Freitag, 3. Januar 2020

Kyaikhtio

Nun also Goldener Fels (Kyeikhtio) zum zweiten. Der letzte Besuch hat mir so gefallen, dass ich hier unbedingt mal auf dem Berg übernachten möchte. Also lasse ich mich wieder hinten auf einen Lastwagen quetschen und los geht die wilde Fahrt. Der Wallfahrtsort ist nicht, wie befürchtet wegen Feiertag, überfüllt, aber üblich gut besucht, die Lastwagen füllen sich daher zügig mit den benötigten 50 Passagieren. Oben angekommen ist es doch ein ziemliches Gelatsche mit Gepäck, vor allem die letzten vielleicht 500 Meter, die man Barfuss laufen muss. Der Boden hat sich schon den ganzen Tag schön backblechheiß aufgewärmt und man hat Sorge, sich die Füße zu verkokeln, Schattenplätze sind rar.

Dorf und Pilerherbergen auf der Rückseite des Berges

Ich suche erst einmal das von mir gewählte Hotel auf. Hotels gibt es nur wenige auf dem Berg und entsprechend werden Fantasiepreise verlangt. Das Yoe Yoe Lay, in dem ich absteige, ist mit 80 Dollar noch ein Schnäppchenfür das Gebotene würde man sonst aber allenfalls 20 zahlen. Meine Zelle ist komplett bis unter die Decke gefliest, verfügt aber über ein duchaus bequemes Bett und eine Klimaanlage (die hier oben kein Mensch braucht, ich freue mich eher über die kuschelige Wolldecke). Dafür wohne ich direkt neben dem Heiligtum, oder vielmehr: unter dem Heiligtum. Dank steiler Hanglage liegt mein Zimmer geschätzt sechs Stockwerke und ebensoviele Treppen unter dem Plateau mit dem Goldenen Felsen. Die laufe ich dann auch bald wieder rauf, um den Sonnenuntergang und das bunte Treiben am Felsen zu beobachten.

Das Heiligtum im Abendlicht

Pilgerscharen haben sich inzwischen häuslich eingerichtet mit Bambusmatten, bunten Decken und teilweise mit Zelten. Matten und Decken kann man hier oben mieten, allerdings nicht als Ausländer, denen ist Campieren untersagt. Aber die sind hier ohnehin selten, auch in meinem Hotel.

Nachtlager werden improvisiert
Wer kann, bettet sich auf Rosen
Zeit für's Sunset-Selfie

Zum Sonnenuntergang gibt es eine Tanzdarbietung auf der Plattform mit duzenden Trachtenträger*innen. Ob das zum "Normalprogramm" gehört oder heute etwas spezielles ist, kann ich nicht herausfinden. Die Sonne versinkt über der tollen Berglandschaft und unterhalb des Felsens werden hunderte von Öllichtern entzündet, die vorher schon aufwändig zu burmesischer Schrift drapiert wurden. Um was für Lospreisungen es sich handelt, kann mir leider auch niemand sagen.

Gesangsdarbietung
Vergoldungstätigkeit im letzten Sonnenlicht
Bald dominiert das Licht von Kerzen...
... und Öllampen
Erstrahlt auch Nachts:  der berühmte Felsen

Abendessen gibt es im Hotelrestaurant, nicht weiter erwähnenswert. Verwundert entdecke ich Bier auf der Speisekarte (und härtere Sachen), auf dem heiligen Berg gilt natürlich Alkoholverbot. Danach gefragt schüttelt der Keller eilig den Kopf, nein Bier gibt es nicht. Er fügt aber ebenso schnell hinzu: wenn man allerdings eins kaufen und auf dem Zimmer trinken wolle, ja dann gäbe es wahrscheinlich doch Bier. Ich liebe diesen Pragmatismus und nehme nach dem essen ein in Plastiktüten gewickeltes Kaltgetränk mit und wir haben alle den Anstand gewahrt.

Am nächsten Morgen stehe ich gegen fünf auf. Noch ist es dunkel und bis auf die sprichwortlichen Hähne still. Doch pünktlich um fünf erschallt vom Kloster auf der Bergspitze gegenüber lautsprecherverstärkter Mönchsgesang und erinnert die Pilger, dass sie ja nicht zum Spass hier oben sind. So erwacht der ganze heilige Ort schnell zum Leben, Sonnenaufgang gucken, das Zeug zusammenraffeln und schnell noch ein paar Opfergaben am Felsen dargebracht. Man sieht Daunenjacken und am frühen Morgen sind die Marmosfliesen eiskalt, auch nicht besser. Hier wurde es nachts doch recht frisch und ich krame die Fließjacke hervor.

Der Morgen dämmert über den Bergen
Morgenzeit ist Zeit für Opfergaben
Spaß am Fernglas
Aufbruch unter'm Nat-Schrein

Dann pilgern die Scharen wieder gen Lastwagenstation zur Abfahrt, es herrscht ein herrliches Chaos. Ich warte mal noch etwas ab bei einem Kaffee, aber es ist kein Ende abzusehen und ich schließe mich der Flutung der Lastwagen an. Üblicher Weise müssen auf jede Bank sechs Personen, was schon eng ist. Wir sind jetzt sieben plus drei Kinder, herrlich. Da verruscht man keinen Zentimeter und sei die Kurve noch so steil. Die Mönche vor mir sitzen halb auf meinen Knien, ich bin allerdings bewegungsunfähig. Das heimische Volk scheint diese Art des Reisens gewohnt und der allgemein guten Laune tut es keinen Abbruch. Die Frau neben mir zaubert irgendwie einen Beutel hervor und verteilt Obst an die umsitzenden, leckere säuerliche Beeren, die ich niemals vorher sah. Unten angekommen telefoniere ich erfolgreich meinen Fahrer herbei, auch wenn wir gegenseitig kein Wort verstehen.

Am Wegesrand zum Lastwagenbahnhof

Sofern man keine Abneigung gegen Wallfahrtsorte hat, kann ich dann Goldenen Felsen atmosphärisch nur empfehlen. Bei der Weiterfahrt stoppen wir gleich in der Kleinstadt nahe des Felsens. Dort ist nun auch ein sitzender Reisenbuddha im Bau, ganz im Trend. Man wundert sich, dass alle Weltreligionen Bescheidenheit predigen, gegenüber prozigen architektonischen Schwanzvergleichen aber durchaus aufgeschlossen sind.

Unterwegs:

Riesenbuddha mit Arbeitern
Die korrekte Toilettenbenutzung ist an der nagelneuen Raststätte obligatorisch
Dies noch einmal allen hier Lesenden!
Läuft!

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