Eine gigantische logistische Leistung. Erst recht wenn man berücksichtigt, dass etwa 85% der Dabbah-Wallahs Analphabeten sind. Zur Kennzeichnung der Essensboxen wurde daher ein einfacher Code erfunden, der aus Zahlen, Buchstaben, Symbolen und Farben besteht. Dieses System macht eine exakte Zuordnung möglich, in welches Gebäude und welches Stockwerk das Essen gehört, und da landet es auch zuverlässig.

Die Dabbah-Wallahs stammen alle aus einem Dorf nahe Mumbai und üben dieses Gewerbe traditionell aus. Es gelten strenge Regeln für alle, Alkoholkonsum etwa ist tabu und ordentliche Kleidung inklusive einer weißen Nehru-Kappe ist Pflicht. Der Job wird als Gemeinschaftsaufgabe verstanden, jeder leistet seinen Teil um völlige Kundenzufriedenheit und Zuverlässigkeit zu erreichen. Teamwork par excellence, der Auftrag gelingt und jeder Mitarbeiter erhält den gleichen Anteil am Umsatz. Damit kommt ein Einkommen von etwa 5000 Rupien zustande, für indische Verhältnisse ist das nicht so schlecht.
Zwischenzeitlich wurde die Organisation der Dabbah-Wallahs zertifiziert nach ISO und erfüllt zudem, wie nur wenige High-Tech-Unternehmen, die Six Sigma Kriterien mit einer Traumbewertung für Zuverlässigkeit von 99.9999999. Das heisst, auf etwa sechs Millionen Vorgänge gibt es einen Fehler. Dabbah-Wallahs hielten sogar schon Gastvorträge an der Business School in Harvard und warfen ihren strengen Zeitplan selbst dann nicht über den Haufen, als Prinz Charles vor einigen Jahren zu Besuch kam.

Da der Service erschwinglich ist und vor allem das bevorzugte Essen liefert, ist die Konkurrenz durch Fastfood und Imbissläden in der Stadt kaum zu fürchten. Nachahmer haben offenbar auch wenig Chancen, in anderen Städten konnte sich das Geschäft nicht vergleichbar etablieren. Nur die "echten" Dabbah-Wallahs in Mumbai haben Effizienz, Teamwork und absolute Zuverlässigkeit derart verinnerlicht, dass auch zukünftig an sechs Tagen in der Woche die Bahnhöfe von Mumbai mit den markanten weißen Kappen und Palletten von Dabbahs überflutet werden.

Donnerstag, 10. März 2011

Dharavi

Daharavi ist ein Stadtteil von Mumbai suedlich des Flughafens, mitten in der Stadt, der als einer der groessten Slums Asiens gilt. Bekannt wurde Dharavi durch den Film "Slumdog Millionaire", der hier teils gedreht wurde.

Wir besuchten dieses Viertel. Zuvor hatte ich um drei Ecken Kontakt per Mail zu einem der Bewohner, Mohammad, der sich als Guide fuer Besuchswillige anbietet. Das schien mir keine schlechte Idee, denn die Orientierung in den Gassen dort ist alleine kaum moeglich. Also haben wir uns nun telefonisch verabredet und sind zur nahe gelegenen Bahnstation gefahren.

Die Vorortzuege in Mumbai haben ihren eigenen Charme, der im wesentlichen darin liegt, dass sie meist total ueberfuellt sind. Wer mit will, muss sich unter erheblichem Ellenbogeneinsatz in die alten, aber unkaputtbaren Waggons draengeln, was wir erfolgreich tun. Fuer wenige Cent werden wir dafuer quer durch die riesige Stadt befoerdert und erreichen Dharavi. Dort begruesst uns erst Mohammad, dann ein "Welcome" auf der ersten Wellblechhuette.



Man sollte jetzt nicht meinen, dass Slum hier Not und Elend pur bedeutet, dann waere so ein Besuch auch eher fragwuerdig. Nein, wir haben es hier mit dem - zugegeben sehr einfachen - Lebensraum von einer Millionen Menschen zu tun. Es gibt unzaehlige kleine Werkstaetten und Gewerbe, der Slum erwirtschaftet jaehrlich angeblich ueber eine Milliarde Dollar. Wir sehen Faerber, das Recycling von Plastik, Toepfer, Papierhersteller und so weiter. Vor allem fuer das Ledergewerbe ist das Viertel bekannt, sogar aus den guten Gegenden Mumbais kommen die Leute, um Guertel und andere Lederwaren zu erwerben.



Wir fuehlen uns nicht als "Stoerfaktor", sondern werden wie immer recht freundlich aufgenommen von den Leuten. Alle haben etwas zu erzaehlen oder zu zeigen, hier ist man oft stolz auf das erreichte, nicht zu unrecht. Es gibt natuerlich auch Teeverkaeufer, Restaurants, sogar Banken. So sehr unterscheidet sich Dharavi nicht von anderen einfachen Wohngegenden in Indien. Es wirkt nur durch die Ausmasse geballt und zunaechst erschrekend, ein endloses Meer aus kleinen Haeusern und Huetten, dichtgedraengt, mit winzigen Gassen dazwischen.



Wir besuchen auch Mohammads Familie, sein Vater arbeitet in seiner kleinen Schneiderwerkstatt. Diese, ein Raum von vielleicht 20 Quadratmetern, beherbergt allerdings auch fuenf Menschen, die hier leben. Dafuer werden monatlich 2000 Rupien (etwa 30 Euro) Miete an einen der "Slumfuersten" gezahlt. Selbige vermieten hier Boden, der ihnen selbst nicht gehoert. Dafuer regeln sie alles noetige mit den Behoerden, bestechen, sorgen fuer die Stromversorgung und weitere Infrastruktur. Solange, wie der eigentlich illegale Slum nicht abgerissen wird. Das droht Dharavi seit einigen Jahren. Das Land, mittlerweile im Herzen der Stadt, waere Milliarden wert fuer Investoren. Doch bisher konnten sich die Millionen Bewohner erfolgreich gegen eine Umsiedlung in Neubauten wehren. Diese liegen naemlich dann meist weit ausserhalb am Stadtrand und den Leuten wird damit die Erwerbsgrundlage genommen. Trotz aller Probleme, etwa der mangelhaften Kanalisation, leben sie lieber hier, wo sie alles selbst geschaffen haben und die Stadt, die vielen Arbeit bietet, gut erreichbar ist. In Neubauten koentte man ausserdem nur wohnen, wo sollen dann die ganzen Werkstaetten betrieben werden, fragen die Menschen zu recht.

Fuer uns war es ein sehr eindrucksvoller Nachmittag, der wieder Einblicke in eine voellig andere und unbekannte Welt geoeffnet hat.

Dienstag, 8. März 2011

Bollywood

Mumbai galt lange als die Hauptstadt des indischen Films. Diesen Platz nimmt zwar seit einigen Jahren Chennai (Madras) ein, aber dennoch werden in Mumbai mehr Filme als in Hollywood produziert. Entsprechend zahlreich sind die Kinos, oft alte Art-Deco-Paläste. Das wollten wir miterleben und haben uns heute abend Karten für das alteingesessene Regal-Kino erworben.

Natürlich haben wir uns für indisches Kino entschieden, der Film unten auf dem Plakat sollte es sein. Die Plätze auf dem Balkon kosten einen guten Euro. Bevor Eintritt gewährt wird, sind auch hier diverse Sicherheitschecks erforderlich. Natürlich gibt es denn an der jede stehenden Metalldetektor, der hier wie auch sonst natürlich nicht funktioniert, sondern als abschreckendes Dekorationsmöbel sein Dasein fristet. Das Kino ist riesig, wir erwerben traditionell Popcorn und bekommen einen Platz zugewiesen. Den darf man nicht einfach selbst wählen, das könnte ja auf der Tribüne mit hundert Plätzen und geschätzten 20 Besuchern Chaos auslösen.
Bevor es losgeht - wie bei uns - Werbung. Die fokussiert allerdings im wesentlichen auf gesundheitliche Aufklärung. Dann wird ein Zertifikat eingeblendet, welches den Nachweis erbringt, dass wir hier eine legale Kopie des Filmwerkes zu sehen bekommen werden. Eines ist noch zu erledigen, alle aufstehen, die Nationalhymne wird eingespielt, nebst hübsch animierter Flagge.
Jetzt aber, der eigentliche Film. Dem können wir auch ohne Hindikenntnisse einigermaßen folgen, der Handlungsstrang ist immer mehr oder weniger der gleiche: Sohn der Famlie hat im Ausland studiert - am besten noch den Doktor gemacht (naja, nicht in Deutschland, damit wäre nicht mehr aufzutrumpfen) - Heimkehr, stürmische Begrüßung der Familie - Treffen der auserwählten Braut (in dieser Szene spielte im Hintergrund eine Kuckucksuhr mit, großartig) - die will ihn nicht - es gibt noch einen bösen Gegenspieler und einen tolpatschigen Freund. Dann nimmt die Geschichte ihren Lauf, ein Getanze und Gesinge führt den Helden immer mehr in Richtung Familienglück. Ende gut, alles gut. Hoffen wir, denn wir sind nach einer guten Stunde in der Pause entschwunden, für uns reicht die Dosis Bollywood erstmal.
In unserem Nachbarslum, wo wir gestern schon umherstromerten, waren wir auch heute wieder unterwegs. Auf zum Barbier, ein paar Fotos anfertigen, was man so macht. Die ersten Vorboten des Holi-Festes (dazu später mehr ...) gab es auch schon zu sehen, sehr lustig. Keine Ahnung, wie die das hinbekommen.

Montag, 7. März 2011

Grossstadt, gut sortiert

So, planmaessig sind wir gestern in Mumbai, der wohl amtierenden groessten Stadt der Welt , eingetroffen. Hier vermag der Inder wieder auf's neue zu erstaunen. Das ganze ist hier recht geordnet, der Verkehr ist nicht uebermaessig und verlauft zudem nach erkennbaren Regeln. Es gibt Ampeln! Diese werden befolgt!! Man hupt, natuerlich, aber nicht dauernd. Erstaunlich.

Unser Hotel wartet mit einem Zimmer auf, das zumidest in Sachen Groesse palastartige Zustaende realisiert. Als Bonus funktionieren sogar die Leselampen am Bett, so unglaublich das Indienkennern auch erscheinen mag. Einen Balkon haben haben wir auch mit Blick auf eine beschauliche besser-Leute-Strasse, wo morgens die Mittelklassefahrzeuge liebevoll geputzt werden. Das alles freut, bis auf den Preis und die Taube, die auch auf unserem Balkon wohnt und alles vollscheisst. Ueberhaupt, hier gibt es zahlreiche Baeume und noch zahlreichere Voegel, die es gerne auf uns abgesehen haben.

Unweit der Unterkunft findet man wieder das normale Indien mit eher unorganisierten Marktgassen. Auch der Stadtstrand erfreute uns heute zum Sonnenuntergang. Natuerlich es kein Badestrand, sondern eine Muellkippe mit Hochseeanschluss (ich uebertreibe ein wenig), die keinesfalls zu irgendwelchen Wassersportarten einlaed. Macht nichts, dafuer gibt es kirmesartiges Treiben, bunt und typisch. Das Fotografenauge freut es allemal.
Chowpatti Beach in Mumbai

Mehr in Wort und Bild folgt bald, am liebsten wenn wir einen Ort mit W-Lan finden. Indische Tastaturen strengen an.

Bis dahin sagen wir Koelle Alaaf, die Karawane zieht jetzt weiter (gleich macht der Wineshop zu).

Freitag, 4. März 2011

Schon wieder Indien?



Eine Frage, die mir zuletzt häufiger begegnete. So fragt der Laie, hier der Versuch einer Antwort.

"Wer einmal nicht nur mit den Augen [...], sondern mit der Seele in Indien gewesen ist, dem bleibt es ein Heimwehland."

Dies schrieb Hermann Hesse vor fast hundert Jahren. Wie recht er hatte. Viele kehren nach dem ersten Besuch Indien den Rücken, überfordert, vielleicht entsetzt, Indien macht es nicht leicht. Einige kehren immer wieder zurück, Indien berührt ein Stück ihrer Seele. Zu denen will ich gehören, unbedingt.

Der "Planet Indien" will - muss - mit allen Sinnen entdeckt und aufgesogen werden:
sein unglaublicher Schmutz und Verfall und seine allgegenwärtige und verborgene Schönheit; sein Elend, seine himmelschreiende Armut ebenso wie sein Reichtum und seine Gabe, zu teilen; sein unbeschreiblicher Gestank und seine betörenden Düfte; sein nervenzerreißender, allgegenwärtiger Lärm genauso wie seine schönen Klänge und seine Stille, die nur findet, wer hinreichend sucht; sein Staub und atemraubender Smog und seine herrlichen Farben; sein ständiges über's-Ohr-hauen gleichermaßen wie seine oft erlebte Gastfreundschaft; seine Scharlatane ebenso wie seine Heiligen; seine räumliche Enge und geistige Weite; seine kraftzehrende Anstrengung und Hitze, die nichts ist im Vergleich zur erlangten Leichtigkeit.
Dies alles gehört zu Indien und nichts davon will ich missen.

Indien ist kein Paradies auf Erden, ganz sicher nicht. Doch wer die Mühe auf sich nimmt und sich Indien mit allen Sinnen nähert, wird belohnt. Immer.