Donnerstag, 22. März 2012

Am Hoogli

Wie ein aufmerksamer Leser richtig bemerkte: Kalkutta liegt nicht am Ganges, da irrt der deutsche Schlager. Hier fließt der Hoogli, welches ein Mündungsarm des Ganges ist. Auch der ist allerdings ganz schön breit, spielt aber im Leben der Stadt eine eher unbedeutende Rolle. Baderituale gibt es, aber spärlich gesäht

Heute bin ich viel gelaufen, zuerst eben zum Ufer des Hoogli. Auf dem Weg viele, viele breite Straßen mit noch viel mehr Verkehr, zwei Busbahnhöfe, ein Stadion (für Kricket, so ein Unsinn), viele Tropfen Schweiß und zum Nachfüllen etliche Tee und Wasser. Das Flußufer gibt sich dann eher verslumt an dem Ende, wo ich ankam. Zwischen Bahngleisen und improvisierten Hütten ist man damit beschäftigt, eine Art Strandpromenade zu bauen, eine Idylle mag sich derzeit aber nicht einstellen. Ein paar Badende im Schatten eines Schiffswracks sind anzuschauen und zum Glück säumen Teeverkäufer den staubigen Pfad. Ich wollte von hier mit dem auf dem Stadtplan eingezeichneten Fährboot auf die andere Seite, nach Howrah (sprich: Haora) übersetzen. Einen Fähranleger kann ich aber beim besten Willen auf einigen Kilometern Flußufer nicht auftreiben. Befragte Menschen sind auch überfordert oder bestätigen ganz erfreut "boat, yes!", um auch mal etwas gesagt zu haben. Tja, in Varanasi drängen sie einem die Boote im Duzend auf, hier fehlen sie dafür. Letzlich nehme ich ein Taxi und fahre auf dem Landweg zum Bahnhof von Kolkata, welcher in besagtem Howrah liegt (sozusagen auf der Schäl Sick von Kalkutta).

Morgentliche Badetätigkeit am Hoogli
Den Bahnhof suche ich wegen seiner gepriesenen Betriebsamkeit auf. Die unterscheidet sich aber auch nicht von anderen, finde ich. Also auf zur nahen Howrah-Brücke, einem der Wahrzeichen der Stadt. Die Stahlkonstruktion ist schon sehenswert, der Betrieb auf der Brücke um so mehr. Zig Tausende queren hier täglich den Fluß, in einem endlosen Strom von Bussen und Taxis und zu Fuß. Der Fußgängerbereich ist von Händlern gesäumt und Lastenträger schleppen zu hunderten teils riesige Ballen mit irgendwas ans andere Ufer. Hier kann man sich einfach hinhocken und hat Kino in Reinkultur vorüberziehen. Offiziell ist das Fotografieren auf der Brücke verboten, zum Glück schert das aber selbst die zahlreich herumlungernden Polizisten nicht. Mit einem fliegenden Händler für Spezialzahnpflegetinkturen führe ich ein längeres Gespräch und werde sogar zum Tee eingeladen. Er hatte offenbar großes Mitleid, nachdem ich mich als unverheiratet geoutet hatte. Außerdem fand er sehr bedauerlich, das Oliver Kahn jetzt im Ruhestand ist.

Geschleppe auf der Howrah-Bridge
Stunden verbringe ich dann in der Gegend des Blumenmarktes am anderen Ufer. Dicht gedrängt zwischen der Bahnlinie und dem Ufer steht ein Gewirr von Slumhütten, zwischen denen Blumen aller Art feilgeboten werden. Das ist einfach klasse, lebendig, bunt. Der größte Betrieb ist wohl frühmorgens, da werde ich auch noch einmal wiederkommen. Aber auch später am Tag kommen die riesigen Haufen aus Blumengirlanden in allen Farben schön zur Geltung. Ich bin ziemlich überrascht, hier nicht auf andere Touristen zu treffen und das Fotografieren ist hier die reine Freude. In der Nähe ist eines der wenigen Badeghats am Fluß und dort werde ich fast genötigt, ganze Familien abzulichten.

Hier gab's eine Rose geschenkt, nett
Scherereien am Hoogli
Ziemlich durchnässt suche ich nachmittags mein Hotel auf zwecks Siesta und Körperpflege. Zum Tee findet sich auch Mrs. Violet Smith ein, die Patronin des Hauses, weit in den 80ern und zu einem Schwätzchen aufgelegt. Sie erzählt unter anderem von ihren Gesprächen mit Günter Grass, als dieser sich hier aufhielt und bekannter Maßen Kolkata nicht mochte - was die alte Lady ihm nachsieht.

1 Kommentar:

  1. So kann man doch immer was lernen vom Reisen: z.B. dass Guenter Grass mal dort war und schrieb "Warum nicht ein Gedicht über einen Haufen Scheiße schreiben, wie Gott in fallen ließ und Kalkutta nannte" :) J.

    PS: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13531074.html

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