Samstag, 12. Januar 2019

90.000 Buddhas

Gleich am ersten Tag beschließe ich, einen Tag länger als geplant in Mrauk U (sprich: Miau-u wie die Katze) zu bleiben. Hier gefällt es auf Anhieb und einen vollen Tag in Sittwe werde ich mir sparen, da habe ich eigentlich alles gesehen.

Mrauk U Impression

Mrauk U hatte seine Blütezeit ab dem 15. Jahrhundert als Hauptstadt des Arakan Königreiches. Für 350 Jahre blieb die Stadt unerobert. Das Königreich betrieb Handel mit Ländern von Arabien bis zu Europa und erlangte nicht unerheblichen Reichtum. Der Ort liegt in schon grüner Hügellandschaft. Und was macht man, wenn die Hügel schon mal da sind? Genau, Pagoden drauf bauen. Dies schlug sich nieder im Bau zahlreicher Tempel. Heute ist Mrauk U eine Kleinstadt mit eher döflichem und gemütlichen Charakter, man fühlt sich ein wenig in Orwells Zeiten zurückversetzt. Geblieben sind aus der Blütezeit hunderte von Tempeln, die verstreut in den Dörfer, Reisfeldern und bewaldeten Hügeln liegen. Die Bauerke sind hier weniger Sehenswürdigkeit, sondern in der Dorfleben und die Landschaft integriert, das macht die besondere Atmosphäre aus. Anders als in Bagan, wo die Bewohner zu Gunsten des Touristenziels umgesiedelt wurden, ergibt sich hier noch ein stimmiges Gesamtbild.

Landwirtschaft zwischen Tempeln
Auf Märkten und im Essen auch hier allgegenwärtig: Blumenkohl
Helden sind auf DVD erhältlich
Die Reste des ehemaligen Könispalastes sind überschaubar. Weiße Pferde für potentielle zukünftige Prinzen werden aber vorsorglich vorgehalten.
Ein überall beliebtes Brettspiel, für Außenstehende aber schwer verständlich.

Vergleichen mit Bagan oder Angkor weisen die Tempel von Mrauk U weder die gewaltige Größe, noch die Feinheiten der Handwerkskunst auf. Sie haben einen eigenen Stil, wirken äußerlich eher plump und wuchtig. Gebaut aus Sandstein und glatt verputzt sehen manche Buaten aus wie aus Beton gegossen. Im Inneren einiger Tempel finden sich aber auch hier interessante Reliefs, an denen sich als historischer Comicstrip allerlei über das damalige Leben und natürlich den Buddhismus nachlesen lässt. Und was macht man, wenn die ganzen Pagoden schon mal da sind? Genau, Buddhafiguren rein stellen. Und so es gibt abertausende von Buddhastatuen, die spiralförmigen Gänge im Inneren der Tempel sind übersäht mit kleinen Nischen, in den die Statuen sitzen. 90.000 sollen es insgesamt in der schönen Koh Taung Pagode sein. Ich habe nicht nachgezählt, fand diesen etwas abseits gelegenen Tempel aber auch so am schönsten.

Reliefs im Shittaung Tempel

Die einsam gelegene Koh Taung Pagode
Innen und außen mit Buddhafiguren übersäht
Sehr dekorativ ...
... auch die anwesenden Mönche


Ein Highlight sind natürlich die Sonnenaufgänge. Ich stehe meist um fünf auf und begebe mich zu einem geeigneten Aussichtspunkt. Der besten, den ich entdecke, liegt (natürlich) auf einem kleinen Hügel mit Tempel, zu erreichen über einen steilen Pfad durch das Dickicht. Gut, eine Stirnlampe dabei zu haben. Die erste Frage die sich vor dem Aufbruch stellt: in welcher Reihenfolge trägt man denn am besten Sonnen- und Mückenschutzmittel auf? Die einzige Sorge sonst bereiten mit die zahlreichen zwischen den Tempeln lebenden Hunde, die vielleicht frühmorgentlichen Störungen gegenüber nicht aufgeschlossen sind. Schlafende Hunde soll man ja nicht bekanntlich wecken. Offenbar schlafen die wirklich noch, ich komme jedenfalls unbehelligt ans Ziel. In völliger Stille, die nur vom Krähen sämtlicher Hähne der Umgebung gestört wird, lässt sich zusehen, wie im Morgennebel langsam die Konturen der Tempel erscheinen, die Sonne blutrot über den Hügeln erscheint und die Strahlen langsam den Nebel durchbrechen. Traumhaft, das erinnert mich an meinen ersten Sonnenaufgang in Bagan, den es heute so einsam sicher nicht mehr gibt. 

Morgenstimmung
Der Nebel steigt von den Feldern ...
... bis die Sonne durchbricht
Landschaft wie eine chinesische Tuschezeichnung

Ein vorausschauender Mann hat mitten in den Feldern eine Teestube errichtet. Dort gibt es dann nach dem Sonnenaufgang auch einen Kaffee, bestens. Ich muss auch sogleich im Carom, dem Fingerbillard, gegen die Dorfbevölkerung antreten und verliere natürlich. Ein großer Spass für die Einheimischen ist jedenfalls garantiert, auch wenn ich kein Wort verstehe.

Meine morgentliche Teestube (da wo die roten Plastikstühle stehen)
Keine Chance beim Carom
Mönche sind auch immer früh auf den Beinen

Die Vormittage verbringe ich mit Erwandern der Gegend. Alles ist gut fußläufig zu erreichen und es macht einfach Spass, durch die Felder, Dörfer und über die Hügel zu spazieren. Nach einer Siesta fplgt am späten Nachmittag dann ein ähnliches Programm inklusive Sonnenuntergang. Bei den ausgedehnten Spaziergängen begegne ich keinem einzigen Ausländer. Nur in den wenigen Restaurants trifft man abends immer wieder auf die gleichen Gesichter.

Gegen Abend am Dorfbrunnen
Auch farbenfroh: Sonnenuntergang

Unweit des wichtigsten Tempels steht seit Tage ein großes Zelt, das ab nachmittags lärmende Musik und später dann Predigten diverser Mönche in die Gegend schallen lässt. Es handelt sich um einen mehrtägigen religiösen Event, dessen genaue Bedeutung ich nicht herausbekomme. Am letzten Abend jedenfalls werden dort Platiktische aufbestellt und ein rieser Topf Suppe steht für die zahlreich an der Zeremonie teilnehmenden Gläubigen bereit. Ich werde mehr oder weniger genötigt, die Festtagssuppe zu verköstigen. So lasse ich mich zur Belustigung aller zu einer mächtig scharfen, aber ganz schmackhaften Suppe einladen und werde kurzzeitig zur Dorfattraktion. Die Verständigung bleibt leider recht rudimentär, da hier niemand englisch spricht.

Schnell sind die Tage hier vergangen mit viel Bewegung, Eindrücken und netten Erlebnissen. Genau richtig, hier länger zu bleiben. Heute morgen legte dann pünktlich zu Sonnenaufgang das Fährboot nach Sittwe ab in den Nebel, ich mit an Bord. Den Zwischenstop in Sittwe verbringe ich bisher unspektakulär. Unter anderem war eine Rasur fällig, was der Barbier am Markt zuverlässig erledigt. Ich habe mich noch vergewissert, dass mein Flug morgen früh unverändert stattfindet (was hier nicht immer der Fall ist), nun wird der Tag geruhsam ausklingen.

In der Frühe sind Feuer willkommen (oder Fleecejacken)
Rückfahrt auf dem Kaladan

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