Freitag, 30. März 2012

Schon wieder vorbei

Drei Wochen vergehen immer wie im Flug. Schon der letzte Tag in Mumbai, der nicht vertroedelt werden moechte. Bei den Dabbawallas habe ich nach dem Rechten geschaut, man liefert immer noch fleissig Selbstgekochtes aus. Am CST waren aber nur wenige der Essentransporteure zugange, gut, dass wir letztes Jahr am Bahnhof Churchgate waren. Da gab es deutlich mehr zu sehen.

Heute habe ich den Crawford Market und das Basarviertel rund um die Freitagsmoschee (passt ja heute) noch einmal abgeklappert. Vieles habe ich wieder entdeckt und fuer einige Fotos gab das auch wieder was her. Die Sensation des Tages: Osama lebt, von wegen Pakistan. Der verkauft Melonenschnitten in Mumbai und zwar schon seit Jahren, wie er versichterte. Fuer ein Foto war der Mann leider, aber verstaendlich, nicht zu haben.

Sandwiches vom Kohlegrill sind ein beliebter Snack in Mumbai
Ich nehme noch allerlei Dienstleistungen in Anspruch, die ich sonst zu Hause selbst machen muesste: Schuhe putzen lassen, eine Rasur. Einen Guerterl erstehe ich auch noch bei einem der zahlreichen muslimischen Lederhaendler, angefertigt auf Laenge nach Wunsch.

Das Klischee sagt ja, die Europaeer waeren so gestresst und hektisch und ungeduldig und koentten da in Asien etwas dazulernen. Das Klischee irrt allerdings im nicht unerheblichen Masse. Schon mal morgens auf dem Bahnhof in Mumbai gewesen? Oder die S-Bahn benutzt oder jedes andere beliebige oeffentliche Verkehrsmittal, Taxi gefahren? Dann weiss an aber, was gestresst ist. Einerseits vermag der Inder in sich zu ruhen und zum Beispiel jederzeit an jedem Ort in jeder moeglichen und ummoeglichen Position zu schlafen. Andererseits ueberkommt ihn der totale Stress, sobald er sich in irgendwelchen Verkehrmtteln bewegt. Fuer Taxifahrer sind alle anderen Verkehrsteilnehmer ausnamslos "Bandchood" (ich uebersetzte das jetzt nicht, es ist ein boeses, boeses Schimpfwort), was auch gerne jederzeit lautstark geaeussert wird. Hupen, Schreien, Draengeln im Akkord, was fuer ein Stress. Ich empfehle den Deutschen Strassenverkehr zur Steigerung der inneren Ruhe, der ist echt shanti.

So, jetzt geht es noch zum Stadtstrand in Chowpatti zwecks Sonnenuntergang und dann wird es Zeit, den Sack wieder zu packen. Ich hoffe, fuer die geduldigen Leser waren ein paar interessante Zeilen dabei. Mit Fotos werde ich das ganze dann nachtraeglich noch anreichern.

Donnerstag, 29. März 2012

Mumbai Masala

So, da bin ich wieder in der wohl geschaeftigsten Stadt Indiens. Zwar frischer als in Kolkata weht auch hier feucht-warmer Muff durch die kolonialen Strassen. Ich wohne dieses Mal in Fort, dem Geschaeftsviertel unweit des Bahnhofs CST, das ist der schoene alte im Kolonialstil. In der Umgebung meines Hotels finden sich viele kleine Druckereien. In einem etwa ein Quadratmeter grossen Betrieb habe ich Visitankarten in Auftrag gegeben, 100 Stueck fuer ganze 150 Rupien, gute Sache.

Viel veraendert hat sich hier nicht. Gestern Abend bin ich nach Colaba, ins Touristenviertel, gefahren und habe gut gegessen. Der Keller brachte gutes Thali und erinnerte sich auch gleich, letztes Jahr waren wir da haeufiger. Beidseits des Causeway haben die teuren Markenboutiquen zugenommen und Haendlerscharen trachten nach wie vor danach, ihr Zeugs an den Mann zu bringen. Allein meine Interessierte Nachfrage nach einer White-Russian-Machine vermochte noch niemand zu befriedigen (das versteht jetzt nur ein Leser, aber den wird's freuen). Leider hatee ich abends nichts weiter zu tun, als im Leopold's ein paar heftig ueberteuerte Bier zu trinken. Langweilig, das, komische Leute hier. Ich hoerte von einem Gartenlokal in Colaba, das werde ich dann heute inspizieren und hoffe auf besseres.

S-Bahnen sind gefragte Verkehrsmittel
In Dharavi habe ich heute nochmal vorbei geschaut. Mohammad erzaehlte zufrieden vom Saisonverlauf und den Neuerungen auf seiner Route, unter anderem eine Rundumaussicht von einem der Daecher, das fand ich ganz gelungen. Einen Feedback-Fragebogen fuer seine Kunden hat er jetzt auch, es wird immer professioneller mit seinen Slumfuehrungen und Erfolg sei ihm gewuenscht. In Daharavi geht es wieder sehr gescharftig zu und nach wie vor funktioniert hier das Zusammenleben von Hindus uns Muslimen unproblematisch, so soll es sein, schoen. Von den Abrissplaenen hat man offenbar auch mittlerweile Abstand genommen oder diese zumindest auf Eis gelegt, so dass dieser Wirtschafts- und Lebensraum mitten in der Stadt unveraendert besteht.

Über den Dächern von Dharavi
In Fort wurde mir heute ein 100 Rupien Schein angeboen, der die Seriennummer 786786 tragt. "Very lucky number!" - Kostenpunkt: 5000 Rupien. Ich verzichte und verweise auf meine Unkenntnis in Nummerologie.

Dienstag, 27. März 2012

Letzte Tage in Kolkata

Abgesehen von der schon affenartigen Hitze ist Kolkata eine durchaus sympathische Stadt, den Aufenthalt von fast einer Woche bereuhe ich nicht. Noch einmal besuche ich morgens den Blumenmarkt und die angrenzenden Ghats am Fluss, wo vor allem in der Frühe etliche Zeremonien stattfinden und einige Sadhus anzutreffen sind. Stunden kann man sich in dieser Gegend treiben lassen und bekommt immer neues zu sehen.

Kolkata war lange kommunistisch regiert, jetzt macht Karl Marx den Baba
In der College Street sind hunderte kleine Buchläden zu finden, die aufgereiht in Bretterbuden beidseits der Straße allen möglichen und unmöglichen Lesestoff anbieten. Wenn man die Prüfungsfragen für angehende Polizeikommisare wissen möchte oder ein Handbuch der Chirurgie benötigt, hier findet man diese. Dazu gibt es stapelweise dicke Schinken über Computersysteme vergangener Tage, vergibte Romane und verwitterte Gebetsbücher.

Käufliches Wissen in der College Street
In der gleichen Straße suche ich eine Insititution von Kolkata auf: das Indian Coffee House. Ein düsteres Treppenhaus mit spinnwebenbehangenen Elektoinstallationen führt ins Obergeschoß eines alten und entsprechend vom Zahn der Zeit und des Monsun heimgesuchten Gebäudes. Dort tut sich der Kaffeesaal auf, in dem hübsch beturbante Keller unter duzenden schwirrender Ventilatoren dahin huschen und die auf Plastikstühlen sitzenden Gäste mit Koffein versorgen. Dem ganzen geht der Ruf eines Treffpunktes der Intellektuellen, gar eines Debattiertreffs von revolutionärem Ausmaß voran. Revolutionär ist heute allenfalls, dass mindestens die Hälfte der Besucher das unübersehbar plakatierte Rauchverbot geflissentlich ignorieren, ich schließe mich diesem unkorrekten Tun an.

Wo Intellektuelle Kaffee schlürfen
Unweit meines Hotels in der Sudder Street lässt sich morgens die Müllabfuhr der Stadt beobachten. Der Müll aus den Straßen und Gassen wird zusammengefegt und mit Handwägelchen zu einer Art Sammelstelle gebracht. Dort sorgt eine Horde Schweine sofort für eine Reduzierung der Müllmenge. Was verbleibt, landet auf Lastwagen und wird zum "Gabbage Mountain", der riesigen Müllkippe in Dhopa, gefahren. Da wollte ich eigentlich auch hin, aber kein einziger der befragten Taxifahrer verstand, wo es hingehen soll.

Ziemlich außerhalb auf der "Schäl Sick" in Howrah liegt der botanische Garten der Stadt. Das Taxameter bringt es auf fast 20 Kilometer. Der Garten ist ganz schön groß, wie ich nach ausufernden und schweißtreibenden Spaziergängen feststelle. Eine Oase der Ruhe, Dschungelstimmung und dann gibt es auch noch den weltweit größten Banyan-Baum zu sehen. Dieser in Asien populäre Baum aus der Fikus-Familie ist bekannt für seine Luftwurzeln, mit denen er ausladende Äste abstützt. Das hiesige Exemplar besitzt davon an die 3000, teils selbst baumstammdick, so dass der einzige Bäum eher wie ein kleiner Wald aussieht. Er erstreckt sich über immerhin 1,5 Hektar und hat es gar in Guiness Buch der Rekorde (welches in Indien total populär ist) geschafft.

My Rikshaw is my Castle
Da die wenigen Taxifahrer vor dem Garten höchst inflationäre Preisangebote machen, besteige ich den nächsten Bus zum Bahnhof Howrah. Eine Fahrradrikscha wäre wahrscheinlich schneller gewesen, ich hätte es wissen müssen. Schon nach wenigen Minuten und ebensovielen Stopps ist der Bus sardinenbüchsengleich mit Fahrgästen aufgefüllt und quält sich scheppernd und abgasumweht gen Bahnhof. Das macht er aber immerhin 20 mal billiger als die letzten Offerten der Taxifahrer. Um die Howrah-Brücke vom Fluss aus zu sehen, nehme ich die nächste Fähre vom Bahnhof gen Norden ans andere Ufer. Unversehents lande ich in einer ganz interessanten Gegend. Viele kleine, aber offensichtlich sehr beliebte Tempel reihen sich an der Uferstraße aneinander, auf der anderen Straßenseite Buden mit den passenden Opfergaben. Dahinter liegt die Bahnstrecke, die hier beidseitig bis dicht an die Gleise mit Slums gesäumt ist. Im angrenzenden Viertel werde ich zum x-ten Mal zu einem Tee eingeladen und bin schnell eine Art Attraktion. Schöne Ecken, in die sich eher wenige Ausländer verirren.

Heute ein König
Bei allen potentiellen Postkartenempfängern muss ich mich schon jetzt entschuldigen. Ich hatte vor, hier in Kolkata die Post zu erledigen, da habe ich ja Zeit satt, war der Gedanke. Dann habe ich es erst vergessen und schließlich nicht einen einizgen Verkäufer von Postkarten gesichtet. Vielleicht wird das in Mumbai noch was, schauen wir mal.

Sonntag, 25. März 2012

Kolkata II

Heute morgen war Ausschlafen angebracht und um acht gab es ein schönes üppiges Frühstück englischer Art. Es ist Sonntag. alles hat heute frei und ich will es auch ruhig angehen lassen. Ich spaziere ein paar Kilometer zum alten englischen Friedhof mit opulenten Grabmalen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die interessantesten Grabsteine, wie etwa: hier ruht soundso, verstorben, weil sie zu viel Ananas aß - finde ich leider nicht, aber interessant ist's dennoch. Riesige Pyramiden waren damals als Ruhestätte für Offiziere und hohe Beamte der East India Company offensichtlich en vogue, heute verwittern sie inmitten üppigen tropischen Grüns.

Manchen Kolonialbauten ist eine gewisse Baufälligkeit zu bescheinigen
In der Park Street sorgt ein Geldautomat wieder für Liquidität und sogleich macht ich es wie viele indische Familien der Mittelschicht am Sonntag: Mittagessen bei Mc Donald's. Das hat hier fast Eventcharakter und ermöglicht außerdem den reuhelosen Genuß von Eiscreme.

Per Taxi fahre ich nach Kalighat im Süden der Stadt, da die Metro Sonntags erst ab nachmittags verkehrt. Dort ist der bekannteste Tempel der Stadt zu finden, der Kali-Tempel. Kali ist eine recht archaische Gottheit und man stimmt sie traditionell mit Tieropfern gütig. Die Umgebung des Tempels ist voll mit Devotionalienhändlern und Bettlern, im Tempel selbst sind Menschenmassen unterwegs. Echte oder angebliche Brahmanen (Priester) versuchen hier permanent, Fremde zu überhöhten Spenden zu nötigen und das Fotografieren ist im Tempel auch ungern gesehen. Ich schaue mich demnach nur eine Weile um und suche dann das Weite. Das liegt nahe und ist ein Barbier, der mir für 10 Rupien (etwa 15 Cent) ein glattes Gesicht beschehrt.

Hier gibt es heiße Maggisoße für 20 Rs - wer kann das wollen, sonderbares Indien
Dann stellt sich ein Problem ein, dass unweigerlich immer irgendwann auftritt: Kleingeldmangel. Ich habe die Taschen voller Geld und bin trotzdem noch nicht einmal in der Lage, Zigaretten zu kaufen. Es ist Sonntag, nur die kleinen Buden am Straßenrand sind geöffnet und niemand kann - oder will.- 500er wechseln (das sind ca. 7,50 Euro). Nach einer Weile gelingt es dann und mit den nötigen kleinen Scheinen ist auch eine Taxifahrt zum Hotel wieder möglich, diese kostet bei knapp fünf Kilometern 50 Rupien.

Was macht man noch an einem Sonntag Nachmittag? Man geht zum Hotel Lindsay am New Markest, fährt mit dem Aufzug 10 Stockwerke hoch und setzt sich auf die Dachterrasse. Ein großartiger Blick über die Stadt ist gratis und auch der Rest nicht so teuer, ein, zwei Cocktails bei 35° sorgen für die richtige Perspektive. Schön sind dann Dusche und Siesta, bevor abends der Biergarten lockt. Unter schattigen Bäumen (tagsüber) gbit es dort nicht nur Kaltgetränke, sondern auch immer nette Gespräche mit anderen Menschen. Jeder Schatten hat natürlich auch seine Schattenseite, mich hat dort schon zweimal ein Vogel vollgekackt. Der Wäscheservice wird das schon wieder hinbekommen.

Projekt Tiger

Die beiden letzten Tage standen im Zeichen der Wildnis, ich machte mich auf, den Sunderbans Nationalpark zu erkunden. Die Sunderband sind das riesige Mündungsgebiet des Ganges und der größte Mangrovenwald der Welt. Die Wälder erstrecken sich über 10.000 Quadratkilometer, etwa ein Drittel der Fläche von NRW. Je nach Gezeitenstand besteht das ganze aus mehr oder weniger Inseln mit einem Geflecht von Mündungsflüssen und kleinen Wasserwegen. 60% des Nationalparks liegen in Bangladesh, der Rest in Indien.

Von Kolkata fahre ich rund drei Stunden mit einem Minibus zur letzten per Straße erreichbaren Insel. Mit von der Partie sind eine junge Schweizerin und drei Inder, die alle aus Kolkata stammen, mittlerweile aber in verschiedenen Ländern arbeiten und alle paar Monate gemeinsam Wochenendtouren unternehmen. Weiter geht es mit eineer Fähre, einem einfahcen Holzkahn, bei dem man entweder auf der Reling sitzt oder in der Mitte steht. Nach normalen Maßstäben wäre das Boot mit 50 Menschen gut gefüllt, wir fahren allerdings mit etwa 100 sowie einigen Fahr- und Motorrädern. Die drei Inder sind skeptisch - sie können nicht schwimmen. Wir erreichen aber problemlos "unsere" Insel.

"Unser" Dorf
Dort gibt es ein paar kleine Dörfer, keinen Strom, keinen motorisierten Verkehr. Wir fahren noch eine weitere knappe Stunde per Fahrradrikscha zu einem der Dörfer. Fahrradrikscha heißt hier: eine Holzplattform hinten am Fahrrad, tauglich für Menschen und Gütertransport, wo wir jeweils zu dritt mit Gepäck drauf verstaut werden. Auch bei diesen Fahrzeugen gilt: kein Strom, sie sind abends mit Kerosinlampen beleuchtet.

Angekommen im Dorf werden wir in der Hütte einer Fischerfamilie mit Mittagessen bewirtet. Dicke Lehmwände halten die Hütte erstaunlich kühl und zusätzlich gibt es einen Solar-Ventilator.Uns werden Leckereien in Megen aufgetischt (obwohl, einen Tisch gibt es nicht) und es ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Familie auch in der Folgezeit für unsere Versorgung zuständig ist. Im Anschluss folgt ein interessanter Spaziergang durch das Dorf mit seinen strohgedeckten Häusern. Vor zwei Jahren gab es hier einen Zyklon und die Insel wurde überschwemmt mit Salzwasser, was ein schweres Problem für die Landwirtschaft ist. Langsam erholt sich der Boden und mit jedem Monsun sinkt der Salzgehalt, dieses Jahr können die ersten Reisfelder hoffentlich wieder bewirtschaftet werden.

In einem kleinen Schrein wird bei der zuständigen Gottheit Schutz vor dem Tiger erbeten. Viele der Dorfbewohner arbeiten als Honigsammler in den Wäldern und jeder hat schon einen Angehörigen durch Tigerattacken verloren. Auch das Dorf selbst wurde schon von Tigern angegriffen, die aber zum Glück nur Haustiere verspeisten. Durch lange Zäune innerhalb des Nationalparks wird versucht, die Tiger von den Dörfern fernzuhalten, was aber nicht immer gelingt. Die Tiere können kilometerweit schwimmen und das Angebot an Nahrung in den Wäldern ist nicht üppig. Die Chance, das wir auf unserer Tour einen Tiger sehen, kommt allerdings einem Lottogewinn gleich. In dem riesigen Gebiet leben aktuell gerade einmal 276 Tiger. So bekommen wir auch nur den Tiger zu sehen, den ich mitgebracht hatte, ein großer Spass war das allemal.

Blackhead-Kingfisher, es gibt duzende Sorten Vögel und mehrere Sorten Bier unter den Kingfishern
Wir fahren gegen Abend noch mit Ruderbooten durch die Mangroven zur Vogelbeobachtung, dann besteigen wir unser großes Boot, auf dem wir übernachten. Als Abendprogramm schaut eine Gruppe lokaler Musiker vorbei und es gibt wieder gutes Essen unter dem Sternenhimmel, ganz großartig. Die mitreisenden Inder sind gut vorbereitet und haben einen schier unerschöpflichen Whiskyvorat dabei, was zu einem gelungenen Abend zusätzlich beiträgt. Die Nacht auf den Boot mit viel frischem Wind ist große klasse.

Im Mangrovenwald
Der nächste Tag wird komplett auf dem Boot verbracht und wir durchfahren die Mangrovenwälder, besuchen ein paar Aussichtstürme und einen Brückenweg über die Mangroven hinweg. Wir lernen viel über dieses faszinierende Ökosystem und erfreuen uns an Ruhe und Landschaft, Das ist genau das Richtige zum Erholen von der Großstadt. Entsprechend zufrieden erreichte ich gestern Abend wieder Kolkata.

Spotted Deer - Tigerfutter bei der Aufzucht

Donnerstag, 22. März 2012

Am Hoogli

Wie ein aufmerksamer Leser richtig bemerkte: Kalkutta liegt nicht am Ganges, da irrt der deutsche Schlager. Hier fließt der Hoogli, welches ein Mündungsarm des Ganges ist. Auch der ist allerdings ganz schön breit, spielt aber im Leben der Stadt eine eher unbedeutende Rolle. Baderituale gibt es, aber spärlich gesäht

Heute bin ich viel gelaufen, zuerst eben zum Ufer des Hoogli. Auf dem Weg viele, viele breite Straßen mit noch viel mehr Verkehr, zwei Busbahnhöfe, ein Stadion (für Kricket, so ein Unsinn), viele Tropfen Schweiß und zum Nachfüllen etliche Tee und Wasser. Das Flußufer gibt sich dann eher verslumt an dem Ende, wo ich ankam. Zwischen Bahngleisen und improvisierten Hütten ist man damit beschäftigt, eine Art Strandpromenade zu bauen, eine Idylle mag sich derzeit aber nicht einstellen. Ein paar Badende im Schatten eines Schiffswracks sind anzuschauen und zum Glück säumen Teeverkäufer den staubigen Pfad. Ich wollte von hier mit dem auf dem Stadtplan eingezeichneten Fährboot auf die andere Seite, nach Howrah (sprich: Haora) übersetzen. Einen Fähranleger kann ich aber beim besten Willen auf einigen Kilometern Flußufer nicht auftreiben. Befragte Menschen sind auch überfordert oder bestätigen ganz erfreut "boat, yes!", um auch mal etwas gesagt zu haben. Tja, in Varanasi drängen sie einem die Boote im Duzend auf, hier fehlen sie dafür. Letzlich nehme ich ein Taxi und fahre auf dem Landweg zum Bahnhof von Kolkata, welcher in besagtem Howrah liegt (sozusagen auf der Schäl Sick von Kalkutta).

Morgentliche Badetätigkeit am Hoogli
Den Bahnhof suche ich wegen seiner gepriesenen Betriebsamkeit auf. Die unterscheidet sich aber auch nicht von anderen, finde ich. Also auf zur nahen Howrah-Brücke, einem der Wahrzeichen der Stadt. Die Stahlkonstruktion ist schon sehenswert, der Betrieb auf der Brücke um so mehr. Zig Tausende queren hier täglich den Fluß, in einem endlosen Strom von Bussen und Taxis und zu Fuß. Der Fußgängerbereich ist von Händlern gesäumt und Lastenträger schleppen zu hunderten teils riesige Ballen mit irgendwas ans andere Ufer. Hier kann man sich einfach hinhocken und hat Kino in Reinkultur vorüberziehen. Offiziell ist das Fotografieren auf der Brücke verboten, zum Glück schert das aber selbst die zahlreich herumlungernden Polizisten nicht. Mit einem fliegenden Händler für Spezialzahnpflegetinkturen führe ich ein längeres Gespräch und werde sogar zum Tee eingeladen. Er hatte offenbar großes Mitleid, nachdem ich mich als unverheiratet geoutet hatte. Außerdem fand er sehr bedauerlich, das Oliver Kahn jetzt im Ruhestand ist.

Geschleppe auf der Howrah-Bridge
Stunden verbringe ich dann in der Gegend des Blumenmarktes am anderen Ufer. Dicht gedrängt zwischen der Bahnlinie und dem Ufer steht ein Gewirr von Slumhütten, zwischen denen Blumen aller Art feilgeboten werden. Das ist einfach klasse, lebendig, bunt. Der größte Betrieb ist wohl frühmorgens, da werde ich auch noch einmal wiederkommen. Aber auch später am Tag kommen die riesigen Haufen aus Blumengirlanden in allen Farben schön zur Geltung. Ich bin ziemlich überrascht, hier nicht auf andere Touristen zu treffen und das Fotografieren ist hier die reine Freude. In der Nähe ist eines der wenigen Badeghats am Fluß und dort werde ich fast genötigt, ganze Familien abzulichten.

Hier gab's eine Rose geschenkt, nett
Scherereien am Hoogli
Ziemlich durchnässt suche ich nachmittags mein Hotel auf zwecks Siesta und Körperpflege. Zum Tee findet sich auch Mrs. Violet Smith ein, die Patronin des Hauses, weit in den 80ern und zu einem Schwätzchen aufgelegt. Sie erzählt unter anderem von ihren Gesprächen mit Günter Grass, als dieser sich hier aufhielt und bekannter Maßen Kolkata nicht mochte - was die alte Lady ihm nachsieht.

Mittwoch, 21. März 2012

City of Joy

Wow, Varanasi hat flughafentechnisch schwer aufgerüstet. Vor zwei Jahren musste noch ein einer Baracke ein Staubsauger bemüht werden, damit die Sicherheitsschleuse ans Laufen gebracht werden konnte. Heute gibt es einen hübschen, ganz normalen Flughafen mit immerhin vier Gates. Die indische Mittelklasse wächst stetig - und fliegt. Billige Inlandsflüge nehmen rasant zu, entsprechend gab die Gesellschaft IndiGo im letzten Jahr die größte Bestellung der bisherigen zivilen Luftfahrt bei Airbus in Auftrag. Ich flog mit JetLite für umgerechnet 30 Euro in einem nagelneuen Flieger in einer Stunde nach Kolkata.

Man sagt dem Inder im allgemeinen ja Ruhe und Geduld und wenig Stress nach. Das Gegenteil wird aber beim Besteigen und Verlassen öffentlicher Verkehrsmittel beobachtet. Synchron zur ersten Reifenberührung auf der Landebahn - zack, alle Handys an und kurz darauf stolpert man auch schon übereinander im Gang, um nun ja als erster sein Köfferchen auf dem Gepäckfach zu zerren. Dafür steht man dann länger an am Gepäckband und hat wertvolle Zeit für Muße gewonnen, keine schlechte Taktik.

Am Flughafen werden Prepaid-Taxis feilgeboten, die für kleines Geld in die Stadt befördern. Taxis, das sind hier gelbe, uralte Ambassador Autos im Stil der 50er. Mein Fahrer nutzt adlergleich jede sich bietende Lücke im Verkehr, tut dies aber sehr gemeidig und ohne große Huperei, angenehm professionell. Überhaupt, ich hörte vorher, das Verkehrschaos in Kolkata suche seinesgleichen und sei noch schlimmer als in Delhi oder anderenorts. Das kann ich nicht finden. Natürlich, wer europäische Verhältnisse gewohnt ist, möchte sich hier schreiend in Sicherheit bringen, aber ich finde den Verkehrsfluß hier recht gemäßigt. Wie in Mumbai gibt es Ampeln, man hupt nicht exzessiv und außer Taxis und Bussen sind eher wenige ausgefallene Fortbewegungsmittel wie Ochsenkarren und derlei zu sehen.

Kalkutta heißt heute Kolkata, so sagt man wohl im Bengalischen. Bekannt wurde es auch als Stadt der Freude nach dem gleichnamigen Roman. Für mich ist es erst einmal die Stadt des Waschküchenklimas. Das Thermometer lugt gerne über die 35° Marke und dabei ist es elend feucht. Die Tage beginnen entsprechend schon beim Frühstück schweißgebadet und auch beliebig viele Duschen ändern diesen Zustand nur kurzfristig.

Straßenbahn in Kolkata, alt und langsam, aber schön
Wie in jeder Metropole gibt es auch hier ein Touristenviertel, in diesem Fall die Sudder Street. Da wohne ich, oder besser gesagt: ich logiere. Ich habe mich im alt ehrwürdigen Fairlawn Hotel eingemietet, seit Generationen im englischen Familienbesitz und Ende des 18. Jahrhunderts gebaut. Man zahlt hier zwarmehr für Atmosphäre als für Komfort, dafür gibt es einen tollen Garten. Und überbordend dekorierte Gemeinschaftsräume im altmodischen englischen Stil, man würde sich nicht wundern, wenn irgendwann Miss Marple um die Ecke schaut. Fairer Weise ist im Preis hier das englische Frühstück und der 5-Uhr-Tee inbegriffen.

Dafür, dass die Sudder Street DIE Touristenmeile ist, geht es ganz beschaulich und indisch zu. Haufenweise Schlepper und Nepper wie anderenorts gibt es komischer Weise nicht, nur ein paar dezent für sich werbende Rischaläufer. Naja, am ersten Abend wurde mir außerdem sicher 20 mal bewußtseinerweiterndes Rauchzubehör angeboten.

Laufrikschas bieten ihre Dienste rund um den New Market an
Der erste Eindruck von Kolkata ist ausgesprochen nett. Eine lebendige Stadt, aber insgesamt recht aufgeräumt und entspannt. Als erstes habe ich das nahe gelegene Marktviertel rund um den von den Engländern errichteten Hallen des New Market durchstöbert. Märkte sind immer einen Besuch wert, finde ich. Besonders die Lebensmittelabteilung ist wie gewohnt farblich schön sortiert und fotogen.

Der Eismann ist da - bei 38° eine gute Sache
Kolkata besitzt, wer weiß das schon, eine der größten städischen Parkanlagen weltweit. Der  so genannte Maiden übertrifft denke ich den Central Park. Wobei man von der Gesamtfläche im Grunde nicht alles als Park bezeichnen möchte. Weite Teile sind einfach Brachland und dienen zum Müllabladen und zum Campieren für Slumbewohner. Unter anderem konnte ich beobachten, dass man durch die unkontrollierte Entsorgung größerer Mengen von Einweggeschrirr aus Plastik eine nachhaltige Verschandelung urbaner Erholungslandschaften erzielen kann. Um so gepflegter ist dafür die Anlage rund um das opulente Victoria Memorial. Zu Ehren der Königin wurde hier eine große Marmorkomposition errichtet, die hübsch anzusehen und auch bei den Indern beliebtes Ausflugsziel ist. Für 5 Cent Einrittt bekommt man als Gegenwert einen sehr gepflegten Park, der gänzlich unindisch anmutet.

Spass für Jung und Alt auf dem Maiden
Die weiten Rasenflächen gegenüber werden genutzt wie in Mumbai die Strände. Zum Flanieren, zum Besuch der vielen Essensstände und kleinen Unterhaltungsbetriebe. Ich versuche auch gleich, Luftballons mit dem Luftgewehr zu erlegen, mäßig erfolgreich (die Dinger sind alle krumm, wie früher auf der Kirmes).

Zum Abendessen lasse ich mal richtig krachen und suche das Thai Restaurant im besten Hotel des Viertels auf. Ganz hervorragend und das komplette Essen für etwa 10 Euro, wer will sich da beklagen. Tritt man aus der Tür des Nobelschuppens, sieht man 20 Meter weiter diejenigen, die allen Grund zur Klage hätten. Die breiten Bürgersteige leben, unter Kartons und Planen fristet die müllsortierende und bettelnde Zunft ihr Dasein.  Wie immer liegen arm und reich hier dicht beieinander. Das Klischee des allgegenwärtigen Elends, das Kalkutta oft anhaftet, bestätigt sich hier allerdings nicht auffälliger als in anderen indischen Großstädten auch, soweit ich das bisher beurteilen kann.

Montag, 19. März 2012

Der Ganges fließt

Wenn auch träge und mit nicht all zu viel Wasser bewegt sich der heilige Strom stetig Richtung Osten, besonders schön am Abend, wenn hunderte Öllichter auf ihm schwimmen. Die Anzahl der Motorboote ist nach wie vor sehr überschaubar, es wird still gerudert. Gestern Abend musste ich erstaunt ein "Party-Boot" sichten, das bunt beleuchtet indische Popmusik in die Stille absonderte, everything is possible.

Auch erstaunlich fand ich eine Demonstration am Asi Ghat, dem südlichen Stadtende. Dort wurde lautstark gegen die Verschmutzung der heiligen Gewässer durch Seife und Müll protestiert. Morgentliches Bad ja, aber bitte ohne Schampoo - hier regt sich das ökologische Gewissen ungewohnter Weise.

Der Hauptzugang zum Ganges gehörte am späten Nachmittag einer unüberschaubar großen Pilgergruppe aus Maharashtra. In bunten Trachten wurde musiziert und wilde Tänze lockten Zuschauer herbei und sorgten für viel fröhliche Stimmung. Das war doch mal ein schönes Vorsprogramm zur Krishna-Zeremonie.

Mal die Welle machen
Heute war dann die obligatorische Bootsfahrt fällig. Zum Sonnenaufgang an den geschäftigen Ghats vorüber rudern lassen erfreut Auge und Gemüt. Leider wurde die Sicht durch große Botte stark beeinträchtigt, in denen japanische Reisegruppen gleich busladungsweise ufernah befördert wurden. Japanische Gruppen fallen dabei besonders durch die Uniformiertheit ins Auge: alle mit den gleichen weißen Käppchen, gelben Jäckchen und dem wohl unverzichtbaren Mundschutz ausgestattet. Das gibt ein ganz putziges Bild ab, aber doch bitte nicht mitten im Getummel badender Brahmanen, das will man nicht. Auch eines der letzten Tabus, Fotografieren an den Verbrennungsstätten, scheint für reisende Horden aus Nippon aufgehoben, ich bin verwundert. Beim Frühstück warnt mich übrigens ein in meinem Gästehaus logierender Japaner nachdrücklich vor Reisen nach Japan in den nächsten Jahrzehnten. Dort sei alles verseucht, man schenke der Regierung keinen Glauben.

Coca Cola
Nahe der Verbrennungsstätten treffe ich später auch einen der wenigen echten Sadhus, die nicht als spendensammelndes Fotomotiv unterwegs sind. Der alte Mann rezitiert in schönem, wenn auch etwas unmelodischen, Singsang die heiligen Schriften, tief versunken und völlig desinteressiert am Geschehen in der Umgebung. Eine ganze Weile setze ich mich dazu und erfreue mich am Augenblick. Hier gibt es einfach viele Ecken, wo man lange sitzen und zusehen kann, ohne dass sich Langeweile einstellt. So werde ich es am letzten Tag in Varanasi dann auch machen, weitere Programmpunkte sollen nicht sein.

Sonntag, 18. März 2012

Heiliges Varanasi

Ich war recht froh, Allahabad zu verlassen. Der Zug, der immerhin schon an die 2000 Kilometer hinter sich hatte, kam nur eine halbe Stunde verspätet, sehr schön. Am Bahnhofskiosk kaufte ich "Trains at a Glance", auf 300 Seiten enthält dieses Kursbuch für 50 Cent alle Züge, die auf den 64000 Bahnkilometern Indiens verkehren. Weiteres Wissenswertes wird kundgetan, eine ganz nette Lektüre für unterwegs. Über mehrere Seiten werden die unterschiedlichen Rabatte für Fahrkarten aufgeführt. Neben den üblichen Ermäßigungen für Senioren oder Kriegsversehrte gibt es zahlreiche teils recht exotische Rabatte. Weibliche Studentinnen aus ländlichen Gebieten sparen die Hälfte; Eltern, die ein Kind zur Verleihung der Ehrenmedaille begleiten, gar 75%. Auch Kadetten, die zu Navigationskursen der Handelsmarine unterwegs sind, reisen sehr preiswert. Ich fühle mich nun vollumfänglich informiert.

In Varanasi logiere ich wieder im Ganpati Guesthouse, ich finde, eine der schönsten Herbergen Indiens. Schön, wieder hier zu sein! Ein Genuss ist die Stille, abends auf der Dachterrasse sitzend. Kein Verkehrslärm stört, nur der Ganges fließt dahin und die Klänge der abendlichen Krishna-Zeremonie liegen in der Lufr. Wo sonst hat man eine solche Ruhe mitten in einer indischen Millionenstadt?

Varanasi, die ewige Stadt, lohnt immer einen Aufenthalt. Hier ist Schluß mit Müßiggang, zum Sonnenaufgang morgens um sechs bin ich am Gangesufer, wie tausende Pilger aus dem ganzen Land. Die morgentlichen Baderituale sind stimmungsvoll, Stunden lässt sich an den Ghats, den Treppen zum Wasser, verweilen.

Qualmender Gruß an die aufgehende Sonne
Man könnte meinen, Varanasi habe eine eigene Grußformel für Fremde entwickelt. Statt "hello" begegnet einem hier ein hundertfaches "boat?", das man entweder ignorieren, oder mit einem freundlichen "helicopter?" beantworten kann. Die Scharen der Schlepper und Händler suchen schon ihresgleichen, dazwischen finden sich aber unheinlich viele freundliche Menschen und interessante Begegnungen, wenn man sich Zeit nimmt. Die habe ich zum Glück.

Tee beim Baba
Immer wieder sind Menschen hier erstaunt, dass man kein Hindi spricht. Schon in Allahabad wurde ich manchmal nach dem Weg oder sonstigen Auskünften befragt, wobei ich sicher nicht wissend aussah, und man war immer irritiert ob der Sprachunkenntnis. Zumindest haben wir die gemeinsamen Wurzeln der indogermanischen Sprachfamilie. Nein heisst hier nahin, ja ist mit ha zu übersetzen, wo also ist das Problem.

Außer dem Flussufer ist das Labyrint der Altstadtgassen ein toller Zeitvertreib. Etwas lästig sind die hier verkehrenden Motorräder. Kaum dem Gefährt ausgewichen, wird man hinterrücks von einem Lastenkarren überrollt oder von einer Kuh über den Haufen gerannt. Ein notwendiges Ausweichmanöver drängte mich durch einen Vorhang in einen Ladeneingang und unversehents stand ich im Verschlag des ohnehin benötigten Barbiers, sehr praktisch. Mittlerweile finde ich das Hotel sogar von der Altstadtseite aus, was nicht unkompliziert ist. Gestern allerdings verperrte dann ein recht großer, hinkender Stier die entscheidende Gasse.

Dank Wifi in der German Bakery (wo es prima Frühstück und echten Kaffee gibt) komme ich mal wieder zum Schreiben. Leider funktioniert hier bei Wifi-Zugängen - warum auch immer - der Fotoupload nicht, es bleibt also vorerst beim schnöden Text.

Donnerstag, 15. März 2012

Durch Dick und Duenn

Die gestern verzehrten Pakoras hatten offenbar ein Altoel-Problem. Das hatte unangemessen haeufige Toilettenbesuche zur Folge, was durchaus passieren kann. Ich verordnete mir einen halben Tag Bettruhe und nach einem Beutel Elotrans (eine tolle Elektrolyte-Glukose-Mischung mit allem, was man so braucht) moechte man fast wieder Baume ausreissen. Ich entscheide mich dagegen und fuer ein wenig Herumgefahre mit einer der wenigen Motorrikschas.

Das koennte die die gammeligste Rikscha des Landes gewesen sein, weder Licht, noch Spiegel oder gar Amaturen, dafuer drei Raeder und einen Haufen Rost oben drauf. Damit scheppern wir quer durch die Stadt zum Haus der Familie Nehru. Der erste Premierminister wohnte hier mit seiner Familie und heute ist das ganze ein Museum. Ein ordentliches Anwesen, die Familie gehoerte zu den Wohlhabenderen.

Meine Erkundigungen zum Kumbh Mela naechstes Jahr gestalten sich recht schwierig und widerspruechlich, ich hatte nichts anderes erwartet. Nicht viel schlauer als zuvor werde ich morgen Allahabad verlassen. Eine Stadt, die man nicht unbedingt gesehen haben muss und die ausser dem heiligen Sangam nichts gross zu bieten hat.

Mittwoch, 14. März 2012

Allahabad

Zugfahren ist in Indien immer wieder eine feine Sache. Gestern kam ich zeitig zum Bahnhof und dort gibt es am Eingang eine grosse Anzeigetafel fuer alle Zuege. Alle - bis auf meinen. Der tauchte dort nicht auf. Hm, ob des bereits drei Monate vorab gebuchten Tickets machte ich mir doch kurz Sorgen, aber erstmal rein in den Bahnhof, durch die Sicherheitskontrolle. Da war dann guter Rat auch erst teuer, da ist naemlich kein Mensch, den man befragen koennte. Ein Gepaecktraeger erwies sich schliesslich als hilfreich und verwies mich auf Gleis 16, sein Kollege bestaetigte dies. Gleis 16 heisst: genau am anderen Ende des Bahnhofes, Gleis 1 bis 15 wollen auf endlosen Treppenuebergaengen ueberwunden werden. Vielleicht haette ich den Traeger doch gleich engagieren sollen.

Die Gleisangabe war indes voellig korrekt. Puenktlich auf die Minute verlasse ich Delhi. Zum ersten mal fahre ich mit einem Rajdhani Express, dass ist eine besonders schnelle Zugklasse, eine Art ICE. Es gibt nur erste und zweite Klasse, sonst ist der Zug nicht anders als alle anderen. Doch, er ist aussen rot statt blau. Und verfuegt, wie ich dann feststelle, ueber einen besonderen Service. Kurz nach der Abfahrt wird bereits Mittagessen serviert: ein Gemuesecurry, Dhal, Reis, Chappatis, Pickles, Eis zum Nachtisch. Dazu bekommt jede reine grosse Flasche Wasser, alles im Fahrpreis enthalten! Zum Glueck hatte ich nicht allzu viel Proviant eingekauft und die Kekse kann ich auch spaeter noch brauchen. Zwei stunden spaeter wurde Tee gereicht, mit warmen Gebaeckteilen und allerlei Keksen. Wieder zwei Stunden spaeter gab es einen Snack bestehend aus Salzgebeck und einer Tomatensuppe, dann letztendlich ein Abendessen, umfangreich wie am Mittag. Erstaunlich das alles, besonders, dass die mit mir das Abteil teilende indische Familie die ueppige Verpflegung noch eifrig mit mitgebrachten Speisen ergaenzte. Ich habe die "meals on wheels" schon nicht ganz aufessen koennen. Wie machen die das, eine  Zugfahrt ueber 650 Kilometer fuer etwa 18 Euro in der zweitbesten Klasse und dann noch mit Vollverpflegung?

Wir sammeln kanpp eineinhalb Stunden Verspaetung an bis Allahabad. Das Hotel liegt einen Katzensprung vom Bahnhof, wie ich jetzt sicher weiss. Spaet abends und in Unkenntnis der Stadt nahm ich vorsorglich eine Rikscha, was fuer ein Geschaeft fuer den Rikschamann. Im vorgebuchten Hotel hatte man wohl nicht mehr mit meinem Erscheinen gerechnet oder betrachtet ankommende Gaeste generell als eher stoerend, den eindruck vermittelte zumindest der diensthabende Rezeptionist. Die fuer mit vorgesehene Behausung wurde zuvor von anderen bewohnt, die dort woertlich gehaust haben. Man hatte noch keine Zeit gefunden, diesen Zustand zu veraendern und das musste jetzt nachgeholt werden. Ich konnte zusehen, wie ein lustloser Angesteller das Bettzeug wechselte, kosmetisch ueber den Boden feudelte und wenige Teile der Mobilaroberflaechen mit einem Lappen streichelte. Nun, man will nicht klagen, wenigstens das Bettzeug ist in Ordnung und es gibt sogar zwei richtig saubere Handtuecher.

Kann man doch auch erwarten, schliesslich ist das hier "Deluxe". Indische Hotelzimmer sind nie einfach nur Zimmer, die sind immer Deluxe, Super irgendwas, luxery, Diamond, special, executive Suite... kurz, kaum noch auszuhalten vor Superlativen, die den verwoehntesten Gast umschmeicheln. Die Realitaet hingegen ist trist. Super Luxus heisst in der Regel: ein Bett steht drin und eine der zig Lampen funktioniert wirklich. Bei meinen Internetrecherchen habe ich ein Hotel gefunden, wo es auch Deluxe Zimmer gab und ausserdem, man staune, deutlich teurere "standard rooms". Herrlich, das wollte ich schon der Idee wegen buchen.

Doch zurueck zu Allahabad. Eine Stadt wie viele andere, die zunaechst nicht eben mit Besonderheiten aufwartet. Das alte Viertel Chowk, wo ich wohne, ist Chaos pur. Das kommt Delhi kaum mit, was Verkehrslaerm und wildes Treiben angeht. Auch hier ist man halt in einer Millionenstadt, das ist selten idyllisch. Bekannt ist Allahabad im Grunde nur wegen des Sangam. Das ist der Zusammenfluss von Yamuna und Ganges, sowie einem weiteren angeblichen, mystischen, unterirdischen Fluss, die sich hier vereinen zum "wahren" Ganges. Das heisst: der Ort ist heilig, heilig, heilig. Nicht umsonst findet hier das groesste der Kumbh Mela Feste statt, auch zu normalen Zeiten ist der Ort beliebtes Pilgerziel. Also fahre ich hin, zum Sangam. Denn der ist recht weit entfernt von der Stadt, so etwa 40 Minuten mit der Fahrradrikscha, also sicher eineinhalb Stunden zu Fuss. Motorrikschas gibt es hier kaum, allenfalls die grosse Variante mit zwei Baenken, die als Sammeltaxi und Linienbusersatz fungiert. Also Fahrradrikscha, gleich gemietet fuer einen halben Tag.

Wo heilige Wasser fließen, sind bunte Vögel nicht fern
Der besagte Zusammenfluss ist im Grunde auch nicht aufregender als das deutsche Eck, nur nicht so zugebaut. Im Gegenteil, rundherum ist kilometerweites Brachland, wo zum Kumbh Mela die Zelte aufgebaut werden. Jetzt gibt es nur einige Buden fuer die regelmaessig eintreffenden Pilgergruppen und ueberteuerte Bootsfahrten zum eigentlichen Zusammenfluss in der Flussmitte, wo Prister auf Plattformen gegen Geld Gebetsriten vollfuehren. Zu den absoluten Spitzenzeiten der Kumbh Mela sollen Boote wohl bis zu 1000 Rupien kosten, las ich. Mir wurde heute gleich eines fuer 1200 angeboten und ich warf mich weg vor Lachen. Am weitlaeufigen strand gab es auch erstmal genug zu sehen, allerlei Pilger gaben ein buntes Bild ab. Weiter ging es zum Tempel das Affengottes Hanuman. Der ist hier populaer und ungewoehnlicher Weise liegend dargestellt. Der Weg zum Hanuman-Tempel ist gesaeumt von Bettlern, besonders vielen Leprakranken. Vom liegenden Gott sieht man nicht viel, den der verschwindet unter einem Berg Blumengirlanden und staendig werden weitere drauf geworfen.

Der Ort des Zusammenflusses
Auf dem Rueckweg fallen mit im Vorbeifahren gleich vier Waffengeschaefte auf. In heiligen Orten braucht man vielleicht unheilige Hobbies zum Ausgleich, besorgniserregend. Den Rest des Tages streife ich ziellos durch die Altstadt, staune wieder ueber die volle Ladung Indien. Ein Passant moechte ein Autogramm von mir, er sprach wohl noch nie mit einem Auslaender. Sprechen ist auch uebertrieben, denn hier liegt ein Grundproblem fuer meine Forschungen zum naechsten Kumbh Mela: hier spricht so gut wie niemand Englisch. Selbst mit den Hotelangestellten und Rikschafahrern ist nur sehr eingeschraenkte Kommunikation moeglich. Ein Touristenort ist das hier auch eher nicht, ich sah bisher keinen einzigen. Dafuer gibt es wieder Tee fuer drei Rupien, ist doch schoen.

Dienstag, 13. März 2012

Und nochmal Delhi

Gleich am ersten Abend traf ich einen (quasi) Kollegen aus Köln und wir waren gezwungen, bis zur Sperrstunde in einer dubiosen Bar auszuharren. In der Folge habe ich am kommenden Tag erstmal den Hotelnamen beim Wort genommen - Relax. Viel stand eh nicht auf dem Programm und schließlich ist Urlaub.

Das Indisch-Englisch treibt manchmal schöne Blüten. Ein Ladenbesitzer wollte mich anlocken und wohl ausdrücken, dass sein Geschäft auch bei einheimischer Kundschaft sehr beliebt sei. Dazu bediente er sich der Formulierung: "You come... buy Indians here!" Auf meine Frage, was ich denn dann mit den gekauften Indern anfangen soll, wußte er auch keinen Rat und so ging ich ohne Geschäftsabschluss meiner Wege.

Delhi ist gefürchtet für die permante Belästigung durch Schlepper aller Art. Das scheint mir aber absolut nachgelassen zu haben, oder ich habe durch mehrere Indienaufenthalte mittlerweile eine Immunität entwickelt. Ich war am Bahnhof, um mir den umfangreichen Zugfahrplan "Trains at a glance" zu besorgen. Dort wird man normalerweise immer von irgendwelchen Schleppern aufgehalten, die einen in die Reisebüros der Umgebung zum überteuerten Ticketkauf überreden wollen. Der Schalter im Bahnhof sei zu, umgezogen usw. Ich hatte mich schon auf unterhaltsame Begegnungen dieser Art gefreut und eine ganze Weile vor dem Eingang herumgelungert - nichts, kein einziger Kundenfänger. Erstaunlich.

Den gestrigen Nachmittag habe ich komplett auf dem Gewürzmarkt zugebracht. Ich liebe diese Ecke, ein endloses Gewusel, duftende Gewürze, einfach ein Platz zum Sehen und Staunen.  Interessant auch die Fahrt in der völlig überfüllten Metro, die mit ihrem modernen Auftritt immer noch etwas fehl am Platze anmutet. Dort werden mittlerweile Sicherheitschecks durchgeführt, die jedem Flughafen Ehre machen würden. Hat man sich erst einmal durchgedrängelt und den Waggon geentert, ist das ganze durchaus schnell und effizient. Zwischenzeitlich wurde sogar die Strecke zum Flughafen fertig gestellt, immerhin deutlch schneller als die neue U-Bahn in Köln.

Mit Sack und Pack auf dem Gewürzmarkt
Ein heftiges Gewitter in der letzten Nacht offenbarte heute morgen Konstruktionsmängel auf der hoteleigenen Terrasse. Der Abfluss wurde versehntlich auf den höchsten Punkt des Bodens gelegt, was einen knöcheltiefen See auf der halben Terrasse zur Folge hatte. Frühstück mit Fußbad, nicht weiter schlimm. Ein Angestellter musste das dann mühsam Richtung Abfluss schrubben und danach sah ich den Balkon sauber wie nie zuvor. Jetzt müsste sich nur noch jemand erbarmen und den Taubendreck von den Tischen wischen. Weiß Vishnu, ob dies jemals geschehen wird.

So, dann wird nun das zweite Frühstück beendet und in Kürze startet mein Zug nach Allahabad.

Sonntag, 11. März 2012

Altes Delhi - neues Delhi

Die Reise hat begonnen. Über das Gesundheitsbewusstsein mancher Asiaten konnte ich schon am Frankfurter Flughafen dazu lernen. Eine Japanerin (?) verließ nach dem Konsum mehrerer Zigaretten den dafür vorgesehenen Räucherkabuff, nicht ohne sich zuvor vom akuraten Sitz des wieder angelegten Mundschutzes zu überzeugen. Droht dort draußen die Gefahr? Hilft das? Man weiß es nicht, aber man wünscht es der Dame.

Qatar Airways wurde 2011 zur besten Airline der Welt gekürt. Den Transporteur kann ich auch durchaus empfehlen, wobei die Servicequalität von Singapore Airlines (jetzt Platz 2) doch nicht erreicht wird. Indes kann ich von Doha - das ist die Hauptstadt von Katar - als Zwischenlandungsort nur abraten. Gar trist ist der dortige Flughafen, ein Duty-Free und ein Coffeshop buhlen um die Aufmerksamkeit des zwangsläufig gelangweilten Globetrotters. Außerdem gibt es noch einen Raucherraum von derart schäbiger Qualität, wie man es selten sieht, ich musste einen Aufenthalt dort verweigern. Da lobe ich mir doch die Nachbaremirate Dubai und Abu Dhabi, die wissen, wie Flghafen geht. Der Emir von Katar hat wohl ein Einsehen, noch dieses Jahr soll der neue Airport fertig werden, auch wenn es mir auf dem Rückflug leider nichts nutzt und ich dann wieder zwei Stunden Tristesse erdulden muss.

Mehr als pünktlich landete ich heute morgen bei gerade mal 12° in Delhi. Das hat sich bis Mittags dann aber auf 30° korrigiert, so gesehen alles gut. Auch gut: der neue Terminal am Flughafen von Delhi. Der alte Flughafen bedient nun nur noch Inlandsflüge, der neue ist mit Teppich ausgestattet und verfügt über ein Parkhaus nach europäischem Standard. Auch die Preise für's Parken sind fast wie daheim, kein Wunder, das der bestellte Pick-up nun etwas teurer zu Buche schlägt.

Neben den Äußerlichkeiten hat sich allerdings auch die Atmosphäre dort verändert. Wo ist die schreiende Menschenmasse, durch die man sich früher den Weg bahnen musste? Geblieben ist nur ein Häuflein diszipliniert da stehnder Abholer mit Namenschildern, brav aufgereiht an einem kleinen Zaun. Keine Gepäckträger, Taxifahrer, besten Freunde, Bettler und was sich da sonst so alles herumtrieb und müden Europäern direkt bei der Ankunft lehrte, wo hier Bartel den Most holt. Man könnte fast meinen, in der falschen Stadt gelandet zu sein.

Der Verkehr gebärdet sich heute recht mäßig, es ist Sonntag. Zügig erreiche ich mein Hotel und beziehe ein Zimmer mit gleich zwei Fenstern und den hier gewohnten steinharten Matratzen, von wegen Hotel Relax. Aus einem Fenster in die Seitengasse reiht sich Neu-Delhi in dieser Form aneinander: mein Teeverkäufer, daneben ein Milchladen, gefolgt von einer kleinen lärmenden Werkstatt für alles und nichts, ein öffentliches Urinal (welches ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte, obwohl x mal durch diese Gasse gelaufen) und gleich daneben ein kleiner Tempel. Wundersames Indien, komprimiert auf ein paar Meter Gasse.

So schaut's aus unter meinem Fenster

2010 waren im Main Bazaar, der Hauptstraße durch die Touristengegend am Bahnhof Neu-Delhi, große Bauarbeiten im Gange. Die "Straße" aufgerissen, halbe Häuser wurden zerlegt, es sah aus wie nach einem Bombeneinschlag. Auch hier wurde aufpoliert für die später stattfindenen Asean Games, war zu erfahren. Das Ergebnis kann ich nun betrachten. Wir hatten da gewisse Befürchtungen, dass sich das Viertel in eine Hochglanz-Fußgängerzone verwandeln könnte, wie die Khao San Road in Bangkok. Aber das ist natürlich Quatsch, wir sind hier in Indien. Eigentlich sieht alles genauso aus wie vor der Renovierung. Der Straßenbelag ist neu und dennoch ein ziemliches Flickwerk, welches so nach und nach wieder unter Staub verschwindet. Die untere Hälfte der Straße, dem Bahnhof gegenüber, ist wohl verbreitert worden. Wie es aussieht, wurde der vordere Teil der Häuser einfach abgerissen und entsprechend wirken die Fassaden nun etwas zusammen geschustert. Nicht, dass dies groß auffallen würde, das passt nahtlos ins Straßenbild. Ein großes neues Hotel ist entstanden und ein Coffeshop mit Wifi (den ich gerade nutze), ansonsten: same-same, not different.

Eingang zum Main Bazaar
Der kleine kundige Mobilfunkladen existiert noch und dank guter Vorbereitung - Passkopie, ein Foto - bin ich binnen Minuten auch wieder Teilnehmer im indischen Mobilfunknetz. Das sorgt für preiswerte Kommunikation nach Hause und vor Ort. Auch sonst find eich alles vor wie gewohnt, ein bischen wie nach Hause kommen, hier war ich ja nun schön öfters. Entsprechend verläuft der Tag angenehm unaufgeregt, inklusive Mittagsschlaf und viel Herumgesitze ohne die Sorge, etwas zu verpassen. Sollte man im Hotel zwischenzeitlich die noch fehlenden Handtücher gefunden haben, freue ich mich jetzt auf eine Dusche.

Einfach mal relaxen