Donnerstag, 9. November 2023

Nana, oder: die Speisekarte bitte andersrum lesen

Die Tage in Bangkok beginnen mit blauem Himmel und der früh Aufstehende wird mit exotischem Vogelgezwitscher aller Art belohnt. So wie ich, morgens auf dem Balkon beim 3-in-1 Instantkaffee, der geht einigermaßen. Schnell steigt das Thermometer dann auf 33, 34 Grad und man kann über Tag zusehen, wie Quellwolken heranwachsen und sich zunehmend verdunkeln. Pünktlich nachmittags, spätestens gegen Sonnenuntergang, entlädt sich das dann in Gewitter und sinnflutartigen Regen, der meist eine Stunde andauert. Gewitter bringt Wind und Regen verheißt Abkühlung der schwülen Luft, aber die Erfrischung ist schnell wieder vergangen, wenn der  Niederschlag wieder verdunstet und dampfbadartige Zustände die Schweißproduktion befeuern. 

Viele Pfützen geben sich alle Mühe beim Verdunsten

Ich wohne in einem Viertel, wo ich bisher noch nie war: Sukhumvit Road, übrigend die längste Straße Thailands, die, in Bangkok beginnend, erst nach einigen hundert Kilometern  der Kleinstadt Trat unweit der Grenze zu Kambodscha endet. Die Straße fängt an bei der Skytrainstation "Nana" und hier beginnt auch eines der touristischen Zentren der Stadt. Die Straße selbst liegt im Schatten der häßlichen Betontrasse der Hochbahn, ist viel befahren und es herrscht gefühlt Dauerstau. Gesäumt ist sie von Shoppingmalls aller Art, kleinen Geschäften, hunderten von Schneidern, fast ebenso vielen Massagesalons, den üblichen mobilen Verkaufsständen für Leckereien und Krimskrams aller Art, fliegenden Händler, die gefälschte Luxusuhren, ebenso gefälschte Markensonnenbrillen und Viagra (keine Ahnung, ob ebenfalls gefälscht) anbieten. Appartmenthochhäuser gibt es außerdem, für eine Luxuswohnung kann man hier schnell mehrere Millionen (Euro, nicht Baht) berappen, doch wer kann das wollen. 

Nachts in den Seitengassen

Die durchnummerierten Seitengassen sind ein Ballungsraum für das Bangkoker Nachtleben. Das tobt insbesondere in der Soi 4 (Soi = Gasse) und man muss sich das vorstellen wie eine Art Symbiose aus Ballermann und Reeperbahn. Sehr trinkwillige und meist (sehr) alte weiße Männer füllen hier Abend für Abend die Bars und lassen sich von aufgetakelten Damen bezirzen. Die Damen hier in der Gegend waren bei Geburt alle mal Herren, Nana ist Revier der Ladyboys. Weiß man es nicht, würde man es kaum bemerken, Thailands Chirurgen leisten ganze Arbeit. 

Morgens ist hier eher nichts los, des Nachts hingegen schon

Jedes Haus eine Bar: Soi 4

Nana Plaza, Sündenbabel im Innenhof

Man kann sich das alles mal ansehen und von schlechter Musik bedrönt die Gassen rauf und runter laufen. Bedrönt wird man zusätzlich von punktuell vor den entsprechenden Läden auftretenden Marihuanawolken, dabei ist die Luft eh schon zum Schneiden (siehe oben, Dampfbad). Einmal gesehen, hat man es auch gesehen. In eine Bar setzten kommt mir als Alleinreisender hier nicht in den Sinn, sofort hätte man eine Dame am Hacken, müsste sich zutexten lassen und hätte womöglich Anstrengungen, sie wieder los zu werden. Also nehme ich lieber noch in Bier in meiner Gasse Soi 8, wo sich gänzlich unbelästigt und angenehm ruhig einkehren lässt. Von ein paar Ausnahmen abgesehen, die man aber unschwer erkennt. Überhaupt ist "meine" Gasse ein angenehmer Wohnort, viel Grün, kaum Verkehr, nett.

Kleinod am Wegesrand

Vor solchen Läden sinkt die Luftqualität erheblich

Eine ganz andere Welt tut sich auf der anderen Seite der Sukhumvit Road rund um Soi 3 auf.  Dort ist "Little Arabia" und in der Tat könnten die Gassen genauso in Dubai, Beirut oder Kairo vorzufinden sein. Würde man hier spontan aufwachen, nie käme man auf Thailand. Die Restaurants, die Geschäfte, die Schriftzüge, die meisten Menschen - unverkennbar Arabisch. Hoch ist die Dichte an Bärten und Burkhas, passend die Musik aus den Läden. 

Nach dem Regen: Pfützen fegen

Man möchte portraitiert werden

Obst mit Scheich

In einer der Gassen kehre ich, zum ersten Mal im Leben, in ein jemenitisches Restaurant ein. Dort sitzt man schön draußen, vor einer getöpferten und beleuchteten Skyline von Sanaa und kann den Leuten beim Grillen zuschauen. Es gibt Joghurt und Tee, natürlich keinen Alkohol, und eine umfangreiche Speisekarte. Die fängt natürlich von hinten an, der arabischen Leserichtung folgend. Die Kebabs sind erstklassig, fein gewürzt und mit gegrillten Tomaten und Zwiebeln reichlich garniert, dazu Fladenbrote, eine der vielen leckeren Pasten wie Babaghanoush aus Auberginen und eine hausgemachte, richtig gute Chilisoße. Spontan wird dies zu meinem Lieblingslokal während meiner Tage in Sukhumvit. Alternativ war ich noch beim Ägypter, auch dort schmeckte es sehr gut. Also mittags thailändisch bei einer Straßenküche, abends arabisch, lässt sich aushalten.

Hans Dampf in allen Gassen, es wird gegrillt

Händler feiner Düfte sind hier zahlreich

Hier verleiht irgendwas Kräfte

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