Sonntag, 4. März 2018

Schirmherrschaft

Meine edle Herberge in Ngwe Saung bietet auch den Vorzug eines tollen Frühstücks. Es mag sich viel geändert haben in Myanmar, geblieben ist leider das für den Verzehr begrenzt geeignete landeseinheitliche Toastbrot, das meinen Mutmaßungen nach aus alten Bierdeckeln produziert wird. Alternativ gibt es hier nun frisch gebratene Omelettes und natürlich die in Asien bevorzugten warmen Gerichte. Daszu gehört in Myanmar unbedingt die überall beliebte Frühstücks-Fischsuppe Mohinga. Die schmeckt in meiner Unterkunft göttlich! "Zusammengebaut" wird sich die Suppe wie üblich nach Geschmack selbst: Reisnudeln in die Schale, Fischsuppe drüber und dann allerlei weitere Zutaten wie geröstete Zwiebeln, Knoblauch und Chili, außerdem Ei, Limette, Frühlingszwiebeln und natürlich ausreichend frische Korianderblätter.

Mit gefühlt zwei Duzend Burmesen trete ich dann die Minibusfahrt nach Pathein an. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Menschen sie hier in der Region in solche Fahrzeuge verstaut bekommen. Immer wenn man denkt: jetzt ist aber echt voll! - kommt noch irgendwer mit einer Kiste Fisch herbei gehuscht und beide müssen unbedingt noch mit. Also Fisch auf's Dach und Mensch irgendwie in den Bus. Ich habe zum Glück den Sitz hinter dem Fahrer ergattert, der einigermaßen Beinfreiheit anbietet.

Für die rund 45 Kilometer werden zwei Stunden benötigt. Das liegt hauptsächlich daran, dass sich das Sträßchen überwiegend durch eine kleine Bergkette windet. Falls Lastwagen und Busse entgegen kommen (also eigentlich immer) reicht der Asphaltstreifen nicht für beide und wir müssen auf den unbefestigen Seitenstreifen holpern. Ich werde also in einer gut geschüttelten, auf kleiner Flamme erhitzten Sardinenbüchse transportiert.

Angekommen am Rande von Pathein steige ich geschwind um auf's Motorradtaxi, schnell ist meine Bleibe erreicht. Ich wohne in einem neuen, erst letztes Jahr eröffneten Hotel direkt am Fluss, das einzige in dieser Lage und mit dem entsprechenden Ausblick. Das Haus stellt sich als perfekt heraus, tolle Zimmer, tolle Dachterrasse, tolle zentrale Lage, nette Leute. Falls mal jemand nach Pathein kommt: The First Hotel, Daumen hoch.

Zwischen Yangon und der Küste ersteckt sich das riesige Delta des Ayeyarwady mit zahlreichen Flussarmen, Kanälen und sonstigen Wasserläufen. Entsprechend eine grüne Gegend und eines der Hauptreisanbaugebiete im Land. Tragisch war hier der Wirbelsturm Nargis 2008, der mit Überflutungen geschätzte 130.000 Menschen das Leben kostete. Der Wiederaufbau nach der Katastrophe dauerte Jahre.

Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Ayeyarwady ist die Kleinstadt Pathein (nun gut, so klein auch nicht, ungefähr so viele Einwohner wie Wuppertal). Bekannt ist die Stadt vor allem für die hier seit Ewigkeiten gefertigten Sonnenschirme aus Bambus und Baumwolle oder Seide. 2005 hatte ich hier einen kurzen Zwischenstopp auf dem Weg ans Meer eingelegt und fand die Stadt auf den ersten Blick ganz sympathisch, daher bleibe ich nun mal etwas länger. Um ein Fazit voranzustellen: Pathein ist geil!

Pathein und der gleichnamige Fluss von meiner Dachterrasse aus
Abendstimmung auf dem gemächlichen Fluss

Hier scheint ein wenig die Zeit stehen geblieben zu sein und es geht zu, wie ich es von meinen letzten Reisen her kenne. Außer einem französischen Paar in meinem Hotel bekomme ich keine Ausländer zu Gesicht in den zwei Tagen.Englisch spricht auch kaum jemand, trotzdem sind alle unheimlich nett und man kommt problemlos zurecht. Die Stadt liegt ganz hübsch an einem breiteren Flußarm und ist quierlig und entspannt zugleich. Moderater Verkehr, gemächlich tuckernde Lastkähne auf dem Wasser, gut besuchte Pagoden und leckeres Essen, das reicht zum zufrieden sein, große "Highlights" gibt es hier sonst nicht.

Ich besuche mehrmals die Shwemokhtaw Pagode (Shwe = golden, edel, ein Standard in Pagodennamen), Wahrzeichen der Stadt. Hier herrscht immer reger Betrieb, auch wenn man nachmittags aufpassen muss, sich nicht die Füße auf dem kochend heißen Marmor zu verbrennen. Rund um die Pagode liegt das Marktviertel mit vielen kleinen Läden und zahreichen Bauten aus der Kolonialzeit, hier lässts sich gemütlich herum bummeln. Für die Abende erwerbe ich eine kleine Flasche des bewährten und trinkbaren "Grand Royal" Whisky. Hier hat die Globalisierung noch nicht zugeschlagen, heimische Getränke sind nach wie vor unverschämt billig - für die 200ml zahle ich atemberaubende 50 Cent.

In der Shwemokhtaw Pagode
... vergnügen sich Kinder mit goldenen Glocken
Aung San Su Khy begenet einem häufiger, zumindest auf Plakaten

Nach Sonnenuntergang öffnet am Flussufer ein kleiner Nachtmarkt. Neben Kleidung, Blumen und Lebensmitteln aller Art gibt es, wie es sich gehört, diverse Essensstände. Was da genau gegrillt oder in die Suppe geworfen wird, ist nicht immer mit Bestimmtheit zu sagen. Ich bekomme hier jedenfalls eine weitere Landesspezialität, Laphet, Salat aus Teeblättern. Den gibt es wohl nur in Myanmar und Hauptbestandteil sind junge, nach der Ernte durch mehrmonatiges Vergraben in einer Salzlake fermentierte Teeblätter. Klingt fies, schmeckt finde ich super. Die Teeblätter werden mit Tomaten, Weißkohl, Zwiebeln, Knoblauch und Chili vermischt und mit einer Vielzahl gerösteter Nüsse und Sesam verfeinert.

Holz für die bliebte Tanaka-Paste auf dem Nachmarkt
Was hier alles im Topf landet, man weiß es nicht
Gegrilltes und Gesottenes aller Art hat jedenfalls Nachfrage
Ansonsten für mich zuständig: Top Star Restaurant (Tintenfisch ist lecker)
Der besagte Teeblattsalat, sieht auch undefinierbar aus

Natürlich besuche ich auch wieder eine Schirmwerkstatt, was gar nicht so einfach ist. Alleine findet man die Familienbetriebe, die quasi im Garten irgendwelcher Häuser arbeiten und verstreut in der Stadt liegen, kaum. Ein von Hotel vermittelter Motorradfahrer muss dann auch noch ein paarmal rumfragen, bis wir eine der auf Touristenbesuche eingestellten Betriebe erreichen. Hier darf man sich nach wie vor einfach umsehen, bekommt einiges erklärt und einen Kaffee, ohne das es im entferntesten zu einer Verkaufsveranstaltung kommt. Faszinierend, die Leute bedanken sich noch für den Besuch und das Interesse, ein Trinkgeld muss ich schon fast aufnötigen. 

Die Schirme werden nur aus Bambus, Baumwollfäden und Stoff gefertigt, ohne jegliches Metallteil
Kurzauftritt als Schirmherr
Kunstvoll sind die Dinger auf jeden Fall

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