Mittwoch, 28. Februar 2018

Wenn es Nacht wird in Yangon

... ist es nach wie vor recht düster und von schummeriger Straßenbeleuchtung mäßig erhellt. Die ein oder andere Neonreklame ist dazu gekommen, aber noch immer werden gefühlt spätestens um zehn die Bürgersteige hochgeklappt und die Stadt versinkt allmählich in Stille und eben Schummerigkeit.

Hell erstrahlt allerdings die Schwedagon Pagode über der Stadt
Das ist neu:Sky-Bar mit DJ und schäußlicher Musik

Doch fangen wir vorne an. Nach 12 Jahren wieder in Myanmar, wo sich zwischenzeitlich einiges getan hat. Wie will man das zusammenfassend beschreiben? Vielleicht wie die neuen Bundesländer ein paar Jahre nach Ende der DDR, so ähnlich kommt es mir hier vor, nur etwas langsamer (ohne Soli).

Die Einreise am neuen Flughafenterminal kann man als sehr geschmeidig bezeichnen. Man muss auch nicht mehr unterschreiben, dass man nicht gedenkt, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen (was man natürlich weiterhin unterlassen sollte). Geld ist zügig gewechselt und dank größerer Noten muss man auch nicht mehr mit der Plastiktüte anrücken, um bündelweise Landeswährung nach aufwändigem Zählprozess wegzuschleppen. Der größte Schein sieht zwar etwas nach Monopoly aus, bringt aber immerhin einen Gegenwert von rund 6,50 Euro (früher war es ein Zehntel davon). Die Landeswährung Kyat (sprich: Tschat) ist inzwischen auch populärer, man kann quasi alles damit zahlen.

Originelle Nennwerte wie 45 ...
... oder 90 Kyat sind lange schon außer Betrieb, ebenso wie ...
die "Foreign Exchange Certificate" (FEC), die früher zwangsweise von Touristen zu tauschen waren

Mit den frisch getauschten Kyat kaufe ich schnell noch eine SIM-Karte. Smartphone und LTE sind allgegenwärtig, eine der wohl auffälligsten Veränderungen.

Mobiles Internet ist nun unausweichlich

Mein Guesthouse, natürlich per Internet vorbestellt, ist nicht ganz einfach zu finden. Der steile Treppenaufgang zwischen Wasserrohr- und Zementhandel glänzt mit rein burmesischer Beschriftung. Ein lesbares Schild befindet sich sehr dezent lediglich am Balkon im 2. Stock, da muss man schon zweimal hinsehen. Zunächst war die Herberge wohl auf rein einheimische Kundschaft ausgerichtet. Dafür wohnt man hier in einer üblichen Etagenwohnung mit Familenanschluss und gewinnt ein bischen Einblick in die Wohnverhältnisse der Stadt. Mein Zimmer ist das ausgewiesene "special room", was sich an vorhandenen Fenster und der Klimaanlage festmacht. Die meisten anderen Zimmer sind innenliegend ohne Fenster und noch spartanischer. Der Inhaber ist ausgesprochen fürsorglich um das Gästewohl besorgt und bemüht sich redlich mit rudimentären Englischkenntnissen. Dafür kann man abends nett mit ihm auf dem Balkon sitzen und bei einem Bier Musik vom Handy hören.

Aha, hier wohne ich also?!
Typische Wohnhäuser in meiner Straße

Die Häuser sind meist 6-7 geschossig und mit Balkonen versehen. Morgens kann man beobachten, dass allerlei Waren in Körbchen mit Schüren in die oberen Etagen befördert werden, das spart das Treppenlaufen vor dem Frühstück, clever.

Viele verwitterte Kolonialfassaden stehen noch in Yangon, vergleichbar sieht man ähnliches nur in Kolkata. Allerdings wird zunehmend abgerissen, angesichts der maroden Bausubstanz verständlich, für das Stadtbild aber eher nicht förderlich. Einige wenige neue Hochhäuser sind hinzu gekommen und noch weniger Hochglanz-Shoppingmalls. Die Verwestlichung (also Vereinheitlichung) des Stadtbildes ist hier nur punktuell sichtbar und fällt - noch - aus dem Rahmen. Verzigfacht hat sich der Verkehr, Stau ist an der Tagesordnung. Herrschten bei meinem letzten Besuch noch "kubanische Verhältnisse", sind heute die Schrottkarren aus den 80ern (und älter) verschwunden und wurden zumindest duch solche aus den 90ern ersetzt. Dieses mal hatte ich bei keinem Taxi die Sorge, das der Wagen noch vor der Ziellinie auseinanderfällt.

Es ist schon erstaunlich, wie zügig die Globalisierung von neu geöffneten Märkten Besitz nimmt. Ein kleines Beispiel ist die bumesische Star Cola, früher die fast einzige erhältliche und für wenige Pfennige überall zu bekommen. Sie wurde komplett von Coca-Cola verdrängt, schmeckt genauso, kostet zehnmal so viel.

Coca harmosiert farblich allerdings besser zur Mönchskutte

Vieles ist, natürlich, teurer geworden. Doch davon völlig abgesehen schätzen die Menschen das, was sie mit "open mind" bezeichnen, eine vorher nicht gekannte Freiheit. Es sei ihnen gegönnt und es bleibt zu hoffen, dass dabei nicht viele auf der Strecke bleiben.

Schön: Alltag vor dem neuen "KFC"


Nach wie vor prägt der Buddhismus stark den Alltag. Die Pagoden sind gut besucht und weiterhin sind Touristen hier eher die Ausnahme. Natürlich suche ich auch wieder die ein oder andere religiöse Stätte auf, natürlich die Swedagon-Pagode, das Wahrzeichen der Stadt. Es ist eines der beeindruckendsten Tempelbauwerke und auch der soundsovielte Besuch begeistert immer noch.

Die Sule-Pgode im Stadtzentrum ist von neuen Hochhäusern eingekreist
Geblieben sind die kleinen Fotoläden an der Außenseite, wenn auch inzwischen digitalisiert
Gold dominiert die Swedagon-Pagode
Ein Ort für traditionelle Zeremonien
Nonnen im Gebet
Change the World

Sehr skuril ist gleich zu Füßen der Swedagon-Pagode der kleine Freizeitpark "Happy World", so eine Art Kinderkirmes in einer großen Halle. Auch das will man gesehen haben. Außerdem gibt es draußen ein Freiluftrestaurant, wo ein ebenso scharfer wie billiger gebratener Reis, thai style, als spätes Frühstück willkommen ist. Dazu ein frischer Orangensaft. Und Kaffee. Und noch ein Eiskaffe. Und schon sind fast drei Euro verprasst.

Ballerspiele. Happy World?

 Einen Vormittag fahre ich mit dem "Circle Train" in drei Stunden eine Runde durch die Vororte. Das Vergnügen kostet ganze 13 Cent (manches ist nach wie vor unglaublich billig) und ist eine interessante Angelegenheit, die ich bisher noch nicht erlebt hatte. Nach uns nach besteigt ein halber Markt den Zug, drinnen gibt es meist mehr zu sehen als beim Blick nach draßen. Auch hier fällt man als Ausländer doch eher auf, was aber alle Mitreisenden eher amüsant finden.

Circle Train
We are one

In einem Park der Innenstadt findet eine Freiluft-Fotoausstellung statt, unter anderem mit Bilden des "World Press Photo Award 2017", die immer sehenswert sind. Dazu gesellen sich lokale Fotografen, netterweise hatte mein Herbergsvater mich auf diesen Event hingewiesen, sehenswert.

Sehr schön: hinter dem Bild "Love" ein heimlich hinter'm Schirm knutschendes Päärchen

Heute war dann Aufbruch angesagt. Ich schreibe erst jetzt, das das Internet im Küstendorf Ngwe Saung erstaunlicher Weise rasant ist im Vergleich zum Wifi in Yangon. Dort war das Hochladen von Fotos völlig utopisch.

Um 5:30 Uhr ging mein Taxi zum weit außerhalb gelegenen Busbahnhof. Das war teurer als die eigentliche Busfahrt, aber ich konnte auch keinen besseren Kurs aushandeln als den vom Guesthouse organisierten. Es wurde immer auf "schlechte Straßen" verweisen. Stimmt, einen Qualitätspreis gewinnt die letzte Hälfte der Strecke nicht. Es wird aber auch davon nicht besser, wenn man wie ein Irrer da durch kachelt (einen entsprechenden Hinweis kann mein Fahrer mangels Sprachkenntnis nicht entgegen nehmen).

Nach einer Stunde Taxifahrt bin ich zeitg am Busbahnhof in der Pampa. Zum Glück gibt es eine Bude, wo man bei höllenlauter burmesicher Schlagermusik preiswert Nescafe konsummieren kann. Es folgen sechs Stunden Busfahrt inklusive Mittagspause. Erstaunlicher Weise sind auch auf dieser Strecke Ausländer wenig vertreten, immerhin geht es in einen der wenigen Badeorte des Landes. Von dort berichte ich dann beim nächsten Mal mehr.

Des Morgens am Busbahnhof
Mitreisende bei der Fahrt durch üppige Landschaft im Ayayarwaddy-Delta

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