Mittwoch, 27. Februar 2013

Wolkenpass

Es ist leider an der Zeit, Herrn Bu und die wahrscheinlich schönste Unterkunft meiner Reise zu verlassen. Gestern abend begab ich mich zum Bahnhof (wohlweislich ließ ich mir ein Taxi rufen und den Fahrer instruieren), wo ich geraume Zeit im Warteraum herumsitzen musste. Dank eines Getränkehandels war das nicht so schlimm. Etwa eine Stunde verspätet kommt dann der Zug SE22. Mein Waggon der Klasse "soft sleeper" ist leider etwas abgewrackter als der letzte, dafür sind die (immer funktionierenden!) Leselampen schöner. Der Zug ist voll, überwiegend mit Touristen. Zügig sind alle einquartiert und man lässt sich in den Schlaf schaukeln.

Abteil für "Weichschläfer" (man beachte mein Leselicht!)
So hoch hängt die Meßlatte bei der Bahn: Kinderrabatt gibt's bis 1,05 m oder 1,32 m (wer denkt sich solche Maße eigentlich aus?)
Das gelingt ganz gut, ich erwache erst nach Sonnenaufgang. Einige Unterbrechungen gibt es natürlich. Vor allem hat der Zugführer schlecht aufgepasst oder fehlte erkrankt, als das Thema "sanft abbremsen" in der Lokführerschule durchgenommen wurde. Wenigstens erwische ich nach dem Aufwachen noch eine Weile tolles Licht mit Blick über die Reisfelder längs der Strecke. Tolle Landschaft! Reisfelder sind sowieso der Inbegriff von grün, ein vergleichbar saftiger Farbton ist selten erhältlich.

Reisfelder am Morgen sind der Stimmung zuträglich.
In Danang, der ehemaligen größten Basis der Amerikaner am Südchinesischen Meer, verlassen fast alle den Zug, um ins nahe gelegene Städtchen Hoi An zu fahren. Scheint mir gut, dass ich weiterfahre. Den Waggon habe ich fast für mich und kann mir auch den ganzen Kopfkissen einen bequemen Diwan einrichten. Der neu zugestiegene Schaffner vermittelt ein "ich Uniform - ihr alle Scheiße" und inspieziert kritisch mit weißen Handschuhen angetan die Kistchen, in denen kleine Hämmerchen für den Fall des Zugunglücks verstaut sind. Mir wird aufgetragen, das Fenster auf dem Gang zu schließen, was ich leider nur mit einem Schuterzucken quittieren kann. Soll er selbst schließen, was er dann auch tut.

Drr Zug ächzt und stöhnt und quietscht sich unter geradezu körperlichen Schmerzen im Schritttempo den Wolkenpass hinauf. Dieser ist die natürliche Wetterscheide zwischen dem tropischen Süden und dem subtropischen Norden. Er macht seinem Namen alle Ehre und die Hügel sind wolkenverhangen. Ganz rauf muss der Zug nicht, irgendwann kommt ein Tunnel und dann rollen wir munter bergab. Links Berge, rechts Merr und auf beiden Seiten näher dran üppig grüner, dichter Dschungel. Eine schöne Strecke ist das. So macht Zugfahren Sapps und es schadet auch nicht, dass wir mit rund zwei Stunden Verspätung in Hué ankommen. Mit fast 16 Stunden wird dies (hoffentlich) meine längste Zugetappe gewesen sein.

Runter vom Wolkenpass erscheint das Meer

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