Freitag, 1. März 2013

Kaiserstadt

Hué war zuletzt Sitz der vietnamesischen Kaiser, die während der französischen Kolonialzeit aber nur noch eine Grüßonkelfunktion inne hatten. Zudem ist die Stadt Zentrum der vietnamesischen Buddhisten, auch heute noch. Gestern sah ich gar auf Besuch weilende laotische Mönche (die es hier recht selten gibt, da man Vietnam dem traditionelleren Buddhismus des "großen Wagens" folgt, bei dem das Mönchtum keine vergleichbare Bedeutung hat).

Die Stadt präsentiert sich natürlich verkehrsreich, aber ich finde dennoch sehr angenehm und entspannt beidseits des Flusses der Wohlgerüche. Gestern war ich morgens um sieben der erste Besucher der ehemaligen Kaiserstadt in der riesigen Zitadelle am nördlichen Flussufer. Die Kaiserstadt von Peking inklusive verbotener purpurner Stadt wurde hier nachempfunden. Die Zitadelle wurde allerdings während des Krieges fast vollständig zerstört. Im Laufe der Tet-Offensive zum Mond-Neujahr 1968 eroberten Vietcong und Nordvietnamesen die wichtigsten Städte des Südens im Handstreich. Hué konnten sie einen Monat halten und die Zitadelle wurde während der Rückeroberung quasi völlig weggebombt. Mittlerweile gilt sie als Weltkulturerbe und viele Gebäude wurden nach alten Plänen wieder hergerichtet. Dabei geben gerade die verfallenen und überwucherten Teile des Areals dem ganzen eine besondere, fast mystische Stimmung. Die Rekonstruktionen mögen dem Original detailgetreu entsprechen, ihnen fehlt aber die Patina, das hat mehr etwas von Museumsdorf.

Die Kaiserstadt ist weitläufig und ohne Langeweile verbringe ich dort einige Stunden. Vor dem Tor spielt eine Militärkapelle und es gibt großen Aufmarsch, offensichtlich zum 45. Jahrestag der Tet-Offensive. Eigentlich wollte ich zum Thema Krieg noch eine Menge schreiben, aber das sprengt hier gerade meinen Zeitrahmen. Ich begnüge mich deshalb an dieser Stelle mit Oriana Fallaci, die im Buch "Nichts und Amen" einen amerikanischer Militärpfarrer wie folgt zitiert: "Es heißt [wir sind hier], um den Kommunismus aufzuhalten. Nun, da kann ich nur erwidern, dass man den Kommunismus nicht mit Kugeln oder Bomben oder Napalm aufhalten kann. Ideen kann man nicht dadurch töten, dass man Körper tötet, ganz im Gegenteil. Auf den Verstand muss man einwirken, nicht auf den Körper, und im Übrigen können die Amerikaner sich nicht dauernd als Weltpolizei gebärden. In diesem Punkt hat der kleine Alte aus Hanoi völlig recht."

Überwachsener Bau in der Kaiserstadt
Posierende vor dem Mittagstor

Hué hat weiteres zu bieten, etwa eine handvoll Kaisergräber. Diese ließen sich nämlich nach ihrem Ableben prunkvoll in Mausolen im Umland beisetzen, symbolisch auf Hügeln dem Fluss zugewandt. Die Prunkbauten wurden teils schon zu Lebzeiten gebaut und genutzt. Manches erscheint recht kitschig, anderes bemüht der chinesischen Baukunst nachempfunden, allerdings mit einer Art Beton-Charme, der nur in Teilen Entzücken hervorruft. Ich wußte dies, habe heue aber noch einmal drei der kaiserlichen Ruhestädten abgeklappert, kombiniert mit einer Fahrt auf dem Parfümfluss. Mit dabei auch die berühmteste Pagode von Hué, in der auch das berühmteste Auto von Vietnam steht. Mit dem fuhr seinerzeit der Abt nach Saigon, um sich dort unmittelbar nach dem Aussteigen selbst zu verbrennen aus Protest gegen die Unterdrückung des Buddhismus durch das herrschende Regime.

Morgen werde ich mich noch ein wenig in der Umgebung des hiesigen Marktes aufhalten. Da war ich schon kurz und es gibt einiges zu sehen, das Treiben und die abenteurlichen Warentransporte scheinen mir vielversprechend.

Gut Lachen am Markt
Abtransport vom Wocheneinkauf - gekonnt.
Geschleppe allerorten
Längs des Flusses entsteht abends ein kleiner Nachtmarkt mit allerlei Krimskrams. Das tolle dort sind Garküchen, die frischen Fisch und Seafood aller Art zu Spotpreisen auf den Plastiktisch bringen, es ist eine Freude. Dort werde ich später nochmals dinnieren und den feucht-heißen Tag ausklingen lassen.

1 Kommentar:

  1. Hi Peter,
    wenn Du nächstes Wochenende in Köln ankommst, erwarten Dich laut Vorhersage 12 bis 15 C - langsam macht sich der Frühling bemerkbar.
    Von feucht-heiß sind wir aber weit entfernt - wäre auch nicht nötig.
    Grüße,
    never

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