Donnerstag, 22. Januar 2015

Bauzaungeschichten

Kurz ein ganz anderes Thema. Seit dem 15.01.15 sind zwei meiner Fotos bei der Ausstellung "Bahnreisen anders" in Stuttgart zu sehen. Im Rahmen der Kunstaktion "Bauzaungeschichten" findet die Ausstellung am Zaun der S21 Baustelle statt. Falls also mal wer nach Stuttgart kommt...
Mehr Infos hier.

Auch dabei: Doi Moi [Hanoi, Vietnam, 2013]

Mittwoch, 21. Januar 2015

Pettah

Seit zwei Tagen bin ich nun in der zugegebener Maßen nicht völlig spektakulären Hauptstadt Colombo unterwegs. Meine Herberge ist recht komod und versprüht noch ein wenig Charme von 1835, Himmelbett ist auch mal nett. Wie oft in diesen Breitengraden ist der Service allerdings eher belustigend. Beim Frühstück wäre es angebracht, einen "Mitdenken!" Stempel bei sich zu führen, es gibt sicher zahlreiche Gelegenheiten, diesen dem Personal auf die Stirn zu donnern. Dafür ist der Blick über den Hafen (Fotografieren strengstens untersagt, militärischer Sperrbereich) grandios und die Speisen sind erträglich.

Der Stadtteil Fort, wo sich mein Hotel befindet, war früher, sprich unter den Portugiesen und Holländern, tatsächlich ein Fort. Das rissen dann die Engländer als unnütz ab und bauten dafür Kolonialgebäude wie das Grand Oriental. Fort heute heisst im Grunde nur: man möchte fort. Der halbe Stadtteil ist abgesperrt, da sich hier der Präsidentenpalast befindet und während des Bürgerkriegs regelmäßig irgend etwas in die Luft gesprengt wurde. Der Rest ist entweder gammelig, oder in Renovierung, oder Glasturm einer Bank. Das World Trade Center (zwei Türme) gibt es außerdem noch.

Alt und neu gemischt in Fort. In der Bude rechts gab es eine erfrischende Rasur für wenige Rupien.

Außer Hotels, Büros und Banken ist hier nicht allzu viel los. Fußläufig kann man aber die Insel, auf der sich Fort befindet, zügig verlassen und gelangt nach Pettah. Die Pettah bedeutet übersetzt so etwas wie "Siedlung", zu Kolonialzeiten war es das Quartier der "Wilden". Ich komme noch einmal auf Karl May zurück, zu seiner Zeit mal Gast im Grand Oriental. Auch er besuchte die Pettah und schrieb darüber:
"Die von den Eingeborenen bewohnten Stadtteile haben schmale Straßen; man sieht Laden an Laden und wer sich vor gewissen Gerüchen scheut, der tut wohl, sich in eine der stets und überall vorhandenen Rikschahs zu setzen und dahin zu fahren, wo es nicht mehr riecht." [Karl May, Und Friede auf Erden]

Das trifft es auch heute nicht so schlecht. Die Gerüche rühren allerdings, sieht man mal von Bergen Trockenfisch bei 35° ab, im wesentlichen vom Verkehr her, was zu Karls Zeiten sicher noch anders aussah. Heute ist das mitunter so:


Wer hier eigentlich Vorfahrt hat, wird von der Vereinigung der singhalesischen Fahrlehrer seit Jahren strittig diskutiert.
Lackierte Stoßstangen sind ein Ärgernis. Wenn man hier beim Rangieren mal nicht aufpasst, das kostet.

Die Pettah ist das Basarviertel und entsprechend lebhaft geht es dort zu. Die Ausmaße sind zwar gegenüber indischen Großstädten bescheiden, einige Stunden lassen sich dort aber auf jeden Fall verbringen und immer etwas neues entdecken. Das ganze Gewusel, Geschleppe und Gekarre ist unterhaltsam, man muss nur laufend auf der Hut sein, nicht unter irgend welche Räder zu kommen. Hier gibt es sogar Teebuden, die sonst leider nicht besonders verbreitet sind, und die schuftenden Leute freuen sich überwiegend, wenn zur Abwechselung mal ein Reisender hier herumstolpert. Solche Ecken sind immer die eigentlichen Sehenswürdigkeiten für mich und zum Glück sucht sie nicht jedermann auf. Aber Busse kämen hier eh nicht durch, ein Glück.

Mittagessen gibt es im farbenfrohen "Spicy Hotel", Hotel heißen hierzulande die einfachen Restaurants.
Fröhlich auf dem Zwiebelberg.

Bei der Mittagsrast macht das "Spicy Hotel" seinem Namen alle Ehre, was hier auf den Tisch kommt ist ordentlich scharf aber super lecker. Eine Speisekarte gibt es nicht, man bekommt einfach diverse Schüsseln von dem was es eben gibt auf den Tisch, quasi all you can eat und das zu einem Spottpreis.Gut das dies eim Hinterhof gelegene Gaststätte mit großem Schild auf der Gasse auf sich aufmerksam macht, sonst wäre ich hier niemals gelandet.

Dienstag, 20. Januar 2015

Hermann

Hermann Hesse schrieb einst, nachdem er 1911 Sri Lanka bereiste: "Kandy selbst aber ist der Rest einer sehr alten Königs- und Priesterstadt, und neuerdings ist es dem Gelde der Enländer gelungen, ein bequemes, sauberes, verdorbenes Hotel- und Fremdennest daraus zu machen. Trotzdem ist Kandy schön; denn mit allem Gelde und allem Zement lässt sich das strotzende Wachstum dieser Landschaft nicht kaputt machen." [Hermann Hesse, Das Paradies auf Erden]
Das trifft es auch heute noch ganz gut. Wenn er allerdings vom "unablässigen Zudrängen der Kutscher, Rikschakulis, Händler und Bettler, sie sich kriechend und schamlos anbieten" spricht, so hat sich die Lage doch merklich verbessert, in Sachen Aufdringlichkeit liegt der Inder uneinholbar weit vorne. In Kandy ging es nach meinem Erleben doch recht ruhig und gemächlich zu.

Von der schönen nach wie vor vorhandenen Landschaft sehe ich noch das ein oder andere auf der morgentlichen Zugfahrt nach Colombo. Ich hatte ein Ticket der 2. Klasse erworben, da man dort Fenster und Türen unterwegs öffnen kann, in den klimatisierten Abteilen geht das nicht. Die Fahrkarte beinhaltet das Anrecht auf einen schrundigen, schiefen Kunstledersitz in einem Waggon, der sicher auch zu Hermann Hesses Zeiten schon die Strecke befuhr. Der Zug ächzt und klappert und rumpelt ohrenbetäubend mit allem, was zur Verfügung steht. Dafür bewegt es sich überwiegend mit mehr als Schrittgeschwindigkeit, denn es ist ein Intercity (!). Will heißen, er hält nicht an jeder Kokospalme und schafft es tatsächlich in knapp drei Stunden in die Hauptstadt. Pünktlich, es ist ja nicht die Deutsche Bahn. Unterwegs lässt sich in der offenen Tür hocken und dem Nebel beim Aufsteigen, der Sonne beim Aufgehen zuschauen, was will man mehr. 
Hier ist sogar mal Gegenverkehr möglich.
Frühmorgens Blick ins vorbeifahrende Grüne.

In Colombo steige ich im "Grand Oriental" aus dem Jahr Achtzehnhundertsoundsoviel ab. Seinerzeit eine der mondäneren Herbergen Asiens beherbergte es unter anderem Karl May (ja, der ist tatsächlich auch gereist, davon später mehr). Der Blick hundert Jahre zurück bietet sich also vorbereitend an, hier noch einmal HH. Schön fand ich auch: "[...] die Engländer sind reich und geniale Kolonisatoren, und es macht ihnen ein Hauptvergnügen, dem Untergang der von Ihnen erdrückten Völker zuzuschauen. Denn dieser Untergang geht überaus human, freundlich und fröhlich vor sich, er ist kein Totschlagen und nicht einmal ein Ausbeuten, sondern ein stilles, mildes Korrumpieren und moralisches Erledigen. Immerhin, dieser englische Betrieb hat Stil, und Deutsche oder Franzosen würden es viel schlimmer und dümmer machen, wie ja überhaupt der Engländer der einzige Europäer ist, der draußen unter den Naturvölkern nicht komisch wirkt." 

Das milde Korrumpieren hinterließ die Eisenbahn, den Tee und natürlich die Bürokratie. Und komisch sind wir aus Sicht der Asiaten wahrscheinlich alle zusammen auch heute noch. 

Montag, 19. Januar 2015

Tuk-Tuk to go

Wie erkundet man die weitläufige Umgebung von Kandy am besten - mit dem Tuk-Tuk, wie sie hier die indischen Motorrikschas nennen. Ich rufe also einen mir anempfohlenen Fahrer herbei, den ich im Vorfeld schon hinsichlich seiner gewagten Preisvorstellungen korrigieren musste. Dafür hat der Mann ein Vierteljahrhundert Tuk-Tuk Erfahrung auf dem Buckel und ist in umfahren von innerörtlichen Verkehrsstaus die No. 1, wie ich später feststelle. Pünktlich erscheint er mit dem blauen Dreirad und die grob abgesteckten Ziele des Tages werden angesteuert. Auch dabei Bedarf es der ein oder anderen Korrektur. Im Laufe des Tages lernt Noor, so heißt der Pilot, das ein Kunsthandwerksgeschäft mit Verkaufsabsichten keinesfalls ein "Museum" ist, auch wenn da irgendwer in der Ecke an irgendwas herumfeilt. Auch dann nicht, wenn es dafür Provision gibt. Es kostet ein wenig Mühe, ihm die Provisionsverlockungen auszutreiben und die Routenziele kundengemäß zu revidieren.

Auf ein, zwei Stopps der Marke "Nepper, Schlepper, Bauernfänger", wie es sicherlich zum Standardprogramm für Tagesausflügler zählt, lasse ich mich mal ein, was soll's. Das erste ist ein "Masken-Museum", sprich: eine kleine Schnitzerwerkstatt mit angeschlossenem mehrgeschossigen Verkaufspalast, in dem alles, was sich aus Holz schnitzen lässt, an den Touristen gebracht wird. Vom fast lebensgroßen Elefanten bis zu kleinen Buddhas und Götterfiguten aller Art und sogar Gartenmöbeln reicht das Sortiment. Leider sind die kleineren Figuren erstens nicht besonders sorgfältig gefertigt, zweitens überteuert, also wird nicht daraus. Irgendwie gelingt es, den Laden kauflos zu verlassen, eine größere Gruppe Chinesen sorgt für die nötige Ablenkung beim Personal. Durchaus interessant war hier allerdings das Studium der traditionellen Holzmasken, bei denen einige Kreativität zu verzeichnen ist.

Vermutlich ein Schnitzohr
Auf die Darstellung allerlei fieser Krankheiten mittels Masken versteht sich der Singhalese.
Der geplante Besuch des Tee-Museums (wirklich ein Museum!) fällt kurz aus, da ist Montags geschlossen. Ersatzweise findet sich eine noch aktive Tee-Manufaktur, die besucht werden kann. Auch das sit interessant und eine Auffrischung des vor 15 Jahren in Malaysia schon einmal gelernten. Der Unterschied zwischen B.O.P. und F.B.O.P. war mir zwischenzeitlich tatsächlich entfallen. Hier kaufe ich auch etwas, und zwar den besonders edlen silver tea (weißer Tee), den man nicht an jeder Ecke bekommt. Teeplantagen sehe ich leider nur wenige und die werden gerade nicht bearbeitet, von Pflückerinnen keine Spur. Also kann ein Stopp entfallen, dafür müsste ich dann doch weiter ins Hochland fahren.

Die drei verschiedenen Teepflanzen: grüner bzw. schwarzer, silberner und goldener Tee.
Der vor über 100 Jahren von den Gebrüdern Davidson in Irland erbaute Trockenofen mit dem passenden Namen "Sirocco" verrichtet noch immer klaglos seine Dienste. 

Geradezu durchseucht ist die Umgebung von Kandy von mehr als duzenden "Kräutergärten" und Stücken Ödland, auf denen Elefantenritte feilgeboten werden. Letzteres ist mit dann doch zu viel des Guten, aber einen herbal garden lasse ich mir gefallen. Es ist ja schon immer interessant zu sehen, wie aus der Küche bekanntes wie Kardamon oder Kurkuma in der freien Natur aussieht. Dem Rundgang durch die Gärten folgt ein Ayurveda Crashkurs, allerlei Öle und Mixturen helfen gegen oder für so ziemlich alles. Haarausfall oder Enthaarung, Kopfschmerzen oder Runzelhaut, für alles ist die richtige Mixtur vorrätig. Auch gegen Schwitzen gibt es etwas, fast verlockend. Allerdings werden in der Abteilung Gewürze schon ungeniert 10-fache Preise aufgerufen, was mich dazu verleitet, schmunzelnd den Ort zu verlassen.

Hier gedeiht der Kakao, durch den man ahnungslose Touristen mitunter zieht.
Das eigentliche von mir angestrebte Ziel erreichen wir dann auch noch, das "Elefanten-Waisenhaus" in Pindawalla, eine Stunde von Kandy entfernt. Hier werden seit Jahren elternlose Elefanten großgezogen und leben dann im Herdenverbund auf dem Gelände. Ob das alles so gut und richtig ist, gilt wohl als umstritten. Haufenweise Touristenbusse und entsprechend finanziellen Segen lockt es jedenfalls an, hoffentlich haben die Dickhäuter auch etwas davon. Kaum irgendwo kommt man den Elefanten so nahe und die gemeinsamen Badezeiten im nahen Fluss sind schon sehenswert. Man kann auch ganz nah ran und Elefanten waschen wenn man mag, dann halten allerdings die Mahouts fleißig die Hand auf, obwohl der Eintritt schon üppig ausfällt.

Elefanten dekorativ in eine schöne Landschaft drapiert.
Ungehörig: große Elefanten schubsen kleine Elefanten gerne mal ins Wasser. Waterboarding - nicht nur bei der CIA ein Thema?

Zurück in Kandy gegen Abend gebe ich mir dann noch die offenbar berühmten "Kandy Tänze". Nach Khmertanz in Kambodscha, Katakhali in Kerala und was weiß ich noch kommt es darauf auch nicht mehr an. Die Darbietung kann dann auch unter "ganz nett" abgelegt werden und ich muss mir wenigstens nicht vorwerfen lassen, der hiesigen Kultur die kalte Schulter gezeigt zu haben.

Kanndie tanzen?
In ihrer Freizeit steppen die jungen Männer aus Kandy gerne barfuss in brennenden Kohlen herum.
Meine Herbergsmutter hat heute übrigens unter anderen ein höchst schmackhaftes Tomatencurry hergezaubert. Klingt profan, war aber echt eine Wucht und ich musste mir gleich die Zutaten notieren.

Sonntag, 18. Januar 2015

Der Tanz um den heiligen Bimbam

Fangen wir erstmal von vorne an. Gestern setze ich pünktlich mit Oman Air auf dem Bandaranaike Flughafen in Sri Lanka auf, benannt nach dem ersten Präsidenten des unabhändigen Sri Lanka. Meine Flüge waren angenehmer Weise nicht ausgebucht, das bescherte auf dem ersten Abschnitt bis in den Oman schöne Beinfreiheit am Notausgang, auf der zweiten Etappe hatte ich sogar eine komplette Dreierreihe für mich und konnte mich richtig lang machen. Ausgeschlafen? Naja, nicht wirklich.
Schlange stehen bei der Einreise entfällt, da ist überhaupt nicht los. Irritierend schnell bekomme ich einen schmucklosen Aufkleber in den Pass und darf das Land betreten. Der Weg zum Gepäckbanf führt durch eine Art Mediamarkt, hier könnte man noch schnell eine Waschmaschine oder eine Gefrierkombi erwerben, was man halt so kauft an Flughäfen. Die weiteren Schritte laufen schon automatisch, Geldautomat und eine heimische SIM Karte erwerben. Die moderne Kommunikation ist inzwischen an allen Enden der Welt kaum wegzudenken und mitunter vorteilhaft, da soll es wenigstens so gut wie nichts kosten.

Der vom Guesthouse entsandte Fahrer steht auch schon am Ausgang, pappschildbewehrt und gleich als erster in der Reihe. Komischer Weise ist es völlig entspannt hier, mit hat noch niemand ein Taxi angeboten und selbst draußen, auf das herbeigeholte Fahrzeug wartend, werden keinerlei Dienstleistungen offeriert. Ich werde in einen Kleinbus mit Polstersesseln verstaut, angenehm für die rund drei Stunden Fahrt die anstehen. Bis Kandy im Hochland sind es maximal 120 Kilometer, aber die Zeit ist realistisch geschätzt. Denn es sind 120 Kilometer auf einer Art Dorfsträßchen, das wir uns mit diversen Lastwagen, Bussen und geschätzt tausenden eher langsamer Motorrikschas teilen. Mein Fahrer überholt nur überlegt, zeigt eine angenehm defensive Fahrweise. Das habe ich schon anders erlebt, Stoßgebete können heute entfallen. Kein Wunder, der Mann sitzt seit 45 Jahren hinter dem Steuer. Über 20 Jahre war Karu Fahrer für eine Regierungsbehörde, was ihm eine einmalige Pensionszahlung von rund 2.000 Euro einbrachte. Also fährt er weiter, mit Mitte 60 tageweise für jeweils umgerechnet sechs Euro Lohn. Bei guter Auftragslage reicht das so eben zum Leben, der Traum vom eigenen Auto wird wohl ein Traum bleiben.

Wir steuern eine Teebude am Straßenrand an, ich bin neugierig auf den hiesigen Chai. Der kommt ähnlich wie in Indien daher, mit Milch und mächtig süß, so muss das sein. Kurz vor dem Ziel legt Karu dann noch den Besuch eines "Wine shops" nahe, da alkoholische Getränke im Guesthouse wohl selten verfügbar sind. Ich liebe Personal, das mitdenkt! Also stoppen wir an einem der lizensierten Schnapsläden, die es hier ebenso gibt wie in Indien. Un ebenso wie dort sind es leicht zwielichtige Orte, an denen allerlei schräge Gestalten der Trunksucht nachgehen und sich die Flaschenregale hinter schwer vergitterten Tresen befinden. Ich kaufe zwei leidlich kalte Bier und ein Fläschchen Whisky (aus rein medizinischen Gründen), die Sorte wird als Sri Lankas "number one" angespriesen. Wollen wir hoffen das es stimmt, der Flachmann kostet mehr als in Indien eine große Flasche Mc Dowell's.

Die Herberge in einem 200 Jahre alten Haus entpuppt sich als gemütliche Bleibe mit Familienanschluss. Es ist eher eine Art "home stay", ohne Beschilderung und alleine hätte ich das so leicht nicht gefunden. Mutter Madugalle zaubert sogar noch ein Abendessen, bestehend aus diversen angenehm scharfen Currys und Daal, dem unverzichtbaren und hier sehr schmackhaften Linsenbrei. Dann sitze ich noch ein wenig auf der gemeinsamen Dachterrasse mit den einzigen anderen Gästen, vier etwas kränkelnden Franzosen. Die können fast noch weniger Englisch als ich Französisch und sind ein wenig neidisch auf mein Getränkesortiment. Das System "Wine shop" hat ihnen bisher keiner erklärt, jetzt wissen sie bescheid.

Von Tür zu Tür ist man dann doch mehr als 20 Stunden auf den Beinen, entsprechend erfreut ein Bett unter'm Ventilator. Hatte ich schon erwähnt, das es heiß ist? Nicht zu arg und abends frischt es auf, aber aus dem deutschen Januar kommend gleicht der erste Tag einem Saunabesuch. Heute steht die Erkundung von Kandy auf dem Programm. Das ist die letzte Königsstadt Sri Lankas, die lange den Engländern trotzte und heute drittgrößtes Dorf der Insel ist. Vom Stadt kann man bei 160.000 Einwohnern kaum sprechen. Es geht recht gemächlich zu, hupen mag hier kaum jemand, Touristen belästigen offenbar auch nicht. Ich suche als erstes die Hauptattraktion auf, den "Tempel des Zahns", DAS Nationalheiligtum Sri Lankas, gelegen am Kandy See mitten im Ort (ich mag Orte mit eigenem See).

Kandy lake am frühen Morgen
Architektonisch unspektakulär: der Zahntempel
Hier wir er verwahrt, ein Zahn des Buddha! Reliquiensammeln ist nicht nur bei den Katholen ein beliebtes Hobby des Klerus. Sehen kann man den Zahn freilich nicht, er befindet sich in einer Elfenbeischatulle, die ihrerseits in sieben ineinander geschachtelten goldenen Schatullen verwahrt wir, ähnlich wie diese russischen Püppchen in der Puppe. Dreimal am Tag sind offizielle Anbetungszeiten, dann wir ein Fensterchen geöffnet, was einen kurzen Blick auf den Schrein und die Abgabe allerlei heiliger Gaben ermöglicht. In großer Zahl schwärmt man herbei und im großen Gedrängel schieben sich Pilger am Schrein vorüber und reichen den Pristern allerlei Opfer, von der Kokusnuss bis zu Blumengebinden und natürlich Bares. Ich merke schnell, das können sie hier genauso wie in Indien: drängeln. Wer nicht die Ellebogen einsetzt, bringt es nie zu etwas, erst recht wird er nicht den Schrein zu Gesicht bekommen. Also drängel ich fleissig mit.

Blumen für Buddha
Zahnzeremonien eignen sich für Jung und Alt
Die ganze Zeremonie wird von Trommeln und Tröten begleitet, die gesamte Atmosphäre ist schon recht kultig. Religiöse Events in diesem Teil der Welt sind jedenfalls immer erlebenswert. Da stören auch die erheblichen Sicherheitsvorkehrungen nicht, die eingeführt wurden, nachdem 1998 ein Lastwagen voll Sprengstoff in die Tempelfassade raste. Das sollte sich, etwa sechs Jahre nach ende des Bürgerkrieges, hoffentlich nicht wiederholen.

Nach ausgiebiger Begutachtung der Zeremonie und des weitläufigen Tempelgeländes, auf dem sich auch noch einige hinduistische Tempel und ein heiliger Bhodi Baum finden, umrunde ich den See und streife durch die Innenstadt. Also aufregendes findet sich nicht, aber viel Alltag zum zugucken. Es ist zwar Sonntag, aber natürlich haben die meisten Läden geöffnet.
Der See spuckt offenbar eher kleine Fische aus. Wenigstens kosten die nicht viel.

Für die Weiterfahrt übermorgen besorge ich mit noch eine Fahrkarte. Das geht hier am Bahnhof auch relativ spontan. Wie findet man den Bahnhof am schnellsten? Klar, man nimmt die Abkürzung immer die Gleise lang, macht hier jeder. Der recht spärliche Zugverkehr macht's möglich und hat weitere Vorteile, die wenigen Züge donnern nämlich ohrenbetäubend wenige Meter unter meinem Schlafzimmerfenster längs. Zum Bahnhof könnte man auch sagen "immer der Nase nach", denn auch hierzulande werden Gleise als öffentliche Bedürfnisanstalt missbraucht, nun ja.

Schienenersatzverkehr

Smoking rooms around the world #1


Heute: Muscat, Oman

Sonntag, 11. Januar 2015