Sonntag, 18. Januar 2015

Der Tanz um den heiligen Bimbam

Fangen wir erstmal von vorne an. Gestern setze ich pünktlich mit Oman Air auf dem Bandaranaike Flughafen in Sri Lanka auf, benannt nach dem ersten Präsidenten des unabhändigen Sri Lanka. Meine Flüge waren angenehmer Weise nicht ausgebucht, das bescherte auf dem ersten Abschnitt bis in den Oman schöne Beinfreiheit am Notausgang, auf der zweiten Etappe hatte ich sogar eine komplette Dreierreihe für mich und konnte mich richtig lang machen. Ausgeschlafen? Naja, nicht wirklich.
Schlange stehen bei der Einreise entfällt, da ist überhaupt nicht los. Irritierend schnell bekomme ich einen schmucklosen Aufkleber in den Pass und darf das Land betreten. Der Weg zum Gepäckbanf führt durch eine Art Mediamarkt, hier könnte man noch schnell eine Waschmaschine oder eine Gefrierkombi erwerben, was man halt so kauft an Flughäfen. Die weiteren Schritte laufen schon automatisch, Geldautomat und eine heimische SIM Karte erwerben. Die moderne Kommunikation ist inzwischen an allen Enden der Welt kaum wegzudenken und mitunter vorteilhaft, da soll es wenigstens so gut wie nichts kosten.

Der vom Guesthouse entsandte Fahrer steht auch schon am Ausgang, pappschildbewehrt und gleich als erster in der Reihe. Komischer Weise ist es völlig entspannt hier, mit hat noch niemand ein Taxi angeboten und selbst draußen, auf das herbeigeholte Fahrzeug wartend, werden keinerlei Dienstleistungen offeriert. Ich werde in einen Kleinbus mit Polstersesseln verstaut, angenehm für die rund drei Stunden Fahrt die anstehen. Bis Kandy im Hochland sind es maximal 120 Kilometer, aber die Zeit ist realistisch geschätzt. Denn es sind 120 Kilometer auf einer Art Dorfsträßchen, das wir uns mit diversen Lastwagen, Bussen und geschätzt tausenden eher langsamer Motorrikschas teilen. Mein Fahrer überholt nur überlegt, zeigt eine angenehm defensive Fahrweise. Das habe ich schon anders erlebt, Stoßgebete können heute entfallen. Kein Wunder, der Mann sitzt seit 45 Jahren hinter dem Steuer. Über 20 Jahre war Karu Fahrer für eine Regierungsbehörde, was ihm eine einmalige Pensionszahlung von rund 2.000 Euro einbrachte. Also fährt er weiter, mit Mitte 60 tageweise für jeweils umgerechnet sechs Euro Lohn. Bei guter Auftragslage reicht das so eben zum Leben, der Traum vom eigenen Auto wird wohl ein Traum bleiben.

Wir steuern eine Teebude am Straßenrand an, ich bin neugierig auf den hiesigen Chai. Der kommt ähnlich wie in Indien daher, mit Milch und mächtig süß, so muss das sein. Kurz vor dem Ziel legt Karu dann noch den Besuch eines "Wine shops" nahe, da alkoholische Getränke im Guesthouse wohl selten verfügbar sind. Ich liebe Personal, das mitdenkt! Also stoppen wir an einem der lizensierten Schnapsläden, die es hier ebenso gibt wie in Indien. Un ebenso wie dort sind es leicht zwielichtige Orte, an denen allerlei schräge Gestalten der Trunksucht nachgehen und sich die Flaschenregale hinter schwer vergitterten Tresen befinden. Ich kaufe zwei leidlich kalte Bier und ein Fläschchen Whisky (aus rein medizinischen Gründen), die Sorte wird als Sri Lankas "number one" angespriesen. Wollen wir hoffen das es stimmt, der Flachmann kostet mehr als in Indien eine große Flasche Mc Dowell's.

Die Herberge in einem 200 Jahre alten Haus entpuppt sich als gemütliche Bleibe mit Familienanschluss. Es ist eher eine Art "home stay", ohne Beschilderung und alleine hätte ich das so leicht nicht gefunden. Mutter Madugalle zaubert sogar noch ein Abendessen, bestehend aus diversen angenehm scharfen Currys und Daal, dem unverzichtbaren und hier sehr schmackhaften Linsenbrei. Dann sitze ich noch ein wenig auf der gemeinsamen Dachterrasse mit den einzigen anderen Gästen, vier etwas kränkelnden Franzosen. Die können fast noch weniger Englisch als ich Französisch und sind ein wenig neidisch auf mein Getränkesortiment. Das System "Wine shop" hat ihnen bisher keiner erklärt, jetzt wissen sie bescheid.

Von Tür zu Tür ist man dann doch mehr als 20 Stunden auf den Beinen, entsprechend erfreut ein Bett unter'm Ventilator. Hatte ich schon erwähnt, das es heiß ist? Nicht zu arg und abends frischt es auf, aber aus dem deutschen Januar kommend gleicht der erste Tag einem Saunabesuch. Heute steht die Erkundung von Kandy auf dem Programm. Das ist die letzte Königsstadt Sri Lankas, die lange den Engländern trotzte und heute drittgrößtes Dorf der Insel ist. Vom Stadt kann man bei 160.000 Einwohnern kaum sprechen. Es geht recht gemächlich zu, hupen mag hier kaum jemand, Touristen belästigen offenbar auch nicht. Ich suche als erstes die Hauptattraktion auf, den "Tempel des Zahns", DAS Nationalheiligtum Sri Lankas, gelegen am Kandy See mitten im Ort (ich mag Orte mit eigenem See).

Kandy lake am frühen Morgen
Architektonisch unspektakulär: der Zahntempel
Hier wir er verwahrt, ein Zahn des Buddha! Reliquiensammeln ist nicht nur bei den Katholen ein beliebtes Hobby des Klerus. Sehen kann man den Zahn freilich nicht, er befindet sich in einer Elfenbeischatulle, die ihrerseits in sieben ineinander geschachtelten goldenen Schatullen verwahrt wir, ähnlich wie diese russischen Püppchen in der Puppe. Dreimal am Tag sind offizielle Anbetungszeiten, dann wir ein Fensterchen geöffnet, was einen kurzen Blick auf den Schrein und die Abgabe allerlei heiliger Gaben ermöglicht. In großer Zahl schwärmt man herbei und im großen Gedrängel schieben sich Pilger am Schrein vorüber und reichen den Pristern allerlei Opfer, von der Kokusnuss bis zu Blumengebinden und natürlich Bares. Ich merke schnell, das können sie hier genauso wie in Indien: drängeln. Wer nicht die Ellebogen einsetzt, bringt es nie zu etwas, erst recht wird er nicht den Schrein zu Gesicht bekommen. Also drängel ich fleissig mit.

Blumen für Buddha
Zahnzeremonien eignen sich für Jung und Alt
Die ganze Zeremonie wird von Trommeln und Tröten begleitet, die gesamte Atmosphäre ist schon recht kultig. Religiöse Events in diesem Teil der Welt sind jedenfalls immer erlebenswert. Da stören auch die erheblichen Sicherheitsvorkehrungen nicht, die eingeführt wurden, nachdem 1998 ein Lastwagen voll Sprengstoff in die Tempelfassade raste. Das sollte sich, etwa sechs Jahre nach ende des Bürgerkrieges, hoffentlich nicht wiederholen.

Nach ausgiebiger Begutachtung der Zeremonie und des weitläufigen Tempelgeländes, auf dem sich auch noch einige hinduistische Tempel und ein heiliger Bhodi Baum finden, umrunde ich den See und streife durch die Innenstadt. Also aufregendes findet sich nicht, aber viel Alltag zum zugucken. Es ist zwar Sonntag, aber natürlich haben die meisten Läden geöffnet.
Der See spuckt offenbar eher kleine Fische aus. Wenigstens kosten die nicht viel.

Für die Weiterfahrt übermorgen besorge ich mit noch eine Fahrkarte. Das geht hier am Bahnhof auch relativ spontan. Wie findet man den Bahnhof am schnellsten? Klar, man nimmt die Abkürzung immer die Gleise lang, macht hier jeder. Der recht spärliche Zugverkehr macht's möglich und hat weitere Vorteile, die wenigen Züge donnern nämlich ohrenbetäubend wenige Meter unter meinem Schlafzimmerfenster längs. Zum Bahnhof könnte man auch sagen "immer der Nase nach", denn auch hierzulande werden Gleise als öffentliche Bedürfnisanstalt missbraucht, nun ja.

Schienenersatzverkehr

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