Dienstag, 21. November 2017

The place to be

Früh morgens lande ich, wie das meist ist mir nicht allzu viel Schlaf im Gepäck, in Kolkata. Der Plan, nur Handgepäck, ist aufgegangen, auch wenn ich in Frankfurt alles auspacken durfte. Jedes Kabel muss neuerdings einzeln durchleutet werden, wenn's hilft. Für die Einreise gibt es auch etwas neues: e-Visa. Das funktioniert sogar, bequem über eine moderne Webseite zu beantragen, Zahlung über PayPal, kein Verschicken mehr von Pass und Unterlagen. Die Einreiseformalitäten ziehen sich dennoch und zerren an den Nerven. Offensichtlich wurden hier die langsamsten Beamten des Landes zusammengetrommelt, um Digitalfotos und Fingerabdrücke Einreisewilliger zu nehmen und allerlei überflüssige Fragen zu stellen. Ohne "e" vor dem Visum ging das mal schneller.

Am Flughafen versuche ich, mich mit Bargeld auszustatten. Leider sind die einzigen beiden Geldautomaten - einer drinnen, einer draußen - nicht funktionswillig, das verwundert nur mäßig. Ein bischen Bares habe ich noch vom letzten Mal übrig, das reicht für's erste. Auch wenn ich einen 500 Rupien Schein gleich zu Hause gelassen habe, denn der gilt nicht mehr. Vor einem Jahr wurden spontan die 500er und 1000er für ungültig erklärt, um Schwarzgeld, Korruption und allerlei kriminellem Treiben Einhalt zu gebieten. Jetzt gibt es stattdessen 2000er, die inzwischen auch in ausreichender Mange gedruckt wurden. Das war Ende letztesn Jahres nicht der Fall und es kam zu allerlei Engpässen. Ob 2000er (etwa 30 Euro) in einem Land, wo man chronisch auf der Suche nach Kleingeld ist, da schon die 500er kaum einer wechseln konnte, lösungsorientiert sind, man weiß es nicht.

Das Prepaid-Taxi in die Stadt ist wundersamer Weise noch billiger als vor fünf Jahren, incredible India. Der Fahrer gibt sich etwas wortkarg (am frühem Morgen in Ordnung), erweist sich aber als jemand, der sein Geschäft versteht. Wo andere lieber Hupen, nutzt er unaufgeregt jede sich bietende Lücke völlig hupenfrei. Gäbe den Begriff "Blechlawine" nicht schon, man müsste ihn erfinden. Denn nichts anderes ist dieses Knäul, als dessen Teil wir die rund 10 Kilometer in knapp einer Stunde zurücklegen. Eine Zeitungsdicke Abstand, wer braucht mehr. Ein gelassener Fahrer ist mir da recht, es macht Spass, mit Profis zu arbeiten.

Dann Ankunft in der Sudder Street, der Touristenmeile Kalkuttas. Eine wilde Mischung aus dem Indischen Museum von achtzehnhundertund, improvisiert wirkenden Garküchen mit Plastikplanenbehausungen dahinter, Bettlern, Schleppern und einem Hauch touristischer Infrastruktur begrüßen einen. Ich wohne mal wieder im Fairlawn, irgendwie der einzige Platz in Kolkata, wo man sein muss. Ein Hauch von Museum und kolonialer Geschichte, eigenlich zu teuer, aber voller Atmosphäre. Die große Dame des Hauses, Mrs Violet, lernte ich noch beim 5-Uhr-Tee kennen, inzwischen starb sie jenseits der 90. Sonst hat sich nicht viel verändert, mein Zimmer ist das gleiche, so wollte ich es haben.

Fliegender Händler mit Bastelartikeln vor dem Indischen Museum

Musealer Aufgang zu meinem Zimmer
Auch deutsche Presseartikel sind vorhanden

Doch es hat sich etwas geändert, der Garten wurde teilüberdacht. Angesichts der Scharen von Vögeln, die hier abends in den Bäumen wohnen, keine schlechte Idee. Als schlechte Idee entpuppt sich später allerdings, dass hier keine Getränke mehr ausgeschenkt werden des Abends. Ziemlich blöd, eine der besten Eigenschaften des Hauses, den Biergarten, abzuschaffen. Getränke nur noch in der Lobby, na toll. Das verstehe wer will, ich jedenfalls nicht.

Blick in den mittlerweile vom Getränkeausschank befreiten Garten, zu blöd

Der Rest des Tages geht ins Land mit den nötigen Beschaffungen (Bargeld, SIM_Karte etc.) und einem Spaziergang zum Victoria Memorial nach einem Mittagsschlaf. Der große Stadtpark Maidan gebärdet sich einigermaßen verwahrlost, daran hindern auch die überall aufgestellten Schilder, man möge die Schönheit des Ortes nicht beschädigen, eher wenig. Herausgeputzt ist dann allerdings der Garten rund ums steingewordene Denkmal ihrer Majestät, das sich bei Einheimischen offenbar großer Beliebtheit erfreut. Im Garten sehe ich überwiegend in Selfies und Gruppenaufnahmen vertiefte indische Familen, während langsam die Sonne untergeht. Es wird verflixt früh dunkel, um fünf ist düster. Also früh aufstehen und die Sonnenstunden nutzen ist wohl das Konzept. Sonnig ist es, aber deutlich angenehmer als bei meinem letzten Besuch, mit 30° lässt es sich leben.

Viel Platz auf dem Maidan
Das Victoria-Memorial liegt in der Gunst diverser Besucher
Und macht sich ganz hübsch im Abendlicht

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