Mit dem Sonnenaufgang kommen die Krähen |
Alles wartete auf die Sonne |
Ein Tee beim Baba ist immer ein guter Start in den Tag. Angebotene Rauchwaren lehne ich ab. |
Planmäßig geht es dann des morgens weiter nach Delhi, wo ich erst einmal ein paar Stunden am Flughafen totschlagen muss. Ich miete mich in eine super relaxing luxury lounge ein für zwei Stunden. Da gibt es was zu Essen, Kaffee, in die Jahre gekommene Gebrauchtmöbel und einen Internetzugang. Genug, um sich eine Weile zu beschäftigen.
Der Böse war heute der Sicherheitsmann am Flughafen Varanasi. Das man mittlerweile Dies und Denes auspacken und dann wieder alles neu durch die Röntgenmaschine schicken muss, ist schon fast Gewohnheit, es wird immer schlimmer. Allmählich muss jedes Kabel einzeln durchleuchtet werden. Was hier erstmals moniert wird, ist die Schere in meinem SwissTool. Eine winzige Schere. So eine, wie sie auch an Taschenmessern dran ist. Wenn bitte soll man damit bedrohen, außer einem Stück Papier oder einem Fingernagel? Egal, keine Diskussion, Schere ist Schere. Also konfisziert, da hilft auch kein Nörgeln beim Vorgesetzten. Diskussionen gibt es dann nach x-maliger sorgfältiger Prüfung meiner Kulturtasche dann auch noch über die dort aufbewahrte Nähnadel. Ich werfe mich bald weg vor Lachen und biete an, falls gewünscht, diese Nadel gern dem Meister der Kontolle zum Geschenk zu machen. Will er dann doch nicht.
Angekommen in Amristar ist es schon dunkel. Hier wirkt alles schwer entspannt, der Flughafen ist offenbar einer der gemütlichen Sorte. Am Ausgang bestürmen einen nicht einmal Taxischlepper. Brav stehen dort etliche Menschen mit Schildern, um Ankommende abzuholen. So war es auch mit meinem Hotel vereinbart, aber ein entsprechendes Schild ist nicht vorhanden. Es ist noch früh, also mal abwarten. Eine ganze Weile später sind alle weg und es wird klar, das gibt hier nichts. Im allgemeinen ist man da sehr zuverlässig in Indien. Lässt man sich für jede beliebige Zeit ein Taxi zur Abholung rufen, steht das auch nachts eher eine Viertelstunde zu früh vor der Tür. Hier hat man mich wohl vergessen, auch das passiert. Da ich keine funktionierende Telefonnummer vom Hotel habe, kaufe ich ein Prepaid-Taxi. Ich habe eine vage Idee, wo sich mein Hotel befindet, einen Steinwurf vom Goldenen Tempel entfernt. Allerdings muss man wissen, ich welche Richtung der Stein geworfen werden soll. Der ganze Bereich um den Goldenen Tempel ist für Autos gesperrt, der Mann am Taxischalter malt mir aber eine grobe Wegbeschreibung auf.
Der Häßliche des heutigen Tages ist der Taxifahrer. Nicht äußerlich, aber er gehört zu den Dauerhupern und rast mit Vollgas im Slalom der Stadt entgegen. Überflüssige Features wie Kopfstützen und Sicherheitsgurte wurden auch vorsorglich aus dem Fahrzeug entfernt. Ich bin gewiss nicht zart besaitet, aber irgendwann ist es zu viel. Ich werfe ein, dass ich lieber geringfügig später, dafür aber lebend anzukommen gedenke. Das ändert wenig. Statt eines Trinkgeldes gebe ich dem Mann den gutgemeinten, für ihn allerdings vollständig unverständlichen, Rat mit, seinen Fahrstil unter Umständen zu überdenken.
Zu Fuß geht es weiter bis zum Goldenen Tempel und kurz vorher in das Gassengewirr abbiegend. Nach ein paar Fragen ist der richtige Weg recht unkompliziert gefunden und ich lande im richtigen Hotel. Dieses ist größer als erwartet, eine viergeschossige Pilgerherberge rund um einen großen Innenhof. Die versäumte Abholung wird wortreich entschuldigt und die Taxikosten zieht man großzügig vom Zimmerpreis ab, das habe ich auch noch nicht erlebt. Der Bilderbuch-Sikh an der Rezeption, komplett mit Rauschebart und Turban, ist der Gute, gleich von Anfang an. Nach dem Check-In gehe ich schnell noch das nötigste einkaufen in den Tante-Emma Läden ein paar Schritte weiter (wahrscheinlich heißen die hier eher Onkel-Singh Läden, keine Ahnung). Zigaretten gibt es keine. Aber nicht nur in diesem Laden, sondern nirgendwo in der Gegend. Über quasi die gesamte Altstadt im Umkreis mehrerer Kilometer vom Goldenen Tempel wurde mit Rauchverbot belegt, was den Verkauf gleich mit einschließt. Auf dem Gelände des Tempels, klar, das ist selbstverständlich, aber überall? Erstaunlich. Alkohol gibt es natürlich ebenso wenig, was mich aber nicht stört.
Ich frage den Guten, was zu tun sei. Kein Problem, dafür sei die Klingel in meinem Zimmer. Einfach betätigen und der Etagen-Boy besorgt, was man braucht. Zigarettenbesorgung sei nach kurzer Fahrradfahrt kein Thema. Ach ja: "You can smoke in the room, no problem." Ich liebe lösungsorientierte Menschen an Rezeptionen (obwohl man eigentlich aufhören sollte zu Rauchen, es wird immer komplizierter). Ich liebe auch den Service eines Etagen-Boys. Das lässt auf gehobenen Standard schließen, was allerdings keineswegs auf die Herberge zutrifft. Gemeinhin würde man es angesichts des Levels von Komfort und Sauberkeit sicher eher als Absteige klassifizieren, nach indischen Maßstäben ist aber alles in Ordnung. Nette Leute sind es die halbe Miete und die Lage (Steinwurf, s.o.) ist für meine Vorhaben ideal.
Heute spaziere ich durch die Gassen um den Tempel, teilweise gibt es gar breite und gepflegte Fußgängerzonen. Wo sieht man das schon in Indien? Alles wirkt hier sowieso gut aufgeräumt und die Leute sind im allgemeinen höflich und wenig aufdringlich. Ich bekomme langsam Probleme mit dem Kleingeldbestand, da Geldautomaten fast nur 2000er auswerfen, die niemand wechseln kann oder will. Also wage ich ein Experiment und suche eine Bank auf. Ich rechne mit allerlei Ausreden oder bestenfalls enormen bürokratischen Hürden angesichts der Idee, hier große in kleine Scheine zu wechseln. Statt dessen verweist der schwer bewaffnete Turbanträger, der die Einlasskontrolle vornimmt, an den Kassenschalter und ruft dem dort Tätigen irgend etwas zu. Meine beiden 2000er liegen noch nicht ganz auf dem Tresen, da erscheint schon ein dicker Packen 100er in der Hand des Bankmitarbeiters und in sekundenschnelle sind 40 Stück mit der Maschine abgezählt, nochmal gecheckt und ausgehändigt. Ohne jedes Formular, nach einer Minute bin ich wieder draußen mit einem Packen Kleingeld. Man wird doch immer wieder überrascht in Indien.
Mahnmal im Park Jallianwala Bagh |
Unweit der Bank findet sich die schmale Gasse, die als einziger Zugang zu einem kleinen, rundum von Häusern umgebenen Park führt, dem Jallianwala Bagh. 1919 war dieser Park Schauplatz des schlimmsten Massakers der Kolonialzeit, bei dem britische Soldaten wahllos in die dort versammelte friedlich protestierende Menge schossen und Hunderte töteten. Heute ist eine Gedenkstätte eingerichtet und Teile der damaligen von Einschüssen durchlöcherten Mauern sind noch vorhanden.
Ansonsten dreht sich in Amritsar alles um den Goldenen Tempel, wo ich heute ebenfalls schon einmal vorbei schaue, dazu aber später mehr. Auf die alle paar Meter angebotenen Fahrten zur Pakistanischen Grenze mit der abendlichen Grenzschließungszeremonie, wohl eine "must do" für Touristen, werde ich denke ich verzichten und mich auf die Tempelgegend auch morgen konzentrieren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen