Samstag, 10. Oktober 2015

Heiße Luft

Der Glaube soll ja bekanntlich Berge versetzen, hier in Kappadokien höhlt er sie mitunter eher aus. Auf den Wanderungen durch die diversen Täler begegnen mir immer wieder neben Wohnhöhlen Kirchen und Klöster, die vor Jahrhunderten in die Tufffelsen gehauen wurden. Vieles stammt hier noch aus vorbyzantinischer Zeit, wie die einigermaßen erhaltenen Fresken belegen. Später gab es nämlich den byzantinischen Bildersteit und die Darstellung von Mensch und Tier wurde verpönt bei den Christen. Man besann sich eine Weile auf Schmückendes Zierat satt bildlicher Darstellung, wie man das aus dem Islam auch kennt. Es ist schon faszinierend, was sich hier in den der Welt der spitzen Felsen alles entdecken lässt. Viele Kirchen wurden vermutlich noch gar nicht entdeckt, sind über die Jahre in Vergessenheit geraten oder fristen ihr Dasein weiterhin wie seit Generationen als Viehstall. Das Vieh kommt ohnehin nicht zu kurz, überall sind auch "Taubenburgen" zu finden, hoch in den Felsen angelegte Taubenschläge mit oft hübsch verziehrten Einfluglöchern. Die Taubenzucht hatte hier lange Tradition und wohl auch praktischen Nutzen, heute wird sie kaum mehr betrieben.

Der Apfel fällt wahrscheinlich nicht weit vom Stamm
Dann macht man Apfeltee daraus - suchterzeugend!
Gestern noch einsiedelten Mönche in den Höhlen, heute wird dort allerlei Zeug feilgeboten 
Aufwändige Taubenschläge
Eine Höhle weiter uralte Fresken

Die Verfolgung der Frühchristen durch die Römer bescherte Kappadokien nicht nur versteckte Behausungen für einsiedelnde Mönche, sondern komplette unterirdische Städte. Von denen werden noch einige vermutet, die bisher bekannten auch eher zufällig entdeckt. Das Konzept, die Anlagen gut zu tarnen, funktioniert weiterhin. Natürlich will eine solche unterirdische Stadt, in der vermutlich 3000 Menschen lebten, besichtigt werden. Das geht unter anderem in Derinkuyu In fünf Etagen kann man hier unter die Erde klettern. Das ist nicht besonders komfortabel. da die Gänge oft steil, dafür schmal und vor allem niedrig sind. Schlau ist, keinen Rucksack dabei zu haben, mit dem wäre ich wahrscheinlich stecken geblieben. Trotz der immer gleich bleibenden 10-12° hier unten gerät das ganze dann stellenweise zur schweißtreibenden Übung, man ist halt kein Maulwurf und nicht dafür gemacht, längere Strecken gebückt durch Erdgänge zu krabbeln. Interessant ist es aber allemal und der Mühe wert. Ein ausgeklügeltes Belüftungssystem über alle Stockwerke funtioniert heute noch ohne Tadel. Auch die Wasserzufuhr war geregelt, ebenso die Weinversogung (!), die Abluft der Kochfeuer und die Notfallverriegelung: bei Gefahr konnten tonnenschwere runde Steine von innen vor die Eingänge gerollt werden, die jeden Zugang von außen unmöglich machten.

Besonders gemütlich hat man es nicht in unterirdischen Städten

Religion spielt in der Region Kappadokien seit jeher eine Rolle. Nach den Spuren des frühen Christentums steht auch Hacibektas auf dem Programm. Doch findet sich das Grabmal von Hadschi Bektasch in einem Klosterkomplex, begründet wurde hier seinerzeit die Glaubensrichtung der Aleviten. Diese Strönung innerhalb des sunnitischen Islam brachte erstmals mystische Elemente ein und propagierte vor allem große Toleranz und Menschenrechte, was im 13. Jahrhundert nicht eben alltäglich war. Bekennende Aleviten gibt es heute noch zahlreiche in der Türkei. Ebenfalls zu finden sind Anhänger des Sufismus, der von Mevlana gegründete Orden der Sufis verschreibt sich noch mehr dem Mystizismus. Die Nähe zu Gott soll unter anderem durch die Sema, den Tanz der kreisenden Derwische, erreicht werden, der in eine Art Trance zu versetzen mag. Haupsitz des Mevlana-Ordens ist Konya, aber auch in Kappadokien wird die Sema nicht nur als volkloristische Darbietung, sondern auch als Gottesdienst praktiziert. Natürlich nuzte ich die Gelegenheit, einer solchen Verannstaltung beizuwohnen, auch wenn ich bereits in Istanbul ein Derwischkloster gesehen habe. Die Zeremonie ist auch ein zweites mal sehenswert und beim Tee lässt sich mit dem Großmeister noch da sein oder andere erfahren über die Derwische. Diese führen zumindest in Kapadokien heute kein Leben mehr als Mönch, sondern gehen ganz normalen Berufen nach, haben Familien und sind quasi in ihrer Freizeit Derwische. Was tut man nicht alles aus Glaubensmotiven, bis jemand den Tanz der Derwische beherrscht bedarf es bei sehr regelmäßiger Übung mindestens zwei Jahre.

Am Grab des Ur-Aleviten Hadschi Bektasch
Das Sortiment alevitischer Ikonen ist rätselhaft
Kreiselnde Derwische gehen leider meist mit schlechten Lichtverhältnissen einher 
Nette Leute auf dem Markt

Wie zu lesen ist, gibt es in Kappadokien eine Menge zu sehen und zu tun, entsprechend waren die Tage gut gefüllt und erst jetzt schreibe ich dazu ein wenig zusammen, schon wieder im Zug Richtung Köln. Zum Glück hat auch die beabsichtigte Ballonfahrt um letzten Morgen noch geklappt. Neben der Buchungslage der Anbieter kam dann noch ein launisches Wetter hinzu, am Mittwoch kommten wegen heftiger Windböhen und Regen gar keine Flüge stattfinden. Egal, am Freitag wurde ich um fünf morgens pünktlich im Hotel abgeholt. Endlich bin ich mal früher dran als der Muezzin der sehr nahe gelegenen Moschee, der sonst um halb sechs als Weckruf fungiert. Wie sich heruas stellt, hätte man auch locker eine Stunde länger schlafen können. Zur Ballonagentur gekarrt wird doch erstmal gezahlt, dann gibt es Kaffee und Frühstück und alles sitzt wartend herum. Endlich dann wieder los mit meinem zuständigen Shuttle-Bus, der ein höchst nobler Mercedes Van ist. Die Fahrt geht in die Einöde auf ein Felsplateau, wo bereits duzende Ballons startklar gemacht werden und andere bereits über das Tal schweben. Hier heißt es weiterhin warten. Da sist aber nicht verkehrt, denn die leuchtenden Ballons über den bizarren Felsen sind alleine schon sehenswert und ein gutes Motiv. Außerdem ist die Sonne noch gar nicht aufgegangen und da sLicht für diejenigen, die jetzt schon in der Luft sind, nicht so günstig. Da etwa 140 Ballons an diesem Tag herumfliegen, muss in Etappen gestartet werden. Unser Anbieter hat hier den perfekten Zeitpunkt genau zum Sonnenaufgang, mal wieder Schwein gehabt. Vorher können wir noch zusehen, wie der Ballon ausgepackt und betriebsbereit gemacht wird, was erstaunlich schnell geht. Dann klettern 20 Passagiere in die vier Abteile des Korbes. Man hat gut Platz, kann sich in alle Richtungen drehen, prima. Ich hatte vorher keine Ahnung, wie das mit den Raumverhältnissen in diesen Gondeln bestellt ist und 20 Passagiere (das ist einer der kleineren Anbieter, manche haben Gondeln mit 30 und mehr) hatten mir schon ein wenig Sorge gemacht. Unnötig, genau wie die Befürchtungne in Sachen Wetter. Es sind zwar nicht gerade wenige Wolken unterwegs, aber insgesamt kann man sich nicht beschweren, der Morgen ist längen besser als die letzten Tage und der Blick super. Kalt wird es in der Gondel auch nicht wirklich, der Brenner heizt gut ein und es ist ja quasi windstill, weil der Ballon sich mit dem Wind bewegt. Alles in allem sehr angenehm. Ein klasse Erlebnis (fast) zum Abschluss der Reise und auf jeden Fall den Preis wert. Zusammengefasst sei gesagt: cok güzel - sehr schön!

Erfreulicher Anblick am frühen Morgen
Abheben bei Sonnenaufgang
Und schon bei der Arbeit (ganz links) 
Verzauberte Landschaft
Göreme mal von oben
Kurz vor der (sanften) Landung 

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