Zwischenzeitlich ist der Sufismus wieder erlaubt und einige Klöster, Tekke genannt, existieren in der Türkei. Der Tancetanz (sema) ist die türkische Variante religiöser Extase und wird zum Zwecke der religiösen Hingabe ausgeübt. Das sieht so aus, dass die Derwische nach zeremoniellem Ritus unterschiedliche gegenseitige Ererbietung erweisen und dann zu einem Orchester tanzen. Das heisst genauer: sie kreiseln, drehen sich um sich selbst, immer schneller und teils stundenlang. Eine spezielle Technik, bei der der Kopf angewinkelt wird, vermeidet wohl Schwindel. Es scheint zu funktionieren, nach endlosem drehen kommen die Derwische ohne auch nur mit der Wimper zu zucken wieder in den geraden Stand.
Das ganze wollte ich natürlich auch in Augenschein nehmen. Religiöse Praktiken in anderen Ländern sind meist von Interesse. So einfach ist das nicht, die meisten Möglichkeiten die angeboten werden sind reine Touristenaufführungen in Restaurants oder eigens geschaffenen Veranstaltungsorten. Die sind voll, die sind teuer, die sind mir nicht authentisch genug. Im Internat stieß ich auf die Website der Mevlana, da sind die türkischen Sufi-Orden. Ein Kloster in Istanbul wird gerade renoviert und ist daher geschlossen. Ein anderes, so erfuhr ich, führt immer Sonntags die Sema durch
Also steht meine erste Tramfahrt an. Ich fahre in einen schmucklosen Stadtteil Richtung Flughafen. Rechts Hochhäuser, links das ungepflegte Nirgendwo. Soweit ich weiß, muss ich nach links. Nach rund 10 Minuten Trostlosigkeit ist rechts das Kloster, ein großes, moscheeähnliches Gebäude, das einzige auf der Straße, das etwas her macht, zu erblicken. Sehr schön. Gegen einen kleinen Obulus wird Einlass gewährt. Nicht nur mir, versteht sich, zahlreiche Zuschauer sind erschienen. Davon ist die Mehrheit allerdings ortsansässig, hier ist es nur eine halbe Touristenveranstaltung und gehört zur regelmäßigen Praxis des Ordens.
Nun heisst es, noch eine Stunde ausharren bei stickiger Wärme. Ich ergattere einen Platz auf der Empore mit guter Übersicht. Das Fotografieren ist untersagt, allerdings nicht aus religiösen, sondern eher aus monetären und somit rein weltlichen Zwecken. Ich lege das Verbot daher eher flexibel aus. Dämmriges Licht, sich schnell bewegende Derwische und Hüter des Fotoverbotes sorgen insgesamt für erschwerte Arbeitsbedingungen, nehmen wir es als Herausforderung.
Die Zeremonie beginnt mit dem Auslegen von Schafsfellen am Rand des kreisrunden Parketts. Zu welchem Zweck, konnte ich nicht ermitteln. Dann tritt der Zeremonienmeister auf, quasi der Oberderwisch. Das ist er:
Die anderen folgen und erweisen dem Meister die Ehre. Bei schräger Musik beginnt alsbald der Tanz, die Derwische kreiseln was das Zeug hält. Dabei herrscht, von der Musik abgesehen, mehr oder weniger Totenstille, schließlich ist es eine religiöse Zeremonie. Klatschen oder ähnliches ist natürlich nicht angezeigt. Die Choreographie der kreiselnden Mönche ist beeindruckend. Was sich die Leute alles einfallen lassen, um Gott nahe zu sein. Dies hier ist sicher eine harmlose und dazu noch nett anzusehende Praxis. Eine gute Stunde dauert die Zeromonie, dann ziehen sich die Derwische wieder schweigend in ihre Gemächer zurück, um Askese zu üben.
Derwische in ihrem Element
Ich fahre dann mal zurück und übe mich, naja nicht unbedingt in Askese ;-)
Es wird eher ein Sonntagsspaziergang im Park mit längerem Verweilen in einem sehr, sehr schönen Teegarten.
Es wird eher ein Sonntagsspaziergang im Park mit längerem Verweilen in einem sehr, sehr schönen Teegarten.
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