Montag, 8. Oktober 2012

Seidenstraße

Was wohl ein jeder kennt im Zusammenhang mit Usbekistan ist die Seidenstraße. Über die Handelswege zwischen China, Arabien und Europa transportierten Karawanen Jahrhunderte lang Waren, Geschichten und Wissen in beide Richtungen und ermöglichten Reichtum und kulturelle Blüte. Mitten zwischen den Gebirgen des Tien Chan und Pamir und zwischen den endlosen Wüsten Kysylkum und Karakum müssten den geplagten Reisenden die Städte Buchara und Samarkand wie Wunder erscheinen. Nicht umsonst nehmen die Märchen aus 1001 Nacht ihren Ausgang in Samarkand, einer über 2700 Jahre alten Stadt.

Basare in Buchara
Zwischenzeitlich bin ich wieder auf dem heimischen Sofa angekommen und zu usbekischer Instrumentalmusik schreibe ich diese abschließende Betrachtung. Die Erinnerung an die beiden großartigen Oasen liegt nur wenige Tage zurück. Buchara ist die vielleicht orientalischste Stadt Usbekistans. In der Altstadt würde man sich frühmorgens oder nachts kaum über die Ankunft einer Karawane wundern, die Kulisse wirkt wie ewig unverändert.

Hat gut Lachen: persischer Gewürzhändler
Am Tage kommt die Karawane der Reisenden und die Basare längs der Straßen werden rasch gefüllt mit Tuch und Tand, wie es Europäer gerne nach Hause schleppen. Wollte man spotten, könnte man Unsbekistan die aufwndigst gestalteten Souvenirgeschäfte der Welt bescheinigen - viele der ehemaligen Medresen und Moscheen dienen heute profan dem Andenkenverkauf. Sein das Kunsthandwerk noch so schön, man wird des Anblicks bald überdrüssig. Dennoch kann ich mich den angepriesenen Dingen auch nicht ganz entziehen, zu Recht. Ich erwerbe einen der klappbaren Koranständer, aus einem einzigen Stück holz gefertigt, Technik, die begeistert. Auch echter persischer Safran ist (neben den zahlreichen Imitaten) zu erwerben und wird der heimischen Küche zugeführt.

Höchst kunstvoll sind Koranständer
Samarkand ist der Abschluss der Reise und unbestrittener Höhepunkt. Großartigere Zeugnisse persisch-islamischer Baukunst wird man lange suchen und allenfalls in Isfahan finden. Der Registan (Sandplatz) mit seinen umgebenden drei Koranschulen ist ein dermaßen harmonisches Gesamtkunstwerk, das ich den Blick kaum abwenden kann. Mehrfach kehre ich dort hin zurück, alleine diese Anlage rechtfertigt den Besuch des Landes. Ebenso begeistert das Mausoleum Gur Emir, quasi ein Vorläufer des Taj Mahal und vom gleichen Baumeister gefertigt. Die Kunstwerke entstanden in einer Zeit, als sich das Reich Tamerlans, dem heutigen unsbekischen Nationalhelden, von Istanbul über Persien bis nach Delhi erstreckte.

Usbekische Reisende am Registan

Das Campingmodell von Lada konnte sich international nicht durchsetzen
Heute wird die Seidenstraße auch als "Opiumstraße" bezeichnet. Der größte Teil der Droge kommt aus Afghanistan und Tadschikistan über die alten Handelswege. Unwegsame Gebirge und Wüsten machen die Kontrolle auch heute noch nahezu unmöglich, auch wenn Razzien in Usbekistan häufig zu beobachten sind. Auch dort wird, so hört man, der Schlafmohn heimlich angebaut. Hauptexprtgut bleibt aber die Baumwolle, hier gehört Usbekistan zu den weltweit größten Erzeugern. Im Moment ist Erntezeit und in den Ebenen zwischen Samarkand und Taschkent sind die Felder gefüllt mit Pflückern. Anhalten zum Fotografieren ist kaum möglich, es könnte den Busfahrer in Schwierigkeiten bringen. Denn offiziell hat man der Kinderarbeit auf den Feldern abgeschworen, tatsächlich helfen aber teils wohl nach wie vor Schulklassen bei der Ernte. Fotografiert haben möchte man das verständlicher Weise nicht. Die Pflücker werden zwar entlohnt, sind aber unter Umständen nicht immer ganz freiwillig auf den Feldern tätig, um das nach wie vor staatlich monopolisierte "weiße Gold" einzufahren. Aus der Baumwollkapsel werden übrigens mehr als 40 Produkte hergestellt. Neben der bekannten Baumwolle werden unter anderem Teirfutter, Kosmetika und aus den Samen das Baumwollöl gewonnen. Letzteres ist Bestandteil der nationalen Küche und könnte ursächlich sein für die ein oder andere Magenproblematik, die auch Teile unserer Reisegruppe heimsuchte.

Sachkundige wissen: gegen allerlei Übel hilft Ausräuchern
Festzuhalten bleibt, das Usbekistan an angenehm bereisbares sekuläres Land ist. Von fundamentalistischen Auswüchsen wie im Iran und anderenorts ist hier nichts zu sehen. Musikalische Darbietungen erfreuen sich ebenso großer Beliebtheit wie rauschenden Feiern mit hinreichend Wodka. Von Demokratie mag man hier freilich nicht sprechen, aber allgemein herrscht große Willigkeit, aus dem Land etwas zu machen, und zwar keinesfalls einen Gottestaat.

Allah aus der Feder des Kalligrafen
Der Aufenthalt von knapp zwei Wochen erwies sich als ausreichend. Abwechselung hätte vielleicht noch der (aufwändige) Besuch des Aralsees gebracht oder die Berglandschaft des Ferganatals ganz im Osten. In der Wüste hat man's nach diversen Kilometern Wegstrecke gesehen und auch blauer Kuppeln, seien sie noch so hübsch, wird man dann doch überdrüssig. Ein "Orient-Feeling" stellt sich nur begrenzt ein, dafür ist es hier einfach zu ruhig. Kein Gehupe, keine lärmenden Basare und Straßenmärkte, alles geht sehr gesittet seinen Gang und jede Gasse ist bitzblank gefegt. Das mutet fast schon unheimlich an, der Wille zur Alltagsanarchie, sollte er überhaupt vorhanden gewesen sein, wurde scheint's durch die Sowjetzeit erfolgreich eliminiert. So wirken auch die russisch-sozialistisch geprägten modernen Stadtteile gepflegt, aber weder interessant noch besonders lebendig. Dafür wurde das Auge anderweitig verwöhnt und der Erholungswert eines Aufenthaltes in Usbekistan ist unbestritten.

Montag, 1. Oktober 2012

In der Oase

 Zwischenzeitlich gab es teils kein Internet und vor allem fehlte die Zeit. Der abendliche Vodka erhielt den Vorzug vor schreibender Tätigkeit, nachlässig aber zu entschuldigen, ist doch Urlaub. Mal sehen, was noch nachgeholt werden kann.

Aufstehen war (am Samstag) um 4:30 angezeigt, herrje. Noch vor Sonnenaufgang geht es zum nagelneuen Inlandsflughafen und von dort rund eineinhalb Stunden nach Urgench. Von dort ist es nicht weit nach Xiva an der Turkmenischen Grenze, eine uralte Oasenstadt. Heute ist es das Rothenburg Usbekistans, eine Art bewohntes Freilichtmuseum. Die Altstadt, komplett von alter Stadtmauer umschlossen, wurde liebevoll restauriert. Nun sieht alles aus wie neu (ist es auch überwiegend), aber das haben sie gut hinbekommen. Eher stören die Millionen Souvenirstände und Reisegruppen, die sich über die Gassen ergießen. Nun gut, ich will nicht meckern, die Stadt ist schon ein sehenswertes Gesamtkunstwerk und es geht noch verhältnismäßig ruhig zu. Das liegt unter anderem an der Mentalität der Usbeken, die von jeglicher Aufdringlichkeit Abstand nehmen, sehr angenehm. Alltagsleben lässt sich in den alten Wohngassen im Norden der Stadt beobachten. Dort ist auch die Stadtmauer zu erklettern und ermöglicht tolle Blicke über die Kuppeln und Minarette, die farblich aus dem lehmbraunen Stadtbild ragen. Türkisblau wirkt hier keinesfalls kitschig, ich finde das sehr stimmig.
Blick über die schöne Oase
Brote frisch aus dem Lehmofen schmecken verdammt gut

Alte Leute in der alten Stadt
Ein Problem hierzulande ist Geld. Nicht, weil es nicht vorhanden wäre, im Gegenteil, es gibt zu viel, zumindest mengenmäßig. Für einen Euro erhält man 3000 Sum. Da der größte Schein ein 1000er ist, kann man zum Geldwechseln eine Plastiktüte mitbringen. Wie machen die das hier, wenn die einen Kühlschrank kaufen? Oder ein Auto?? Mit dem Sattelschlepper zum Bezahlen anrücken? Fest steht, das Bankräubern hier keine aussichtsreiche Berufskarriere offen steht. Dafür lachen sich die Hersteller von Geldzählmaschinen ins Fäustchen, die hat hier jeder Kiosk.

Für einen Euroschein werden Bündel 1000er überreicht.
Von Xiva aus wird noch ein Ausflug in die Wüste unternommen zu dort befindlichen Wehrburgen, die vor über 1500 Jahren das damalige Reich sichern sollten und dies auch eine ganze Weile erfolgreich machten. Von den Lehmziegelfestungen ist naturgemäß nicht mehr so viel übrig, aber alleine die Lage in der Wüstenlandschaft lohnt das erklimmen der Hügel.

Sandburgen
Noch mehr Wüste dann heute: die 450 Kilomater nach Buchara führen mitten durch die Kysylkum, die "Rote Wüste". Der streckenweise nur rudimentär vorhandenen Straße geschuldet dauert das rund 10 Stunden. Bis auf ein paar heruntergekommene Raststätten gibt es nicht allzu viel zu sehen. Links Wüste, rechts Wüste, so ist das halt.

Herumlungerndes Maultier am Wegesrand
Der erste Streckenabschnitt läuft parallel zum Amurdarya, einem der beiden großen Flüsse des Landes, der hier die Grenze zu Turkmenistan bildet. Das bedeutet Grn am Wüstenrand und erfreuliche Ausblicke. Der Fluss versickert mittlerweile in der Wüste, früher mündete er in den Aralsee, der aber damals auch noch über 100 Kilomater näher dran war. Der ehemals viertgrößte See der Erde ist mittlerweile zur Pfütze verkümmert, eine riesige ökologische Katastrophe. Andererseits wird das Wasser der Zuflüsse dringend für die Landwirtschaft benötigt und rückgängig lässt sich ohnehin nichts mehr machen.

Der Aralsee verschwindet
Am Abend dann treffen wir in Buchara ein, neben Samarkand die bedeutendste Stadt auf diesem Abschnitt der Seidenstraße. Die beiden Oasen liegen in Mitten von Wüsten etwa auf halber Strecke zwischen China und Europa, was ihre Bedeutung zur Bütezeit der Seidenstraße schnell erklärt.

Übersicht zu den Hauptrouten der Seidenstraße