Dienstag, 20. Januar 2015

Hermann

Hermann Hesse schrieb einst, nachdem er 1911 Sri Lanka bereiste: "Kandy selbst aber ist der Rest einer sehr alten Königs- und Priesterstadt, und neuerdings ist es dem Gelde der Enländer gelungen, ein bequemes, sauberes, verdorbenes Hotel- und Fremdennest daraus zu machen. Trotzdem ist Kandy schön; denn mit allem Gelde und allem Zement lässt sich das strotzende Wachstum dieser Landschaft nicht kaputt machen." [Hermann Hesse, Das Paradies auf Erden]
Das trifft es auch heute noch ganz gut. Wenn er allerdings vom "unablässigen Zudrängen der Kutscher, Rikschakulis, Händler und Bettler, sie sich kriechend und schamlos anbieten" spricht, so hat sich die Lage doch merklich verbessert, in Sachen Aufdringlichkeit liegt der Inder uneinholbar weit vorne. In Kandy ging es nach meinem Erleben doch recht ruhig und gemächlich zu.

Von der schönen nach wie vor vorhandenen Landschaft sehe ich noch das ein oder andere auf der morgentlichen Zugfahrt nach Colombo. Ich hatte ein Ticket der 2. Klasse erworben, da man dort Fenster und Türen unterwegs öffnen kann, in den klimatisierten Abteilen geht das nicht. Die Fahrkarte beinhaltet das Anrecht auf einen schrundigen, schiefen Kunstledersitz in einem Waggon, der sicher auch zu Hermann Hesses Zeiten schon die Strecke befuhr. Der Zug ächzt und klappert und rumpelt ohrenbetäubend mit allem, was zur Verfügung steht. Dafür bewegt es sich überwiegend mit mehr als Schrittgeschwindigkeit, denn es ist ein Intercity (!). Will heißen, er hält nicht an jeder Kokospalme und schafft es tatsächlich in knapp drei Stunden in die Hauptstadt. Pünktlich, es ist ja nicht die Deutsche Bahn. Unterwegs lässt sich in der offenen Tür hocken und dem Nebel beim Aufsteigen, der Sonne beim Aufgehen zuschauen, was will man mehr. 
Hier ist sogar mal Gegenverkehr möglich.
Frühmorgens Blick ins vorbeifahrende Grüne.

In Colombo steige ich im "Grand Oriental" aus dem Jahr Achtzehnhundertsoundsoviel ab. Seinerzeit eine der mondäneren Herbergen Asiens beherbergte es unter anderem Karl May (ja, der ist tatsächlich auch gereist, davon später mehr). Der Blick hundert Jahre zurück bietet sich also vorbereitend an, hier noch einmal HH. Schön fand ich auch: "[...] die Engländer sind reich und geniale Kolonisatoren, und es macht ihnen ein Hauptvergnügen, dem Untergang der von Ihnen erdrückten Völker zuzuschauen. Denn dieser Untergang geht überaus human, freundlich und fröhlich vor sich, er ist kein Totschlagen und nicht einmal ein Ausbeuten, sondern ein stilles, mildes Korrumpieren und moralisches Erledigen. Immerhin, dieser englische Betrieb hat Stil, und Deutsche oder Franzosen würden es viel schlimmer und dümmer machen, wie ja überhaupt der Engländer der einzige Europäer ist, der draußen unter den Naturvölkern nicht komisch wirkt." 

Das milde Korrumpieren hinterließ die Eisenbahn, den Tee und natürlich die Bürokratie. Und komisch sind wir aus Sicht der Asiaten wahrscheinlich alle zusammen auch heute noch. 

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