Dienstag, 15. Oktober 2013

Heilung der Kapernphobie

Von der größten Metropole Europas habe ich mich mit kurzem Tankstopp nun aufgemacht in die kleinste Hauptstadt der EU, nach Valletta auf Malta. Das man sich hier zwar (mitterweile) in der Euro-Zone, aber auch südlich von Sizilien befindet, macht schon die Taxifahrt vom Flughafen unmissverständlich klar. Mein Kleinbusfahrer ist ein Multitaskinggenie. Er schafft es, unterwegs ununterbrochen wild gestikulierend zu telefonieren, dabei zu rauchen, die Gänge in das unwillige Getriebe förmlich hereinzuprügeln und die gesamte Breite der dreispurigen Straße für sich auszunutzen. Respekt, wir schaffen das ohne Unfall, was wegen der defekten Sicherheitsgurte zu begrüßen ist.

Angekommen ist es gegen 11 des abends. Da herrschen noch schwülwarme 25° und ich bin irgendwie zu warm beleidet. Meine Herberge ist verrammelt und nach meinem Klingeln passiert zunächst einmal gar nichts. Es dauert eine ganze Weile, dann öffnet eine geschätzt 100-jährige und 1,50 Meter große Dame im Morgenmantel. Die Hausherrin wirkt leicht verschroben und man muss sie sofort mögen und sich als Miss-Marple-Darstellerin vorstellen. Mit Nebensächlichkeiten wie dem Ausfüllen von Meldeformularen oder der Einsicht in Ausweispapiere beschäftigt sich die Dame nicht, Alter macht weise. Dafür erläutert sie mir ausführlich, wie mit der typisch maltesischen Doppelhaustüre (außen eine massive Holztür, vor der sich normalerweise noch mit einem Viehschutzgatter davor, dann einen Meter weiter drinnen eine hübsche Haustür mit Glaseinsätzen) zu verfahren ist: der kleine Schlüssel für die innere Tür, zum Öffnen, nicht abschließen, der große für die Außentür, diese nachts (das heißt sobald es um sieben dunkel ist) immer zweimal abschließen! Ich gelobe, wie angeordnet zu verfahren und auch meinen Zimmerschlüssel bei Verlassen des Hauses immer artig an das dafür vorgesehene Brettchen zu hängen. Dann erwerbe ich noch eine Zweiliterflasche Wasser und trabe mit meinen über 20 Kilo Gepäck (inklusive Fotozeug), dem Wasser und meiner viel zu warmen Jacke meinem Zimmer entgegen. Das ist oben, und bei 400 Jahre alten Häusern in Valletta heißt oben ganz schön weit oben, die Decken sind hoch. Unzählige ausgetretene und ungleiche, schwer hohe Stufen später erreiche ich mein Domizil und bin erstmal durchgeschwitzt, zumal es im Zimmer gefühlte 35° ist. Ich schlage die Warnung der Alten in den Wind, bei eingeschaltetem Licht niemals die Balkontür zu öffnen ("or it will be a desaster with the mosquitoes"). Lieber zerstochen als einen Hitzschlag erlitten! Übrigens ist von Mücken nichts zu sehen, Glück gehabt. Auf mit dem einzigen richtigen Balkon des Hauses, auf dem ich sitzen und rauchen darf. Dazu gibt es herrliche Ruhe. Ab zehn abends ist Valetta wie ausgestorben, totenstill. Die meisten der nur zwölftausend Einwohner treiben sich entweder in anderen Orten der Insel, wo Nachtleben geboten wird, herum, oder sind eben Frühschläfer. Schumrige Gassen, kein Autoverkehr, nur ab und zu tuckert ein Boot durch den Hafen, ja so erfreut das Balkonsitzen.

Morgentliches Valletta

Der heutige Tag beginnt um sechs, etwas widerwillig. Aber ich will den Sonnenaufgang über dem großen Hafen sehen und im Bild festhalten. Der optimale Standort, ein kleiner Park, öffnet allerdings leider erst um sieben. Ich find eeine mäßige Alternative, haste dann Punkt sieben zurück zum Park und schaffe es, vor der aufgehenden Sonne vorbereitet am Ort zu sein. Schon der Blick über die alten beleuchteten Städte am Grand Harbour gegenüber Valletta ist klasse. Auch wenn dem Sonnenaufgang ein paar Zierwolken gut gestanden hatten, es hat sich gelohnt.

Hafendocks frühmorgens

Um acht kann ich dann Frühstück in meinem Gasthaus einnehmen. Die Hausherrin wacht eisern darüber, dass alle an den richtigen Tischen (nach Zimmernummer) Platz nehmen, Kaffee nicht aus der falschen Kanne genommen wird (immer erst die Metallkanne leeren, dann darf man zur Termoskanne greifen!) und niemand verlässt den Raum, der nicht von den selbst eingemachten Pflaumen probiert hat! Es ist großartig, man muss sie wirklich lieben.

Den ganzen Tag verbrachte ich in Vallettas Gassen. Die Stadt ist klein, vielleicht ein Quadratkilometer, aber dafür ist die Landzunge, auf der sie sich befindet, ein wellenförmig verlaufender Hügel. Es get immer steil hoch oder runter, längs wie quer. Das Stadttor und die Hauptstraße liegen gute 60 Meter über dem Hafen, entsprechend artet das Ganze im Laufe des Tages zu einer kleinen Bergwanderung aus. Ach ja, es weht kein Lüftchen, es ist feucht, da reichen schon die 30° um Schweiss fliessen zu lassen. Zum Glück gibt es Kinnie, die maltesische Antwort auf Cola und Co. Kinnie ist eine bittere Limonade aus eben solchen Orangen und diversen Kräutern, schmeckt einfach saugut und wenig süß. Da kann Bionade im Vergleich eigentlich einpacken.

Weckt Lebensgeister
An steilen Straßen herrscht kein Mangel
An Treppen auch nicht

Ach so, zum Titel müsste noch etwas gesagt werden. Lange hasste ich Kapern. Als Kind sind sie mir im Grunde nur in der Darreichungsform "Königsberger Klopse" begegnet, was ausreichte, sie mir zu verleiden (das schaffen nicht viele Sachen). Kapern waren bei mir ein no-go, bis ich vor 18 Jahren das erste mal nach Malta kam und irgendwann eine Thunfischpizza bestellte, die übersäht war von dem Zeug. Nun gut, jedes Gewächs hat eine zweite Chance verdient, vielleicht. Und ich musste feststellen, das Kapern nicht gleich Kapern sind und eine Pampe wie die Klopse etwas völlig anderes als Kapern in Symbiose zum Beispiel mit Fisch (sie heissen ja auch umgangssprachlich "Baumfische"). Seither hat die Kaper wieder einigen Boden gut gemacht bei mir und findet sich sogar regelmäßig in meinem Kühlschrank. Auf Malta begegnet sie einem regelmäßig, denn sie gehört zu den wenigen Dingen, die auf diesem öden Eiland prächtig gedeien. Entsprechend gab es heute abend Pizza maltesischer Art, mit allem was hier gezüchtet und geliebt wird: grober Wurst, Oliven, Ziegenkäse und natürlich saftigen Kapern. Ein Genuss, zumal die Küche hier leider erheblich von der Englischen beeinflusst wurde, was ihr kaum zum Vorteil gereicht.

Wollen wir hoffen, dass der Marken-Kiosk keine alten Getränke feilbietet.

Warum eigentlich Malta? Das faszinierende an dem Mini-Staat ist die einzigartige Mischung: arabische Sprache und unverkennbar nordafrikanische Einflüsse, gemischt mit einem Schuss Süditalien, Hinterlasenschaften der englischen Kolonialzeit und der fundamentalkatholischen Prägung noch aus der Zeit des Johanniterordens. Das alles auf einer Fläche einer mittelgroßen deutschen Stadt, wo gibt es sowas sonst?

Wo sonst wird man schon mit Salut begrüßt?

Endlich eine Rahmenhandlung, das fehlte diesem Blog bisher.

Kram, den wohl die Engländer da ließen

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